VW:Die große Diesel-Front

Volkswagen

Unter Spannung: VW-Zentrale in Wolfsburg.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Schwierige Verhandlungen in den USA, Ermittlungen in Deutschland und eine Festnahme in Südkorea.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

In den letzten Tagen vor der erhofften Einigung mit den US-Behörden, die bis zum kommenden Dienstag unter Dach und Fach sein muss, geht es um Details. Details wie die Frage, mit wie vielen Milliarden Dollar Volkswagen am Ende amerikanische Umweltprogramme unterstützen muss - als Wiedergutmachung dafür, dass in rund einer halben Million Dieselfahrzeugen in den USA die Abgasmessungen manipuliert wurden. Es sind Tage also, von denen noch sehr viel abhängt - und an denen sich auf den letzten Metern noch einmal einiges verändern kann.

In Wolfsburg war man daher perplex, als in den vergangenen Tagen erste Zahlen auftauchten. Eine Entschädigungssumme von zehn Milliarden Dollar stehe im Raum, berichteten amerikanische Nachrichtenagenturen. Darin enthalten: Die Kosten für den Rückkauf von fast 500 000 manipulierten Dieselautos mit 2,0-Liter-Motoren sowie eine milliardenschwere Förderung von Umweltprogrammen in den USA. Je nach Fahrzeug und Fahrleistung sollen die Halter im Schnitt mit 5000 Dollar entschädigt werden. Die Besitzer stehen vor der Wahl: Entweder können sie ihre Autos an VW zurückverkaufen oder sich die Reparatur bezahlen lassen.

US-Bundesrichter Breyer soll sauer darüber sein, dass Details durchgesickert sind

Zehn Milliarden Dollar, 5000 Dollar pro Auto, groß angelegte Umweltfonds - das sind schon einige wichtige Details. Allerdings mögen es amerikanische Behörden gar nicht, wenn Zwischenergebnisse oder gar finale Abmachungen zu früh die Öffentlichkeit erreichen. So heißt es aus informierten Kreisen, der zuständige Bundesrichter Charles Breyer sei inzwischen stocksauer darüber, dass Details der Vereinbarung mit VW durchgesickert seien.

Und Breyer suche jetzt nach dem Leck.

Dies zeigt: Die Situation ist angespannt; und die Angst, es auf den letzten Metern noch zu vermasseln, groß. Beobachter glauben, dass die Lösung am Ende noch komplizierter sei als bislang gedacht - und teurer als bisher vermutet könnte sie auch noch werden.

Unterdessen werden immer mehr Details bekannt, wie es zur dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den früheren Konzernchef Martin Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess wegen angeblich verspäteter Information der Aktionäre in der Abgas-Affäre gekommen ist. Winterkorn und Diess sollen bei einer Sitzung am 27. Juli 2015 in der Wolfsburger Konzernzentrale Hinweise auf Software-Veränderungen bei Diesel-Fahrzeugen in den USA bekommen haben; andere Vorstandsmitglieder dagegen sollen deutlich später davon erfahren haben. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hatte den kompletten damaligen VW-Vorstand angezeigt, inklusive des heutigen Aufsichtsratschefs Hans Dieter Pötsch. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig untersuchte den Fall auch selbst und vernahm Zeugen zu der Sitzung vom 27. Juli 2015. Diese Zeugenaussagen waren es nun, die zu dem Anfangsverdacht führten, Winterkorn und Diess könnten Informationen über manipulierte Abgaswerte zurückgehalten haben, um den Wert der VW-Aktie nicht einbrechen zu lassen. Daraufhin entschieden die Ermittler, ein Strafverfahren wegen mutmaßlicher Manipulation des Aktienkurses von VW einzuleiten; dieses aber auf Winterkorn und Diess zu begrenzen.

Allerdings könnten es im Verlauf des Verfahrens noch mehr Beschuldigte werden. Möglich ist aber auch, dass die Ermittlungen gegen Winterkorn und Diess irgendwann eingestellt werden.

VW hatte die Aktionäre erst am 22. September 2015 über die drohenden finanziellen Folgen der Manipulationen von Abgas-Tests informiert - vier Tage, nachdem die US-Umweltbehörde EPA den Fall öffentlich gemacht hatte. Das wirft die Frage auf, ob alles mit rechten Dingen zuging.

Während in den USA noch verhandelt wird und in Deutschland Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, gibt es in Südkorea bereits den ersten Haftbefehl gegen einen VW-Manager. Dem 52-jährigen Mann, der für die südkoreanische VW-Landesgesellschaft tätig war, wird unter anderem Dokumentenfälschung und die Verletzung der Gesetze zur Luftreinhaltung zur Last gelegt. Dabei sollen Hunderte von Dokumenten zu Emissionswerten, Kraftstoffverbrauch und Lärmtests geschönt worden sein, um auf diese Weise die Zulassung von Importautos in Südkorea zu bekommen. Betroffen seien Modelle wie der VW Golf und Audi-Modelle, die seit 2010 in Südkorea verkauft wurden. Sichergestellt wurden die Papiere bei Firmendurchsuchungen.

"Das ist erst der Anfang der Ermittlungen", wurde ein Vertreter der Staatsanwaltschaft zitiert. Zwar wird derzeit in vielen Ländern mit Klagen gegen VW vorgegangen. Dass aber ein VW-Mitarbeiter in Untersuchungshaft kommt, ist auch hier ein Novum.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: