Abgas-Affäre bei Volkswagen:Volkswagen braucht neues, unbelastetes Spitzen-Personal

Der Konzernche von Volkswagen, Matthias Müller, auf der Motorshow in Detroit, USA

Der neue Konzernchef Matthias Müller war jahrelang nah dran.

(Foto: REUTERS)

Die Glaubwürdigkeit der VW-Chefs ist endgültig dahin. Nach den neuen Erkenntnisse in der Diesel-Affäre kann es nur einen Weg geben.

Kommentar von Thomas Fromm

Neue Besen, hat der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gesagt, kehren gut. Aber die alten Besen würden die Ecken kennen. Der VW-Aufsichtsrat Weil wollte damit sagen: Dass ausgerechnet der langjährige VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch den Wolfsburger Konzernaufsichtsrat und damit die Aufklärung der Diesel-Affäre leitet, sei richtig. Weil Pötsch sich besser im Unternehmen auskenne als neues, von außen kommendes Personal. Schon damals im Herbst 2015 gab es Kritik: Kann jemand, der jahrelang zum engsten Führungskreis um den zurückgetretenen Vorstandschef Martin Winterkorn gehörte, Dinge aufklären, die auch in seinen Bereich fielen? Kann so einer auskehren? Da waren Zweifel angebracht, die jetzt zur Gewissheit werden.

Alte Besen kennen alle Ecken? Das hilft jetzt auch nicht mehr

Dass der Österreicher Pötsch, der seit 2003 Finanzvorstand in Wolfsburg war und obendrein ein Vertrauter der Eigentümerfamilien Piëch und Porsche ist, das vielgliederige Unternehmen gut kannte, könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Wer in einem Konzern Herr über die Zahlen ist, gehört ohnehin schon zu den am besten informierten Menschen. Vorstands- und Finanzchefs sind in einem Haus wie Volkswagen daher immer auch ein enges Team, anders geht es nicht. Dass beide - Winterkorn und Pötsch - immer wieder zusammengesessen und die Probleme erörtert haben, die da wie ein Tsunami aus den USA auf VW zurollten, das konnte man sich bisher schon gut vorstellen; heute weiß man: Es war auch so. Es sind jetzt verhängnisvolle Tage im September 2015 nachgewiesen, in denen die Mächtigen in Wolfsburg die schlechten Nachrichten aus den USA kannten, aber geheim zu halten hofften. Mit dabei offenbar auch Konzernchef Matthias Müller: Auch er kennt die Konzernecken, auch er will heute fegen.

Bei VW zieht man sich auf folgende Argumentation zurück: Die Diesel-Affäre sei lange Zeit nicht als solche erkennbar gewesen. Die VW-Führung habe das Thema aus taktischen Gründen und auch, um die Verhandlungen mit den amerikanischen Behörden nicht zu gefährden, unter Verschluss halten müssen. Das ist mindestens aus heutiger Sicht problematisch. Den vielen Klägern, die den Managern des börsennotierten Unternehmens vorwerfen, nicht zeitig über die Risiken informiert zu haben, sind die internen Abläufe bei VW eine wertvolle Hilfe bei ihren milliardenschweren Forderungen.

Es liegt der Verdacht nahe, dass Verantwortliche vertuschen wollten

Und dass die Manager bis zuletzt immer noch behauptet haben, die Affäre sei von einer kleinen Gruppe von Ingenieuren ausgegangen und man selbst habe erst spät davon erfahren, lenkt im Licht der neuesten Erkenntnisse vom Kern ab. Es legt den Verdacht nahe, dass die Verantwortlichen die Probleme, die sie zuerst nicht richtig eingeordnet haben, danach vertuschen wollten.

Pötsch und Müller - das sind zwei Männer, die jahrelang nah dran waren. Für ihre Jobs an der Spitze dieses krisengeschüttelten Konzerns braucht es nun die Glaubwürdigkeit von Leuten, die ganz weit weg waren, als die Ecken verdreckten.

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