Vorwürfe gegen griechischen Ex-Finanzminister:Saubermann in Erklärungsnot

Ex-Finanzminster Papakonstantinou

Welche Rolle spielt der griechische Ex-Finanziminister Giorgos Papakonstaninou im Skandal um die manipulierte Steuersünderliste?

(Foto: dpa)

Erst lässt die griechische Finanzpolizei eine Datei mit Namen von Steuersündern unbearbeitet. Zwei Jahre später taucht sie erneut auf. Nur fehlen auf der Liste plötzlich drei Verwandte des früheren Finanzministers Papakonstantinou. Nun steht er im Verdacht, ein Fälscher zu sein.

Von Christiane Schlötzer

Der Anruf aus Paris kam kurz vor Weihnachten. Die Griechen sollten sofort kommen, hieß es. Also machten sich zwei Athener Finanzbeamte und ein Justizbeamter mit einer Linienmaschine auf den Weg in die französische Hauptstadt. Am Flughafen Charles de Gaulle wurden sie schon erwartet und mit einer Staatskarosse zum Finanzministerium gebracht. Dort übergab man den drei Männern eine Datei - mit 2062 Namen von Griechen, die ein Konto bei der Genfer Filiale der HSBC-Bank haben. Dann wurden die drei Herren sofort wieder zum Airport gebracht.

Diese merkwürdige Mission war nur der Prolog zu einem neuen griechischen Drama. In dessen Mittelpunkt steht Ex-Finanzminister Giorgos Papakonstantinou. Der 51-Jährige hatte bislang nicht nur international einen guten Ruf, er galt auch vielen Griechen als integrer Mann. 2010 hatte der Sozialist für die Regierung von Premier Giorgos Papandreou das erste Rettungspaket mit den internationalen Geldgebern für sein klammes Land ausgehandelt. Nun muss sich Papakonstantinou gegen den Verdacht verteidigen, ein Fälscher zu sein und drei seiner Verwandten vor der Steuerfahndung geschützt zu haben. Die Namen dieser drei Personen befinden sich nämlich auf jener Datei aus Paris - aber seltsamerweise nicht auf einer Kopie derselben Liste, die Athen schon 2010 bekam.

Genauer: Papakonstantinou hatte sie erhalten, mit freundlichen Grüßen der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde. Steuerhinterzieher sollte er damit dingfest machen, wie es einige seiner europäischen Kollegen bereits taten, mit den in Genf entwendeten Daten. In Griechenland aber wollte die Finanzpolizei mit "gestohlenen Daten" nichts zu tun haben, und Papakonstantinou beließ es dabei. Das war der erste Skandal, der ist seit Oktober bekannt. Dass aber ausgerechnet die Namen einer Cousine des Politikers und ihres Ehemannes sowie der Name des Gatten einer zweiten Cousine von der Liste verschwanden, das ist der zweite, und der bringt den Ex-Minister in schwere Erklärungsnöte. Auf einem der Papakonstantinou-Konten sollen 1,22 Millionen Euro liegen, schreibt die Zeitung Kathimerini.

Papakonstantinou streitet die Vorwürfe ab

Papakonstantinou hat in einer schriftlichen Erklärung aus dem Weihnachtsurlaub jede Manipulation bestritten. Er habe nicht einmal gewusst, dass sich Namen von Verwandten in der Datei befunden hätten, teilte er mit. Sozialisten-Chef Evangelos Venizelos reagierte prompt: Er warf Papakonstantinou aus seiner Pasok-Partei. Der lenkte erbost den Verdacht auf Venizelos selbst, der als Finanzminister sein Nachfolger war - und die Liste auch nicht zur Verfolgung von Steuersündern nutzte. Er lasse sich "nicht zum Sündenbock machen", meinte Papakonstantinou und forderte die Justiz auf herauszufinden, wer ein Interesse habe, ihn anzuschwärzen.

Untersucht werden die Vorwürfe jetzt vom Parlament, das laut Verfassung für Anklagen gegen Minister allein zuständig ist. Der Einrichtung eines Ermittlungsausschusses haben alle drei Regierungsparteien, einschließlich der Pasok, zugestimmt. Sollten sich Beweise gegen Papakonstantinou finden, droht ihm eine Anklage.

Allerdings muss das Parlament zuvor noch feststellen, dass die Vorwürfe nicht verjährt sind. Nach einem Gesetz aus dem Jahr 2011 können Minister für Taten aus ihrer Regierungszeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt belangt werden. Allerdings sieht das Gesetz eine Verjährungsfrist von zwei Legislaturperioden vor. Nun streiten sich die Verfassungsrechtler, ob die kurze Zeit zwischen den zwei Parlamentswahlen vom 6. Mai und dem 17. Juni in diesem Jahr als volle Legislaturperiode zählt.

Griechenland - Clan-Gesellschaft oder moderne Zivilisation

Politiker aller Couleur haben aber schon gefordert, das Verjährungsgesetz in diesem Fall nicht anzuwenden. Sie fürchten andernfalls, der Volkszorn könnte noch größer werde. Dass ein Mann wie Papakonstantinou unter Verdacht steht, mögliche Steuerhinterzieher zu begünstigen, habe "Schockwellen ausgelöst", sagte ein griechischer Journalist der Süddeutschen Zeitung. Der Fall sei für ihn ein Test, "ob Griechenland eine Clan-Gesellschaft oder eine moderne Zivilisation ist". Ein anderer griechischer Beobachter meinte, sollten die Vorwürfe stimmen, beweise dies wieder einmal, wie gering das "Schuldbewusstsein" der Regierenden sei.

Die linke Oppositionspartei Syriza und ihr Vorsitzender Alexis Tsipras triumphieren. Sie sprechen von "Beutestaat". In den Umfragen führt Syriza schon seit einer Weile vor den Konservativen. In einer aktuellen Untersuchung von Kapa Research für die Zeitung To Vima kommt die Linkspartei auf 22,6 Prozent, die konservative Nea Dimokratia von Premier Antonis Samaras nur auf 21,5 Prozent. Von einer absoluten Mehrheit sind beide weit entfernt. Die langjährige Regierungspartei Pasok erreicht nur noch 6,2 Prozent.

Dass die neue Liste aus Paris 2062 Namen potenzieller Sünder enthält, die alte in Athen vorhandene aber nur 2059, haben die Finanzprüfer schnell herausgefunden. Warum Paris Athen aber zwei Monate auf die neue Liste warten ließ, ist noch nicht geklärt, und warum es dann auf einmal so schnell gehen musste, auch nicht.

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