VW-Hauptversammlung:Die große Abrechnung der VW-Aktionäre

VW-Hauptversammlung: VW-Chef Matthias Müller auf der Hauptversammlung in Hannover

VW-Chef Matthias Müller auf der Hauptversammlung in Hannover

(Foto: AP)

Draußen demonstrieren Aktivisten, drinnen zeigt sich das Management demütig. Eine Eskalation bleibt bei der VW-Hauptversammlung vorerst aus - aber die Stimmung ist geladen.

Von Thomas Fromm und Angelika Slavik, Hannover

Vielleicht ist diese Frau, die da in der ersten Reihe ganz rechts außen sitzt, ja die Zukunft von VW. Hessa Al Jaber soll bei dieser Hauptversammlung am Mittwoch für den Großaktionär Katar in den VW-Aufsichtsrat gewählt werden, und auf die Frage, wie sie die Lage bei dem Autobauer sieht, sagt sie: "Probleme machen einen stärker". Später dann soll sie sich den VW-Aktionären vorstellen, und dabei lobt sie die Strategie von Konzernchef Matthias Müller. Mehr Elektroautos, mehr Modernität, alles bis 2025. Hessa Al Jaber sagt, dass sie "in den letzten Monaten sehr viel über VW gelernt" habe. Der Konzern habe "die Fähigkeit zum Wandel."

Während die Frau aus dem fernen Katar erzählt, steht Hans Dieter Pötsch schräg vor seinem Sprecherpult und hört zu, den Arm auf das hochgestellte Tischchen gestützt. Es ist wahrscheinlich einer der wenigen Wortbeiträge, die ihm bei dieser Hauptversammlung gefallen dürften. Denn kurze Zeit später fordern erste Aktionärsvertreter auch schon, "den Herrn Pötsch als Versammlungsleiter abzulösen". Sie sprechen von "Bescheißen", von krimineller Energie, vom "blinden Wegseher", und von Pötsch als "personifiziertem Interessenkonflikt".

Natürlich wird der Aufsichtsrat nicht abgelöst, dafür haben die kleinen Aktionäre in diesem Konzern, bei dem die Familien Porsche und Piëch, das Land Niedersachsen und die Scheichs aus Katar eine überaus satte Stimmenmehrheit haben, auch viel zu wenige Stimmen. Aber darum geht es heute auch gar nicht: Die ersten Reden bei solchen Veranstaltungen heizen die Stimmung an - das ist oft so bei Hauptversammlungen. Und es gilt besonders für diese Hauptversammlung von Volkswagen. "Danke für das entgegengebrachte Vertrauen", sagt Pötsch, als die Stimmen ausgezählt sind und er die Sitzung weiter leiten darf.

Draußen Krawall, drinnen Demut

Pötsch kann sich seiner Sache sicher sein. Aber angenehm ist es trotzdem nicht, denn VW trifft zum ersten Mal seit Ausbruch der Dieselaffäre im vergangenen September auf seine Aktionäre. Und die nutzen die Gelegenheit - für ihre große Abrechnung.

Draußen vor den Hallen der Hannover Messe stehen Menschen mit Transparenten und Megafonen. Ob sie Umweltaktivisten sind oder empörte Aktionäre oder beides, ist nicht so ganz klar. Ihre Botschaft hingegen schon. Volkswagen habe nicht nur keine Skrupel gehabt, "die Natur zu vergiften, die Menschen zu vergiften", ruft einer. Es gebe in dem Konzern "ja nicht einmal ein Unrechtsbewusstsein". Das zeige sich schon daran, dass die Manager immer von der "Dieselthematik" sprächen, wenn sie eigentlich die Manipulationen der Abgaswerte meinen.

Während draußen demonstriert wird, gibt sich der Aufsichtsratschef Pötsch vor den Aktionären demütig. Man habe das Vertrauen der Anteilseigner und der Öffentlichkeit enttäuscht, sagt er. Das bedauere man zutiefst. "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen", sagt er.

Milliardenklagen aus aller Welt, frustrierte Kunden, noch frustriertere Kleinaktionäre - eigentlich wollte VW diesen Tag nutzen, um über seine Zukunftsstrategien, um über das Jahr 2025 zu reden. Aber will das hier überhaupt jemand hören?

Aktionäre haben keine Lust mehr, gnädig zu sein

Kurz vor dem Aktionärstreffen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig Ermittlungen wegen des Verdachts auf Marktmanipulation eingeleitet hat gegen den langjährigen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und den VW-Markenchef Herbert Diess. Die Frage, um die es geht: Hat der Konzern seine Aktionäre rechtzeitig über die Risiken der Dieselaffäre informiert?

Da auch noch die Finanzaufsicht Bafin den kompletten früheren VW-Vorstand angezeigt hat, ist auch Pötsch Gesprächsthema. Denn der amtierende Aufsichtsrat war bis vergangenen Herbst Finanzvorstand des Unternehmens - und damit einer der wichtigsten Männer im obersten Führungszirkel um Martin Winterkorn.

Pötsch kann kaum eine Pötsch-Personalie kommentieren

Eine sehr besondere Konstellation ist das. Wie besonders, wird klar, als Pötsch über die vielen Personalien des vergangen Jahres berichten muss. Da Pötsch hier nicht eine Pötsch-Personalie kommentieren kann, muss der Aufsichtsrats-Vize Jörg Hofmann von der IG Metall ran. Kritik? Nein. Pötsch genieße "in hohem Maße das Vertrauen", sei für den Job des Chefkontrolleurs qualifiziert und müsse deshalb wiedergewählt werden. Pötsch schluckt und sagt: "Ich weiß dieses Vertrauen zu schätzen."

Die Aktionäre, die hier sind, nehmen das unterschiedlich auf. Einer sagt, der Vortrag des Aufsichtsratschef sei gar nicht so schlecht. "Dass sie Mist gebaut haben, wissen sie ja selbst." Andere sind nicht so gnädig. Als nach Pötsch dann auch Vorstandschef Matthias Müller sagt, er bitte "um Entschuldigung, dass auch Ihr Vertrauen in Volkswagen enttäuscht worden ist", geht ein Schnauben durch die hinterste Reihe.

Und als Müller von den 600.000 Mitarbeitern spricht "die alles geben für unsere Kunden", schnaubt der Aktionär wieder. Und er sagt: "Das ist irgendeine vorbereitete Rede, irgendein Geschwafel, was soll mir das jetzt bringen?"

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