VW:Die Festung VW bröckelt

Volkswagen

Es bröckelt bei VW. Die großen Aktionäre sprechen nicht mehr mit einer Stimme.

(Foto: dpa)
  • Auch wenn die Vorstände mit deutlicher Mehrheit entlastet wurden: Die Einigkeit der Aktionäre ist Geschichte.
  • Die Entscheidung von Niedersachsen, gegen eine Entlastung von Winterkorn und Diess zu stimmen, ist auch ein Votum gegen die Familien Porsche und Piëch.

Von Thomas Fromm, Hannover

Eigentlich war das Drehbuch für das Ende dieser Hauptversammlung längst geschrieben: Entlastung für alle VW-Vorstände, trotz Dieselgate, und obwohl die Staatsanwalt Braunschweig noch vor dem Aktionärstreffen mitgeteilt hatte, dass man gegen Ex-Konzernboss Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess wegen des Verdachts der Marktmanipulation ermittle.

Dass Aktionärsvertreter und Kleinaktionäre am Mittwoch wetterten und zeterten - geschenkt. Die VW-Familien Porsche und Piëch halten mehr als 50 Prozent an dem Autobauer, das Land Niedersachsen 20 Prozent. Zusammen mit den Scheichs aus Katar kommt man auf rund 90 Prozent. Eine Wagenburg, die kein Fondsvertreter entern kann, da kann er noch so sauer auf diese sehr spezielle VW-Kultur sein. Noch kurz vor dem Aktionärstreffen gab die VW-Dachholding Porsche SE, die den Familien gehört, die Richtung vor: Wir stimmen für die Entlastung. Übersetzen durfte man das so: WIR ALLE stimmen für die Entlastung des Vorstands.

Niedersachsen will keinen Blankoscheck für Winterkorn ausstellen

Alle? Hinter den Kulissen soll es kräftig gerappelt haben. Schon in der Frage, ob die Topmanager ihre Boni für das Katastrophenjahr 2015 einstreichen sollen, lagen die Eigentümer vor einigen Monaten über Kreuz. Nun die Diskussion über die Frage, ob man Menschen entlasten sollte, gegen die gerade Ermittlungen eingeleitet wurden. Niedersachsen hat sie nun so für sich beantwortet: Nein. Noch in der Nacht erklärte sich das Land so: Es lägen "keine neuen tatsächlichen Sachverhaltsinformationen vor, die eine schwerwiegende Pflichtverletzung der beiden Herren begründen würden". Auch für "Herrn Professor Winterkorn und Herrn Dr. Diess" gelte "die Unschuldsvermutung".

Deshalb "hat das Land Niedersachsen auf der Hauptversammlung weder für noch gegen die Entlastung gestimmt, sondern sich bei der Abstimmung enthalten." Und: Man wolle "im derzeitigen Verfahrensstand nicht auch nur den geringsten Anschein erwecken, sich in der Frage der laufenden Ermittlungsverfahren zu positionieren".

Im Ermittlungsverfahren hat man sich nicht positioniert. Im Verhältnis zu den Porsches und Piëchs dagegen schon.

Entlastung ja oder nein, im Ergebnis hat die Enthaltung der Hannoveraner nichts verändert. Alle wurden am Ende mit satter Mehrheit entlastet, auch Winterkorn und Diess. Das wussten auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil und sein Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD), bevor sie in die Abstimmung gingen. Sie wussten aber auch um die symbolische Wucht, die ihr Ausscheren haben würde. Niedersachsen will keinen Blankoscheck für Winterkorn ausstellen, und sagt damit: Ein Stück weit wollen wir uns nun von euch anderen Großaktionären emanzipieren. Ein kleiner Schritt für VW. Ein ziemlich großer Schritt wahrscheinlich für Niedersachsen. Denn die Großaktionäre des Krisenunternehmens sprechen seit dieser Nacht nicht mehr mit einer Stimme - ein bisschen zumindest.

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