VW-Betriebsversammlung:Halle 11 rockt

18.000 VW-Mitarbeiter bejubeln den Sieger beim Scirocco-Contest, die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries - und ärgern sich über Wolfgang Porsche.

Michael Kuntz

Um zehn vor elf am Donnerstagvormittag geht es los in Halle 11. Granato Rambocco tritt im weißen Anzug mit orangener Krawatte über dem Hawaii-Hemd vor die 18.000 Volkswagen-Mitarbeiter. Sein Resthaar ist gegelt und ragt auf der Glatze steil nach oben.

VW-Betriebsversammlung: Arbeiter und Politikerin: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bei der VW-Betriebsversammlung in Wolfsburg.

Arbeiter und Politikerin: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bei der VW-Betriebsversammlung in Wolfsburg.

(Foto: Foto: ddp)

Der Stadionsprecher des VW-Unternehmens VfL Wolfsburg kennt sich aus mit größeren Menschenansammlungen. Es ist Betriebsversammlung im Stammwerk von VW. Trotz seiner Breite von 300 Metern fasst der Raum nur ein Drittel der Wolfsburger Belegschaft des größten deutschen Industriekonzerns.

Rambocco präsentiert Dennis Ritter-Eichenlaub, 34. Der Mann ist Mechaniker bei VW und hat den Scirocco-Songcontest gewonnen. VW suchte seinen Superstar für den neuen Sportwagen - und 140 Mitarbeiter bewarben sich für die Hauptrolle im Werbespot.

Rocken vor 18.000 Kollegen

Nun also rockt Ritter-Eichenlaub vor 18.000 Kolleginnen und Kollegen. Das Lied hat keinen so schrecklich komplizierten Text. Von vier Chorsängern zum Crescendo verdichtet, muss es ungefähr so geklungen haben wie auf dem Nürburgring, als der Scirocco am Wochenende die Plätze eins, zwei und fünf abräumte. Sehr starker Beifall.

Danach machte die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf der Durchreise von Berlin nach Brüssel Halt in der Halle, wo sonst Stückgut aus Güterwaggons und Lastzügen entladen wird.

Mitgebracht hatte sie den maßgeblich auf ihr Betreiben hin zustande gekommenen einstimmigen Kabinettsbeschluss, wonach die Bundesregierung am VW-Gesetz festhält und es auf der Basis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes nur so weit ändert, wie es unbedingt notwendig ist. Die Regierung halte sich an ein Urteil des EuGH, sie halte aber auch zu den Beschäftigten von Volkswagen, sagt die Ministerin. Das juristische Eis sei "sehr dünn", auf das sich die Kommission bei einer erneuten Klage begeben würde. Denn VW sei eben kein Unternehmen wie jedes andere.

Wenn VW hustet...

Es würden auch in Zukunft keine Verlegungen von Produktionsstätten gegen den Willen der Arbeitnehmer erfolgen können. So, fügte Zypries hinzu, "wie bei Nokia in Bochum". Sie hält auch die Sperrminorität des Bundeslandes Niedersachsen für gerechtfertigt, denn der alte Spruch stimme heute noch: Wenn VW hustet, kann das Land Niedersachsen die Grippe bekommen.

Das vom Bundeskabinett beschlossene neue VW-Gesetz sei eine politische Botschaft weit über VW hinaus. Denn bei vielen Menschen in ganz Europa würden die Zweifel wachsen, ob es in unserer Wirtschaft noch gerecht zugehe. Der jüngste Rekordgewinn von Europas größtem Autokonzern zeige, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Verantwortung kein Widerspruch seien. Soziale Marktwirtschaft bedeute auch einen gerechten Anteil am Haben und Sagen. "Wirtschaft muss den Menschen dienen, und zwar nicht nur einigen wenigen."

Der Sportwagenhersteller Porsche, der noch 2008 seinen Anteil über 50 Prozent bringen will, leistete seinen eigenen Diskussionsbeitrag - durch ein Interview seines Aufsichtsratschefs. Wolfgang Porsche sagte dem Manager Magazin Sätze wie: "Wir müssen einerseits unsere Interessen der Porsche S.E. konsequent vertreten, zur Not eben auch vor Gericht. Andererseits sehe ich meine Hauptaufgabe in der Deeskalation. Weil jedes Öl, das in dieses Feuer gegossen wird, den Brandherd vergrößert." Wie könnte für den Unternehmer Porsche ein Kompromiss aussehen? "Die Arbeiter könnten einfach an ihre Bänder gehen und arbeiten." Das goss Öl ins Feuer.

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