Abgas-Skandal bei VW:"Mr. Motor" unter Verdacht

Volkswagen Wrestles With Diesel Emissions Scandal

Noch immer rätselt man bei Volkswagen über Verantwortlichkeiten und Lösungen in der Abgas-Affäre. Derweil versinkt der Konzern in Spekulationen

(Foto: Getty Images)
  • In der Abgas-Affäre bei VW steht ein Mann im Zentrum, der eine zentrale Rolle bei der Motorenentwicklung hatte - und Kontakt zu obersten Management-Kreisen.
  • Beobachter rätseln nun, welche Rolle er wirklich spielt: Drahtzieher oder Bauernopfer?

Analyse von Thomas Fromm

Es ist derzeit die Frage aller Fragen in Wolfsburg: Wer alles wusste davon, dass der Konzern jahrelang eine betrügerische Software in Dieselautos einsetzte, um Abgasmessungen zu manipulieren? Und vor allem: Wer bei VW hatte dies in Auftrag gegeben? War es eine kleine Gruppe von Software-Ingenieuren, also eine kleine Kaste innerhalb des Konzerns? Oder kam die Sache von ganz oben, also vom Vorstand?

War es die erste, zweite oder doch nur die dritte Reihe?

Drei hochrangige Manager sind seit Wochen beurlaubt: der damalige Entwicklungschef Ulrich Hackenberg sowie die Motorenentwickler Wolfgang Hatz und Heinz-Jakob Neußer. Der langjährige VW-Chef Martin Winterkorn ist bereits Ende September zurückgetreten, kurz nachdem die US-Umweltbehörde Epa den Abgasskandal an die Öffentlichkeit brachte. Er übernehme Verantwortung, sagte er damals, obwohl er sich "keines Fehlverhaltens bewusst" sei.

Nun geht es ans Eingemachte: Die Ermittler wollen wissen, wer wirklich hinter den Tricksereien steckt - es kursieren Namen, und es kursieren Zahlen von Verdächtigen, es wird heftig spekuliert. Am Sonntag wurde der Name eines leitenden Ingenieurs bekannt, gegen den die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermitteln soll. Der Elektroingenieur ist seit 1986 im Konzern, arbeitete in dieser Zeit an Dieselmotoren und war zuletzt unter anderem für die Entwicklungselektronik zuständig. Ein Ingenieur, der ab und zu auch mal Interviews zu technischen Themen gab, zu Elektroautos etwa oder zur elektrischen Spannung der Bordnetze. Eine Art Mr. Motor des VW-Konzerns sozusagen.

Einer der 400 obersten VW-Manager

Da er in engem Austausch zu den höheren Topmanagern bei VW gestanden haben soll, ist die Frage nun: Ist er die Schlüsselfigur in diesem Skandal? Oder ist er am Ende sogar nur ein Bauernopfer? Einer, der vor die höheren Manager gestellt wird? Der Mann, der zum Top-Management-Kreis der obersten 400 Manager bei VW gehörte, wurde bereits kurz nach Bekanntwerden des Skandals beurlaubt. Weil er die Software in Auftrag gegeben hatte oder nachweislich davon wusste? Nein, heißt es aus Kreisen des Konzerns. So weit sei man nicht. Der Manager sei beurlaubt worden, weil er in verantwortlicher Position gearbeitet habe - und da sei es üblich, zentrale Manager zu beurlauben, auch um "eine etwaige Vertuschungsgefahr zu verhindern".

VW Ende Oktober: Mehr als fünf Wochen, nachdem es losging mit der Dieselaffäre, ist im Konzern noch immer nicht viel aufgeklärt. Dafür versinkt der Konzern immer mehr im Nebel der Gerüchte.

Der Konzern prüft Eintauschprämie für manipulierte Wagen

Während bei VW die Suche nach den Verantwortlichen auf Hochtouren läuft, weiß man noch immer nicht so genau, wie man das Problem der elf Millionen betroffenen Dieselfahrzeuge aus der Welt schaffen soll. Neueste Idee: Statt die Autos mit manipuliertem Motor zu reparieren, was viel Geld kosten würde und nicht unkompliziert ist, könnten deutsche Händler die Fahrzeuge in Zahlung nehmen und die Kunden mit gezielten Prämien zum Neuwagenkauf bewegen. Anbieten würde sich dies, heißt es aus Wolfsburg, vor allem bei Motoren mit einem Hubraum von 1,6 Litern. Hier nämlich genügt eine einfache Aktualisierung der Software nicht, um die Manipulation auszuschalten - Konzern und Werkstätten müssten zusätzliche Bauteile und somit zusätzliches Geld für Arbeitsstunden und Material in die Hand nehmen.

Eine "Eintauschprämie", vergleichbar mit der staatlichen Abwrackprämie von 2009, sei dies aber nicht, heißt es aus dem Konzern. Damals vor sechs Jahren wurden in Deutschland Prämien in Höhe von 2500 Euro gezahlt, um ältere Autos zu verschrotten und im Gegenzug neue und umweltfreundlichere Autos in Umlauf zu bringen. "Es handelt sich hierbei um ganz normale Vertriebsaktivitäten", heißt es. Über die allerdings noch nicht entschieden sei.

Jede deutsche VW-Werkstatt müsste mehr als 1000 Autos abarbeiten

Aber es ist ziemlich wahrscheinlich, dass der Konzern am Ende einen solchen Schritt gehen wird. Allein in Deutschland sind 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge von der Aktion betroffen - das wären mehr als 1000 Autos pro VW-Vertragswerkstatt. Noch weiß niemand, wie die Kfz-Werkstätten mit diesen Belastungen fertig werden sollen. Die Wartezeiten wären lang, die Mechaniker zeitlich überfordert, und das Risiko, dass die Aktion am Ende scheitert und dem Konzern einen weiteren Imageschaden beschert, groß.

8,5 Millionen Diesel der Marken VW, Audi, Seat und Škoda sind in Europa von dem Rückruf betroffen - es ist die größte derartige Maßnahme, die es hier je gegeben hat. Die ersten Autos sollen von Januar nächsten Jahres an in die Werkstätten - bei den 1,6-Liter-Maschinen aber dürfte es frühestens im Herbst 2016 losgehen, da hier mehr als nur die Software aktualisiert werden muss. Die Sache ist eben langwierig.

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