VW:Gebremste Kontrolle

Eine Kommission der Bundesregierung soll den Abgasskandal um den Autokonzern aufklären. Wer da ermittelt, blieb bisher geheim. Jetzt stellt sich heraus: Die Behörden untersuchen sich vor allem selbst.

Von Markus Balser, Berlin

Die Reaktion des Bundesverkehrsministers auf die mutmaßlich größte Betrugsgeschichte der deutschen Autoindustrie ließ vergangenen Herbst nicht lange auf sich warten. Nur ein paar Tage, nachdem VW zugegeben hatte, bei Dieselmotoren eine verbotene Software einzusetzen, stellte Amtsinhaber Alexander Dobrindt (CSU) eine Untersuchungskommission zusammen. Das Ziel der Prüfer: Herausfinden, "ob die betreffenden Fahrzeuge konform der deutschen und der europäischen Regeln gebaut und auch geprüft worden sind". So Dobrindt. Im Klartext: Es ging um die Frage, wie es beim Konzern, aber auch in Behörden so weit kommen konnte.

Zu den Merkwürdigkeiten der Affäre gehört, dass bislang unter Verschluss blieb, wer in dieser Kommission eigentlich die Aufklärungsarbeit leisten soll. Auch politische Versuche, Transparenz in die Untersuchung zu bringen, scheiterten. Als etwa die Grünen von der Regierung wissen wollten, wer in der Kommission sitzt, bekamen sie die kurz angebundene Antwort: "Die Mitglieder der Untersuchungskommission bestehen aus Fachleuten des BMVI, des KBA und wissenschaftlicher Begleitung." BMVI steht für das Bundesverkehrsministerium. KBA für das Kraftfahrtbundesamt.

Nach Monaten hat das Ministerium nun jedoch den Schleier gelüftet, angestoßen von Recherchen über die Zusammensetzung der Truppe. Die erstaunliche Erkenntnis: Gerade mal ein externer Fachmann bekommt in dem achtköpfigen Gremium die Möglichkeit, den Behördenvertretern und dem Konzern auf die Finger zu schauen. Und der gilt nicht gerade als industriekritisch. Zur Truppe gehören Dobrindt selbst, sein Staatssekretär Michael Odenwald sowie drei leitende Beamte seines Ministeriums. In der Kommission sitzen daneben der Präsident des Kraftfahrtbundesamts, Ekhard Zinke, und ein weiterer Beamter aus dessen Behörde. In der Prüfgruppe gibt es nur einen einzigen externen Sachverständigen: Georg Wachtmeister, Professor für Verbrennungskraftmaschinen an der Technischen Universität München. Einer von acht. Dazu kommt: Wachtmeister hat in der Vergangenheit auch für die Fahrzeugindustrie gearbeitet.

Die Opposition kritisiert nun die Zusammensetzung der Kommission - und wirft dem Ministerium sowie der Prüfbehörde zu große Nähe zur Autobranche vor. Dies habe den Skandal erst ermöglicht. "Die bisherige Kultur des Wegschauens muss ein Ende haben", fordert der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn. Der Verkehrsminister betreibe Pseudo-Aufklärung. "Diejenigen, die für das Wegschauen verantwortlich sind, sollen jetzt aufklären. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht."

Dobrindt weist den Vorwurf zu großer Nähe zurück. "Deutschland ‎ist in der Aufarbeitung der Vorfälle deutlich weiter als die USA", sagte Dobrindt. "Das Kraftfahrtbundesamt hatte bereits im Oktober den Rückruf der betreffenden Modelle verbindlich angeordnet, den Volkswagen in den nächsten Wochen beginnen wird." Die Behörde hatte einen Rückruf für insgesamt 2,4 Millionen Wagen angeordnet, der Anfang dieses Jahres beginnen soll.

Die Arbeit des Amtes in der Affäre bleibt umstritten. So haben etwa Vorwürfe die Runde gemacht, die Leitung des Kraftfahrtbundesamtes sei schon im Herbst 2014 darüber informiert worden, dass einzelne Hersteller unter Verdacht stehen, die Stickoxid-Grenzwerte bei Messungen auf der Straße um ein Mehrfaches zu überschreiten. Das Amt bestreitet dies. Auch das Ministerium war in die Kritik geraten. Denn die deutschen Behörden hätten eigentlich gezielt nach manipulativer Software in der Abgasregelung von Fahrzeugen suchen müssen. So hatte es die EU-Kommission schon vor langer Zeit gefordert. Zugelassene Fahrzeuge sollen zudem auf der Straße unter Echtbedingungen geprüft und ihre Hersteller so kontrolliert werden.

Die Dobrindt-Kommission ist in der Affäre auch bei VW selbst aktiv geworden. Sie war bislang fünfmal vor Ort, schaute sich etwa Lösungen für die betroffenen Fahrzeuge an oder führte Testfahrten am VW-Stammsitz in Wolfsburg durch. Und sie führte Gespräche mit der US-Umweltbehörde EPA.

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