VW-Abgasaffäre:Autohändler attackieren Volkswagen

Volkswagen

Dunkle Wolken über einer VW-Filiale. Die Händler fühlen sich von dem Konzern im Stich gelassen.

(Foto: dpa)
  • Ein Verband von 2400 deutschen Autohäusern greift den Volkswagen-Konzern an. Die Händler und Werkstätten fühlen sich in der Abgasaffäre im Stich gelassen.
  • Es geht um technische Probleme, die finanziellen Folgen der Kunden-Klagen und den massiven Druck des VW-Konzerns auf die Geschäfte der Händler.

Von Markus Balser, Berlin, und Max Hägler, Wolfsburg

Was sich da zwischen den Hebebühnen der Werkstätten und in den Beratungsbüros der Autohäuser angestaut hat, wird schon in wenigen Zahlen klar: Allein in Deutschland geht es im VW-Skandal um 2,6 Millionen betrogene Autohalter. Bislang sind laut Konzern 1,7 Millionen Fahrzeuge in den Werkstätten umgerüstet worden. Das heißt: 1,7 Millionen Mal Ärger für jene Vertragshändler, die das Update organisieren. Seit Beginn der Krise vor mehr als eineinhalb Jahren schwiegen die Händler eisern zum Skandal, der sie doch an vorderster Front trifft. Jetzt aber ist der Ärger einfach zu groß geworden.

In einem wohl beispiellosen Vorgang attackiert der Verband von 2400 deutschen Autohäusern den eigenen Konzern und wirft ihm in der Affäre schlechten Stil und massive Fehler vor. "Das Vertrauen zwischen Händlern und VW ist massiv belastet", sagt Dirk Weddigen von Knapp, Präsident des Händlerverbands, der Süddeutschen Zeitung. "Die Täuschung von VW hat VW-Kunden verärgert. Lange waren wir dabei ziemlich gelassen. Aber das ändert sich", so der Präsident. Er vertritt in Deutschland alle 2400 Partnerstandorte - Autohäuser von VW, Audi und den Nutzfahrzeugen des Konzerns. Die Händler fühlen sich in der Abgasaffäre im Stich gelassen. Der Verband fürchtet das Aus für viele Autohäuser. "Das ist schlechter Stil", ätzt der Verband.

Der Verband fürchtet das Aus für viele Autohändler

Die Händler werfen VW und Audi mangelnde Unterstützung vor: Die Umrüstung der betroffenen Autos laufe nicht wie geplant. Das zentrale IT-System, das bei Werkstattbesuchen geschädigter Kunden das richtige Software-Update liefern muss, falle immer wieder tageweise aus, heißt es. Bei VW heißt es, die Probleme seien bekannt und weitgehend behoben.

Auch die juristischen Folgen des Skandals treffen viele Händler hart. Sie vermissen Unterstützung in Rechtsfragen. "Konzerntöchter wie Audi weigern sich, die Kosten der Rechtsstreitigkeiten mit den Kunden zu übernehmen", klagt Weddigen von Knapp. Die Folgen sind gewaltig: Nach deutschem Recht nehmen viele Kunden den Händler in die Pflicht. "Es geht um inzwischen Zehntausende Klagen gegen VW und Audi", erklärt der Verband. Teils lägen die Zusatzkosten eines Falles für die Händler bei mehr als 2000 Euro. Tatsächlich können die Rechnungen offenbar nicht ohne Weiteres eingereicht werden, ist aus dem VW-Konzern zu hören: Die Händler hätten auch eine gewisse Eigenverantwortung. Jedoch würden die Marken durchaus Hilfestellung geben, nach Prüfung mitunter auch finanzielle.

Die Autohäuser hat dieser Tage aber noch eine ganz andere Nachricht erreicht, die viele sogar in Existenznot treiben könnte. Nach Angaben des Händlerverbands wollen VW, Audi und die Nutzfahrzeugsparte des Konzerns neue Verträge mit den Händlern aushandeln. Demnach will der Konzern das lukrative Geschäft mit Flotten von Großkunden künftig nicht mehr den Händlern überlassen, sondern aus der Zentrale steuern. Ebenso das Geschäft mit der Online-Bestellung von Fahrzeugen.

Die Auseinandersetzung liefert seltene Einblicke für Kunden in die Zukunft des Geschäfts mit Autos. Denn auch bei den Geschäften mit Zubehör bahnt sich bei Marken eine radikale Wende an - für Käufer wie für Händler. Im großen Stil sollen Zusatzfunktionen künftig in den Autos vorinstalliert und dann von Kunden elektronisch frei geschaltet werden können - bei Bedarf auch nur für einen bestimmten Zeitraum und wie bei einer App. Was Kunden den Händlerbesuch erspart, bedeutet Einnahmeverluste für die Autohäuser.

Aus Sicht der Autohäuser bahnt sich eine damit existenzielle Bedrohung an. Audi habe die geplante Kündigung der Verträge dem Verband gegenüber bereits eingeräumt. "Setzen sich die Pläne im ganzen Konzern durch, sind Milliardengeschäfte in Gefahr. Einige Hundert Millionen Euro Ertrag drohen wegzubrechen", sagt Weddigen von Knapp. "Händler könnten bis zu 80 Prozent des Geschäfts verlieren. Der Handel wäre dann nicht mehr lebensfähig." Der Verband fürchtet deshalb nach der Abgasaffäre nun ein rasantes Händlersterben. "Viele der bislang mehr als 100 000 Jobs in den Autohäusern wären in Gefahr. Und auch für Kunden bedeutet das massive Einschnitte. Besonders auf dem Land würde das Netz dann ausgedünnt. Der Konzern muss diese Pläne stoppen", fordert der Händlerverband.

Der Streit eskaliert in diesen Tagen, weil Ende der Woche wichtige Treffen von Händlern und VW anstehen. An diesem Donnerstag findet etwa in Paris die Europäische Händlertagung des Konzerns mit VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann statt. Die Händler hoffen noch auf ein Einlenken in letzter Minute. "Wir wollen an den Verhandlungstisch zurückkehren", erklärt der Verband. Bei Volkswagen hofft man das auch. Die Vertragsänderungen kommentiert der Konzern zwar nicht. Jedoch wolle man niemanden ausbooten: "Wir wollen die historisch enge Partnerschaft zu unseren Händlern nachhaltig in die Zukunft führen." Die aber, das gesteht VW schon ein, wird Veränderungen bereithalten: Roboterautos und Elektroantriebe würden die Industrie verändern - und auch den Verkauf und Service.

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