VW gegen Porsche: Familienstreit:Bruch der Vorderachse

Kampf der Vettern: Wolfgang Porsche gegen Ferdinand Piëch. Im deutsch-österreichischen Autoclan geht es um die Macht bei VW. Keine Intrige bleibt dabei ungenutzt.

Dagmar Deckstein

Lebte William Shakespeare heute, wäre ihm der Zoff zwischen den Porsche-Eigentümerfamilien Porsche und Piëch wohl ein gefundenes Fressen für einen zeitgemäßen "König Lear". Die Tragödie handelt von Hass, Wahnsinn und Treue in einer Herrscherfamilie. Soweit die Ähnlichkeiten.

VW gegen Porsche: Familienstreit: Zwei Männer, zwei Blickrichtungen: Wolfgang Porsche (links) und Ferdinand Piëch.

Zwei Männer, zwei Blickrichtungen: Wolfgang Porsche (links) und Ferdinand Piëch.

(Foto: Foto: AP)

Piëch - vom Ränkeschmied zur Zielscheibe

Doch der Patriarch Ferdinand Piëch unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt vom historischen Vorbild des Stückes, dem selbstherrlichen König Lear von Britannien: Piëch denkt wohl nicht im Traum daran, seine Königs- bzw. Aufsichtsratschef-Pflichten abzutreten und das Wolfsburger Terrain zwischen seinen Brüdern und Cousins aus dem Familienclan Porsche-Piëch aufzuteilen.

Genau dazu wollen die ihn nun zwingen, allen voran sein Cousin Wolfgang Porsche: Ferdinand Piëch soll den Vorsitz im Kontrollgremium des Volkswagen-Konzerns abgeben, notfalls soll er auf einer außerordentlichen Hauptversammlung entmachtet werden. Dass das Land Niedersachsen, nach Porsche der zweitgrößte Aktionär, da mitmacht, ist unwahrscheinlich. Aber im seit Monaten andauernden Ränkespiel um die Macht in Wolfsburg hat man schon manche Wendung und Volte gesehen. Hieß es vor zwei Wochen noch, Piëch arbeite an der Demission Wendelin Wiedekings, da ihm der Porsche-Chef zu mächtig werde, ist Piëch nun selbst Zielscheibe der erbosten und brüskierten Restfamilie.

Im Visier hat ihn nun vor allem sein Cousin Wolfgang Porsche, der formal mächtigste Mann im Ego-Grand-Prix der Autodynasten und -manager zwischen Stuttgart und Wolfsburg. Er ist nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche Automobilholding SE, sondern auch Sprecher der Familie Porsche, die mit 53 Prozent am Sportwagenbauer beteiligt ist. Jener Familie also, über deren Mitglieder der gelernte Ingenieur Ferdinand Piëch bei jeder Gelegenheit hämte, das seien doch alles "Waldorfschüler."

Waldorfschüler gegen Ingenieur

Gut möglich, dass sich Piëch diesmal im Machtkampf verzockt hat und ihn der ehemalige Waldorfschüler Wolfgang Porsche in die Schranken weist. Es spricht Bände, wenn der notorisch auf Ausgleich und Besonnenheit bedachte Enkel des legendären Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche diesmal nicht als Stoßdämpfer wirkt, sondern aus der Haut fährt und das Verhalten seines Vetters mit den Worten kommentiert: "Ich bin entsetzt über das Abstimmungsverhalten des Aufsichtsratsvorsitzenden Piëch."

Der war auf der VW-Aufsichtsratssitzung am vergangenen Freitag gar nicht erschienen, sondern hatte seine Stimmenthaltung schriftlich hinterlegt. Damit kamen die Arbeitnehmer mit ihrem Antrag durch, dass sich Großaktionär Porsche Geschäfte mit der VW-Tochter Audi vom Aufsichtsrat in Wolfsburg genehmigen lassen muss. Dabei hat der 71-jährige Automanager die Rechnung wohl ohne den Porsche-Piëch-Familienclan gemacht. Auch sein eigener Bruder Hans Michel Piëch, der ebenfalls im Porsche-Aufsichtsgremium sitzt, schäumt. "In meiner Karriere haben schon einige versucht, mich rauszudrängen, es ist noch keinem gelungen," hatte Ferdinand Piëch einmal gesagt. Gut möglich, dass er sich da erstmals irren könnte.

Tatsächlich läuft sein Cousin Wolfgang, im Mai 65 Jahre alt geworden, zu unerwarteter Form auf, seit er den Chefaufseherposten in Stuttgart übernommen hat. Davor war er im wesentlichen nur in Glamourmagazinen aufgefallen, als Partybegleiter seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau Susanne, einer Fernsehfilm-Produzentin.

"Frage nicht zulässig"

Die Sammellager der Münchner Gesellschaft hat er inzwischen mit einem neuen Schlachtfeld vertauscht. Am 24. April dieses Jahre betrat er es erstmals in Wolfsburg, wo sich die VW-Aktionäre zur Hauptversammlung trafen. Am Abend verließ er es mit als Aufsichtsrat bei Europas größtem Autohersteller, den außer ihm auch noch Porsche-Chef Wiedeking und dessen Finanzchef Holger Härter kontrollieren. Damals nörgelten VW-Aktionäre an Porsche und seiner Übernahmestrategie herum, einer forderte gar, das "unbeschriebene Blatt" Wolfgang Porsche möge sich vor seiner Wahl in den Aufsichtsrat gefälligst mal vorstellen. "Frage nicht zulässig", wimmelte Chefaufseher Ferdinand Piëch das Ansinnen zurück. Wie er sich überhaupt auch wenige Tage zuvor in demonstrativem Schulterschluss mit dem Cousin im gemeinsamen Interview mit dem Stern präsentiert hatte.

Zerstritten wie die Kesselflicker sind die beiden Familienstämme Piëch und Porsche schon seit Jahrzehnten, aber die von Wiedeking geschriebene Erfolgsgeschichte, die den Eigentümern Milliarden in ihre Geldbeutel spülte, hat manche Querelen überdeckt.

Die Interessen der Familienstämme

Jetzt brechen sie angesichts des Machtpokers um VW wieder auf und stellen selbst die Wildwestgebaren aggressiver Hedgefonds in den Schatten. Da erscheint Wolfgang Porsches einstige Antwort auf die Frage, auf welche Leistung er besonders stolz sei, schon wie Makulatur: "Auf meine ausgleichende Arbeit, mit der ich die Interessen der Familienstämme auf gemeinsame Ziele ausgerichtet habe." Vorbei ist es erst einmal wieder mit den Gemeinsamkeiten, es riecht nach einem Showdown im Machtkampf, Ausgang offen.

Interessant, welche Interpretation der Dinge am Montag aus Piëch-nahen VW-Kreisen kursierte: Beim Streit der Porsches und Piëchs handele es sich nur um eine PR-Kampagne, um von der Niederlage Wiedekings in der Aufsichtsratssitzung vom vergangenen Freitag abzulenken. So kann man es natürlich auch sehen.

"King Lear" indessen schließt nicht mit einem glücklichen Finale, sondern endet in Chaos und Leere.

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