Vorzeitiger Chefwechsel:Müller schmeißt bei Evonik hin

Werner Müller gibt zum Jahresende überraschend sein Amt als Evonik-Chef auf. Als Nachfolger ist Vorstand Klaus Engel vorgesehen, bisher Chef der größten Konzernsparte Chemie.

Hans-Willy Bein

Werner Müller gibt zum Jahresende überraschend sein Amt als Chef des Evonik-Konzerns auf. Als Nachfolger an der Firmenspitze ist Vorstand Klaus Engel vorgesehen, bisher Chef der größten Konzernsparte Chemie. Besiegeln soll der Aufsichtsrat den Wechsel in seiner Sitzung am 16. September. Den Vorsitz im Aufsichtsrat der Bahn will Müller nach Informationen der Süddeutschen Zeitung beibehalten.

Vorzeitiger Chefwechsel: Seit 2003 Chef von Evonik: Werner Müller verlässt den Konzern.

Seit 2003 Chef von Evonik: Werner Müller verlässt den Konzern.

(Foto: Foto: AP)

Zweieinhalb Jahre vor Vertragsende

Das Präsidium des Evonik-Aufsichtsrats hat der Bitte Müllers um vorzeitige Auflösung seines Vertrags bereits zugestimmt und Engel als Nachfolger vorgeschlagen. Müller gebe sein Amt zweieinhalb Jahre vor Ablauf des Vertrags auf, damit sein Nachfolger die Weichen neu stellen könne, hieß es im Umfeld des Evonik-Chefs. Der frühere Wirtschaftsminister erklärte am Mittwoch vor Führungskräften, er beherzige die Weisheit "Gehe, wenn es am schönsten ist". Mit der Umsetzung des Stiftungsmodells habe der Evonik-Konzern eine gute unternehmerische Entwicklungsperspektive und der Bergbau eine Zukunft ohne Kündigungen erhalten.

Evonik ist aus der früheren Zechengesellschaft Ruhrkohle hervorgegangen. Der 62 Jahre alte Müller, der das Unternehmen seit Juni 2003 führt, hatte das Modell entwickelt, das Chemie-, Energie-, und Immobiliengeschäft unter dem Namen Evonik Industries vom Bergbau abzuspalten und an die Börse zu bringen. Mit dem Erlös aus dem Aktienverkauf soll ein Auslaufen des deutschen Steinkohlebergbaus bis zum Jahr 2018 finanziert werden.

Querelen um Kohle und den Börsengang

Realisiert wird das unter dem Dach einer Stiftung. Müller wollte eigentlich an die Spitze der Stiftung wechseln, doch scheiterte dies vor allem am Widerstand der nordrhein-westfälischen Landesregierung. So wurde schließlich der frühere BP-Manager Wilhelm Bonse-Geuking Chef der RAG-Stiftung. Müllers Vertrag als Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries war daraufhin im vergangenen Jahr bis Mitte 2011 verlängert worden.

Der erstmals schon für das Jahr 2006 angepeilte Evonik-Börsengang konnte wegen langer politischer Querelen um die Zukunft der Kohle und wegen der ungünstigen Lage am Kapitalmarkt bisher nicht realisiert werden. Stattdessen verkaufte die Stiftung im Juni ein Aktienpaket von 25,1 Prozent für 2,4 Milliarden Euro an den Finanzinvestor CVC-Capital. Der Gang an die Börse und ein möglichst schneller Sprung in den Dax soll nunmehr in den kommenden drei bis fünf Jahren geschafft werden.

Den Verkauf an den Finanzinvestor CVC, dem das Kartellamt noch zustimmen muss, sieht Müller als eine "wesentliche Zäsur" in der Entwicklung des Industriekonzerns. "Wir sind am Kapitalmarkt angekommen", sagte er. Jetzt gehe es darum, den nächsten Entwicklungsschritt für Evonik einzuleiten. Der Evonik-Vorstand hat der Eigentümer-Stiftung und dem neuen Großaktionär CVC zugesagt, den Konzernwert innerhalb von fünf Jahren zu verdoppeln.

Müller legt Vorsitz zum Jahresende nieder

Eine Aufgabe von dieser Tragweite sei in den Händen desjenigen am besten aufgehoben, der später auch für die Ergebnisse geradestehen müsse, sagte Müller. Und weiter: "Wer das Geschäft macht soll auch die Verhandlungen führen". Eine Konsequenz aus diesem Grundsatz sei seine Entscheidung, den Vorstandsvorsitz zum Jahresende niederzulegen.

Der designierte Nachfolger Engel gehört dem Konzern seit gut zwei Jahren an. Davor war er Chef des Chemietransportunternehmens Brenntag, das 2003 vom US-Investor Bain Capital übernommen und 2006 mit hohem Wertzuwachs wieder verkauft worden war. Engel bringt von daher Erfahrungen im Umgang mit Finanzmarktfirmen mit.

Wachstumstreiber Chemiesparte

Bei Evonik hat sich CVC über die Sperrminorität Mitsprachrechte bei Strategie und Planung gesichert. CVC-Deutschland-Chef Steven Koltes hat Spekulationen über Pläne für eine Zerschlagung des Konzerns zerstreut und sich zu dem Konglomerat mit den Säulen Chemie, Energie und Immobilien bekannt. Fraglich ist aber, ob das Immobiliengeschäft wirklich auf Dauer Bestandteil des Geschäftsmodells bleibt. "Wir werden bis 2013 den Wert unserer Immobiliensparte realisiert haben", hatte Müller hierzu in einem SZ-Interview erklärt. Er ließ offen, was das genau bedeutet.

Eindeutiger Wachstumstreiber bei Evonik ist die Chemiesparte, die für 70 Prozent des Konzernumsatzes von gut 14 Milliarden Euro steht. Bis zum Jahr 2010 will der Konzern annähernd vier Milliarden Euro in die Expansion stecken, davon 2,5 Milliarden in das Chemiegeschäft. Die Energiesparte, fünftgrößter Stromerzeuger in Deutschland, gilt als stabiler Ertragsfaktor.

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