Vorwurf des Abgasbetrugs:Fiat soll doch Autos umrüsten

Nach Betrugsvorwürfen aus Deutschland soll der Konzern die Software betroffener Fahrzeuge erneuern. Italien sieht darin aber kein Schuldeingeständnis, die Behörden unterstützen das Unternehmen.

Von Markus Balser, Berlin

Italien gibt im Streit mit der Bundesregierung um überhöhte Abgaswerte nach. Der italienisch-amerikanische Autohersteller Fiat Chrysler Automobiles (FCA) soll mehrere Modelle mit Hilfe eines Software-Updates nachrüsten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte dem Konzern immer wieder Abgasbetrug und den Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen vorgeworfen, Italien hatte dies stets zurückgewiesen. Der Streit drohte deshalb die Beziehungen beider Länder zu belasten.

Bei einem Treffen mit Vertretern des Bundesverkehrsministeriums bei der EU-Kommission in Brüssel Anfang Februar habe Italien seine bisherige Position aufgegeben, heißt es nun aus Regierungskreisen. Vertreter der italienischen Aufsichtsbehörde hätten bei dem Treffen eine "freiwillige Serviceaktion" zugesichert. Allerdings will man in Italien darin kein Schuldeingeständnis im Abgasskandal sehen. Es bestehe weiterhin Dissens darüber, ob der Einsatz unerlaubter Abschalteinrichtung vorliegt, heißt es in Berlin. Von Fiat hieß es dazu am Mittwoch, der Konzern rüste Diesel-Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 6 bereits seit dem vergangenen Jahr mit Software-Updates aus. Den Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen weist das Unternehmen aber nach wie vor zurück. Der Fall erinnert an die VW-Affäre. Dobrindt hatte Fiat schon im Mai vergangenen Jahres den Einsatz solcher illegalen Techniken vorgeworfen. Bei den Nachprüfungen des ihm unterstellen Kraftfahrtbundesamtes (KBA) in Folge der VW-Dieselmanipulationen, war es bei drei Modellen von FCA zu Auffälligkeiten gekommen. In einem Schreiben an die EU-Kommission legte die Bundesregierung im Sommer vergangenen Jahres nach: Der "Nachweis des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung" sei erbracht. Betroffen von den Prüfungen der deutschen Behörden waren Dieselmodelle der Reihen Fiat 500X, Fiat Doblo und Jeep Renegade.

Dem Ministerium zufolge schaltet sich die Abgasreinigung getesteter Modelle nach 22 Minuten ab. Der gesetzliche Standardtest dauert normalerweise 20 Minuten.

Auch US-Behörden werfen dem Autohersteller vor, gegen Gesetze zu verstoßen

Im Ergebnis stießen die Fiat-Modelle unter realen Fahrbedingungen neun bis 15 Mal mehr Stickoxid als erlaubt, heißt es im Bericht des Kraftfahrtbundesamtes.

Der Streit zwischen Fiat und der Bundesregierung eskalierte, als Dobrindt Verantwortliche von FCA im Mai 2016 wegen der Vorwürfe vor die Untersuchungskommission in Berlin zitierte. Denn Fiat düpierte den Minister - und erschien gar nicht erst. Man sei nur italienischen Behörden zur Auskunft verpflichtet, ließ der Konzern mitteilen. Das Bundesverkehrsministerium sei für Fiat nicht zuständig, sondern Rom.

Bis zuletzt konnte sich Fiat-Chef Sergio Marchionne dort auf die Rückendeckung aus der heimischen Politik verlassen. Die italienischen Behörden bestätigten immer wieder, dass sich der Hersteller an alle gesetzlichen Vorgaben gehalten habe. Die für die Zulassung der Fiat-Modelle zuständigen Behörden in Italien verteidigten die Genehmigung der Fahrzeuge trotz schlechter Abgaswerte damit, dass die Abschalteinrichtung aus Gründen des Motorschutzes verwendet werde. Noch in der vergangenen Woche sagte Italiens Verkehrsminister Graziano Delrio vor dem Parlament in Rom, eigene Tests der Dieselmodelle Fiat 500X, Fiat Doblò und Jeep Renegade hätten entgegen der Vorwürfe aus Deutschland gezeigt, dass keine unzulässige Software eingesetzt worden sei. Nicht nur in Deutschland gerät Fiat nun immer stärker in Bedrängnis. Auch in den USA lasten neue Vorwürfe auf dem Konzern.

Die nationale und auch die kalifornische Umweltbehörde warfen dem Konzern im Januar massive Verstöße gegen das Luftreinhaltegesetz vor. Fiat Chrysler habe eine illegale Software zur Manipulation von Schadstoffemissionen eingesetzt, hieß es. Fiat drohen deshalb Schadenersatzzahlungen und Strafen in Milliardenhöhe. Fiat hatte auch diese Vorwürfe zurückgewiesen.

An diesem Donnerstag muss sich Dobrindt selbst in der Affäre kritische Fragen gefallen lassen. Der Minister ist als Zeuge vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags geladen. Das von Grünen und Linken angestoßene Gremium will herausfinden, ob die Bundesregierung bei Gesetzgebung oder Kontrolle versagt hat.

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