VW und Porsche:Ein Häuptling, ein Skalp: Wiedeking vor dem Aus

Zum Abschuss freigegeben: Die Stunden von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sind offenbar gezählt.

Hans-Jürgen Jakobs

Szenen wie im Wilden Westen: Am Dienstag wurde Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff eine besondere Ehrung zuteil - der CDU-Politiker wurde offiziell Ehrenhäuptling "Offenes Wort" der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg.

Wulff, Porsche, Wiedeking, Fotos: dpa, AP

Mann gegen Mann: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (links) sieht Porsche-Chef Wendelin Wiedeking nicht mehr lang auf dem Chefposten.

(Foto: Fotos: dpa, AP; Montage: sueddeutsche.de)

In solchen Indianer-Funktionen geht es um Stammesreviere und um den Skalp wichtiger Gegner - und es sieht ganz so aus, als ob ein gewichtiger Störenfried in Wulffs Revier schon sehr bald seinen Wirkungskreis verliert. Es geht um Wendelin Wiedeking, den Vorstandschef der Porsche AG in Stuttgart-Zuffenhausen - um jenen Top-Manager also, der berauscht von Börsenkursen und Optionen glaubte, die viel größere Volkswagen AG in Wolfsburg übernehmen zu können.

Nun aber scheint sich die Gegenseite durchzusetzen: Allen voran der VW-Patron Ferdinand Piëch und sein Aufsichtsrat Wulff, der das Land Niedersachsen (20 Prozent Anteil an VW) vertritt. Im Kampf Mann gegen Mann droht Wiedeking zu verlieren. Seine Entmachtung ist offenbar nur noch eine Frage von Stunden.

Modell des integrierten Großkonzerns

Statt einer VW-Übernahme durch Porsche steht nun ein anderes Modell an: der integrierte Autogroßkonzern. Die Familien Porsche und Piëch würden daran gut 50 Prozent halten, Niedersachsen weiterhin 20 Prozent - somit auch die gesetzlich garantierte Sperrminorität - und ein Anteil von 15 Prozent käme dem Emirat Katar zu.

Die Scheichs brächten Geld mit, Porsche wäre seine Finanzsorgen los, die dadurch entstanden, weil für den Kauf von VW-Aktien hohe Kredite nötig waren - die jetzt die Bilanz belasten. Sogar VW hat dem klammen Unternehmen 700 Millionen Euro geliehen. VW-Chef Martin Winterkorn hätte in dem neuen Konstrukt das Sagen, unterstützt von Aufsichtsratschef Piëch, den sie "Ferdi" nennen, und toleriert von Wolfgang Porsche, dem Drahtzieher beim baden-württembergischen Sportwagenhersteller.

Porsche wäre dann die zehnte Marke im VW-Konzern. Das Ziel ist klar: "Dann werden wir 2018 der größte Automobilkonzern der Welt sein", merkt Wulff amüsiert im Chat auf sueddeutsche.de an.

Gute Kontakte zu Investoren

Der Mann aus Hannover sagt noch mehr: "Porsche und VW funktionieren nur im Miteinander und nicht im Gegeneinander", führt er beispielsweise aus: "Im Tierreich kenne ich keine Tiere, bei denen der Schwanz mit dem Hund wedelt." Deshalb könne eine feindliche Übernahme von VW nicht klappen.

Wulff verweist auf seine guten Kontakte zu arabischen Investoren. Offenbar wollte Katar als Gesellschafter nur einsteigen, wenn auch der Ministerpräsident unterschreibt - der aber wollte nur zu niedersächsischen Bedingungen, nicht zu Wiedekings Gesetzen aktiv werden.

Wiedekings merkwürdiges Spiel

Offenbar liegt bereits seit rund zwei Wochen ein Einigungspapier vor. Spätestens am Donnerstag, wenn sich die Autoelite zur Hundertjahrfeier von Audi in Ingolstadt trifft, soll der neue Konzern fertig sein. Wulffs Leute verweisen darauf, dass NSU in Neckarsulm heute nur noch ein Museum wäre, wenn Audi das Werk nicht übernommen hätte. Offenbar fürchten sie eine solche Entwicklung auch für Porsche. Die Zuffenhausener bräuchten VW mehr, als die Wolfsburger Porsche.

Aus Sicht der Niedersachsen hat Wiedeking ein merkwürdiges Spiel getrieben. Er habe mit immer neuen Geschichten in der Öffentlichkeit überrascht, etwa dass Katar sich an der Porsche-Holding beteilige. Das sei den Investoren aus Arabien, die Diskretion suchen, peinlich gewesen, heißt es in Wolfsburg.

Und dann die Sache mit dem Diesel: Immer wieder sei der Einbau von Dieselmotoren in Porsche-Autos diskutiert worden, weil somit der Benzinverbrauch entscheidend gesenkt werden könnte. Doch in Zuffenhausen wurde darauf verwiesen, dass die eigene Klientel mit weißen Hosen Golf spiele und dazu Diesel nicht passe.

Wiedeking wiederum kann zu seinen Gunsten anführen, dass er in vielen Jahren die Porsche AG aus schwierigen Gefilden hoch gebracht hat - aus dem einstigen Sanierungsfall wurde ein Vorzeigebetrieb, der den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch reichlich Gewinn einspielte. Wiedeking selbst engagierte sich im Privatleben in sozialen Projekten - und vermittelte den Eindruck, bodenständig zu sein. Nur beim Take-over-Versuch in Wolfsburg schien die Bodenhaftung zuletzt zu fehlen.

Nun strengen sich alle Beteiligten allem Anschein nach an, dass es wirklich bis zur Audi-Feier mit dem Deal klappt. Die Protagonisten wollen nicht mit dem Sektglas in der Hand auf der Party herumstehen und sich nach der Kabale im Autokonzern befragen lassen.

"Jetzt ist Schluss mit lustig"

Nach Berichten von VW-Insidern ging es zum Schluss um Detailfragen des Katar-Einstiegs, steuerlicher Art beispielsweise. Und bei Wendelin Wiedeking, dem Mann, der 2007 und 2008 rund 150 Millionen Euro verdient hatte, spielten die Modalitäten des Ausscheidens eine Rolle. Eine schöne Abfindung wäre fällig. Aber am Abgang kann nach Darstellung eines VW-Verantwortlichen kein Zweifel bestehen: "Jetzt ist Schluss mit lustig. Es reicht." Da hat sich offenbar manches aufgestaut.

"Ich bin sicher, dass wir in den nächsten Tagen zu einem integrierten Konzern VW/Porsche kommen, in dem die Familien Piëch und Porsche die Mehrheitsaktionäre sind und zu Niedersachsen noch Katar als Aktionär hinzukommt", erklärte Wulff sueddeutsche.de am Dienstagnachmittag in Berlin.

Der Christdemokrat kokettiert intern gerne damit, unterschätzt zu werden. Den Fehler machte auch Wiedeking, der davon ausging, dass die EU das VW-Gesetz mit den Sonderrechten für das Land Niedersachsen kippen würde. Wulff aber brachte im Frühjahr 2008 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem vertraulichen Gespräch in Berlin auf seine Seite.

Mit der Sperrminorität habe man "bisher einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag verhindert, bei dem VW den Porsche-Kaufpreis selber bezahlt hätte", freut sich Wulff.

Nun bleibt er Häuptling bei VW - und einen Skalp gibt es wohl auch.

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