Vorwürfe gegen Glencore:Post vom Spitzenmanager

Der Chef des Rohstoffkonzerns Glencore hat etwa 40 Männern und Frauen aus Dörfern im Zürcher Umland Briefe geschrieben. Ivan Glasenberg will Bürger davon überzeugen, dass Steuern von Glencore-Managern kein schmutziges Geld sind - und die Gemeinden die Millionen ruhig behalten können.

Von Wolfgang Koydl, Zürich

Korrespondenz pflegt Ivan Glasenberg vorrangig mit Staatsoberhäuptern und Spitzenmanagern. Mit ihnen nämlich bahnt der Chef des Rohstoffkonzerns Glencore Xstrata milliardenschwere Geschäfte an. Gemeindeschreiber schweizerischer Dörfer hingegen, so ist zu vermuten, standen bei Glasenberg nicht im Adressenverzeichnis - bis jetzt.

Dieser Tage erhielten etwa 40 Männer und Frauen aus fünf Dörfern im Zürcher Umland Post von dem 55 Jahre alten Unternehmer: Lokalpolitiker und Vertreter der Bürgerinitiative "Rohstoffmillionen - wir handeln solidarisch"; Menschen, die sich kritisch mit dem Geschäftsgebaren von Rohstoffkonzernen auseinandersetzen und die in der Schweiz leben - dort, wo auch Glencore seine Heimat hat.

Die Briefe gingen in die idyllischen Flecken Hausen, Affoltern, Kappel, Obfelden und Mettmenstetten. Gemeinsam ist ihnen, dass sie einerseits am Hügelzug des Albis vor den Toren Zürichs liegen und sie andererseits demnächst Gemeindeversammlungen anberaumt haben. Auf diesen Treffen erledigen die wahlberechtigten Einwohner die politischen Geschäfte: Sie legen ihren Einkommensteuersatz fest, befinden über Straßenreparaturen oder entlasten den Vorstand der Grundschule.

Schlechtes Gewissen

Diesmal aber geht es auch um Glencore, genauer gesagt: um eine Art realer Seifenoper, in deren Mittelpunkt die Steuerzahlungen Glasenbergs und anderer Glencore-Manager über den Kanton Zürich standen. Insgesamt 360 Millionen Franken gingen im vergangenen Jahr wie warmer Regen über Großstädte wie Zürich und kleinste Weiler wie Kappel gleichermaßen nieder. Für viele war es nicht nur ein willkommener, sondern ein dringend notwendiger Zuschuss.

Bei manchen Bürgern freilich regte sich das schlechte Gewissen. Durfte man dieses Geld annehmen, an dem nach Überzeugung von Bürgerrechtlern der Schweiß ausgebeuteter Arbeiter in der Dritten Welt und womöglich sogar Blut klebten? Wie andere Rohstoffkonzerne gerät auch Glencore immer wieder ins Fadenkreuz von Kritikern, die dem Unternehmen vorwerfen, Menschenrechte und Umweltvorschriften gleichermaßen zu verletzen.

Im vergangenen September hatte als erste Gemeinde Hedingen mit 764 zu 662 Stimmen entschieden, 110.000 Franken zu spenden. Das war etwa ein Zehntel der Steuereinnahmen von Glencore. Das Geld ging an Hilfswerke in Ländern, in denen der Rohstoffkonzern operiert. Doch die Manager waren darüber nicht glücklich gewesen. Und dies ist der Grund, weshalb Ivan Glasenberg nun persönlich zum Füller griff, bevor die anderen Orte sich dem Hedinger Beispiel anschließen.

Sorge ums Image

Ausführlich erklärt er die unternehmerischen Grundsätze der Firma, verwahrt sich gegen alle Vorwürfe und betont, wie sehr Glencore die Lebensverhältnisse seiner Mitarbeiter verbessere - auch jenseits der Schweiz. Glasenbergs Brief ist ungewöhnlich, weil der Südafrikaner mit israelischem und Schweizer Pass als öffentlichkeitsscheu gilt. Interviews gibt er so gut wie nie.

"Mein Privatleben ist absolut nicht von Interesse", hat er einmal gesagt. In seinem Wohnort Rüschlikon über dem Zürichsee sieht man ihn nur, wenn er seine Villa zum Joggen oder Radfahren verlässt.

Ob sein Schreiben die Kritiker umstimmen wird, ist hingegen fraglich. Immer mehr Schweizer befürchten, dass die Geschäftspraktiken von Rohstoffkonzernen dem Land ähnliche Imageprobleme bereiten könnten wie Schwarzgeld und Bankgeheimnis in der Finanzbranche. Das Rohstoffgeschäft ist für die Eidgenossenschaft fast genauso wichtig geworden wie die Banken: Etwa 20 Prozent des weltweiten Rohstoffhandels wird über die Schweiz abgewickelt - ein Land, ohne einen einzigen eigenen Rohstoff.

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