Vorschläge für den EU-Gipfel:Fünf Punkte zur Rettung Europas

An das Gipfeltreffen der EU-Staats-und Regierungschefs am Wochenende knüpfen sich große Hoffnungen. Auf der Tagesordnung steht nicht weniger als die Zukunft der Europäischen Union. Ein Fünf-Punkte-Plan soll helfen, das Schuldendrama zu bewältigen. Doch viele Bürger sind skeptisch und haben in der Nähe des Ratsgebäudes schon mal ihr Protest-Camp aufgeschlagen. Die Ziele des "Fahrplans aus der Krise" im Überblick.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Die europäische Hauptstadt rüstet sich für ein Ereignis der besonderen Art. Von Freitag bis Sonntag, und womöglich sogar noch länger bis in den Montagmorgen hinein, wird alles, was zum europäischen Spitzenpersonal zählt, in Brüssel erwartet. Staatssekretäre, Berater, Beamte, Minister und schließlich die europäischen Staats-und Regierungschefs selbst werden so lange zusammen sitzen, bis sie ein großes Paket geschnürt haben, vom dem sie glauben, dass es die dramatische Schuldenkrise in den Euro-Ländern lösen kann.

Fünf Jahre EU-Erweiterung  - umstrittenes Kunstwerk

Krisensitzung in Brüssel: Ende der Woche treffen sich hier die europäischen Staats- und Regierungschefs, um eine breit angelegte Rettungsaktion abzustimmen. Das Foto zeigt den Innenhof des EU-Ratsgebäudes.

(Foto: dpa)

Damit das Epizentrum Griechenland zur Ruhe kommt und die Gefahr gebannt wird, dass andere Euro-Länder von den Schockwellen erfasst werden. Und weil die Politiker wissen, dass sie in den vergangenen drei Krisenjahren schon viele Pakete geschnürt haben, die allesamt ihr Ziel verfehlten, hat das gewaltige Vorhaben jetzt einen anderen Namen bekommen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso spricht von einem "Fahrplan aus der Krise", um endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen, und von fünf Stationen, die dieser Fahrplan umfasse.

Dass die großen EU-Chefs jedes Vierteljahr einmal zu einem Gipfel kommen und Wasserwerfer rund um das Gebäude auffahren, in dem sie tagen, daran haben sich die Bewohner von Brüssel längst gewöhnt. Auch daran, dass U-Bahnen geschlossen und Straßen mit Stacheldraht gesperrt sind. Für viele ist das nicht mehr als eine kleine Episode, die kaum 24 Stunden dauert. Aber jetzt, in diesem Oktober ist alles anders.

Im Park oberhalb des Ratsgebäudes stehen plötzlich Zelte, in denen wütende Menschen campieren. Sie demonstrieren gegen die Macht der Banken. Die Stacheldrahtzäune stehen seit Tagen bereit, das Geländen weiträumig abzusperren. Und die Bewohner müssen sich darauf einstellen, dass ab Freitag für 72 Stunden nichts mehr gehen wird. Die Krise hat aus dem üblichen 24-Stunden-Gipfel ein dreimal so lange dauerndes Krisentreffen gemacht.

Auf dessen Tagesordnung stehen die von Barroso angekündigten fünf Themen: Griechenland, Banken, Euro-Rettungsfonds, Wirtschaftsregierung und der Ausbau der Euro-Gruppe selbst zu einer neuen Institution nebst zugehöriger Änderung des EU-Vertrages. Man könnte sagen: Auf der Tagesordnung steht die Zukunft der Europäischen Union.

Der griechische Patient

Zwei Entscheidungen werden zu Griechenland erwartet. Die einfachere, und als beschlossen geltende betrifft die Auszahlung der sechsten Tranche aus dem ersten Hilfspaket für das Land. Die Inspektoren der Kreditgeber von Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und Weltwährungsfonds haben wochenlang geprüft, ob Athen die avisierten acht Milliarden Euro bekommen soll - und schließlich empfohlen, das Geld zu überweisen. Es gilt als sicher, dass die Chefs diesem Votum folgen.

Kompliziert ist dagegen die zweite Entscheidung: wie soll es nach 2012 weitergehen mit der Hilfe? Ein bereits auf dem Euro-Gipfel im Juli beschlossenes zweites Hilfspaket haben die Finanzminister längst wieder geöffnet, wegen "Veränderungen der Marktbedingungen", heißt es. Im Klartext: alles ist offen. Sicher ist, dass ein zweites Paket mehr umfassen muss als die bisher beschlossenen 109 Milliarden Euro.

Sicher ist auch, dass das Land vor allem technische Hilfe braucht. Zudem drängen die Politiker öffentlich darauf, dass die sich Banken stärker daran beteiligen als mit dem bisher zugesagten freiwilligen 21-Prozent-Abschlag auf griechische Staatspapiere. Im Gespräch sind jetzt 50, 60 oder sogar 80 Prozent. Die Banken sind dagegen, ein Kompromiss noch nicht in Sicht.

Banken sollen betteln

Von der Beteiligung der privaten Gläubiger an den Kosten der griechischen Krise hängt die nächste Entscheidung ab: Brauchen die europäischen Banken neues Kapital und wenn ja, wie viel und woher soll dieses Geld kommen - und müssen die Banken notfalls zwangsweise kapitalisiert werden?

Hochrechnungen der Finanzindustrie zufolge kann ein Schuldenerlass von 60 Prozent in Griechenland, verbunden mit einem 20-Prozent-Abschlag für Irland und Portugal dazu führen, dass von rund 90 europäischen Banken zwei Drittel zusätzliches Kapital benötigen, darunter auch deutsche Großbanken.

Die Banken lehnen eine Zwangs-Rekapitalisierung ab. Zudem streiten die Euro-Länder, woher das Geld dafür kommen sollte. Deutschland will, dass die Banken zunächst selbst versuchen, Kapital bei Aktionären oder anderen Finanzinvestoren einzusammeln. Im nächsten Schritt könnte der Staat einspringen, erst im allerletzten Notfall der EFSF.

Euro-Rettungsfonds EFSF

Der Jubel über die Ratifizierung des EFSF in allen 17 Euro-Ländern ist groß, aber mindestens ebenso groß sind die ungelösten Probleme mit dem Kleingedruckten. Vor allem Frankreich und Deutschland streiten darum, unter welchen Konditionen der EFSF künftig Kredite vergibt, um Banken zu retten, Staatsanleihen klammer Länder kauft oder vorbeugend Kredite einräumt.

Offen ist auch, ob der gerade auf 440 Milliarden Euro Kreditvergabe-Volumen erweiterte EFSF über einen Hebel effektiver gemacht werden soll. Diskutiert wird, über den Fonds Kredite zu versichern, und damit mehr Geld zur Verfügung zu haben.

Wirtschaftsregierung soll stabilisieren

Damit der Fonds am besten gar nicht angetastet wird, wollen die Euro-Länder sparen und besser wirtschaften. Damit das wiederum gelingt, haben sie kürzlich die Regeln des Stabilitätspaktes verschärft. Das sei viel zu wenig, monieren vor allem kleinere Länder.

Sie pochen darauf, einen "Stabilitätskommissar" in der EU-Kommission einzurichten, der ähnlich unabhängig und kompetent wie der Wettbewerbskommissar die Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Euro-Länder überwachen und notfalls direkt eingreifen soll.

Ausbau der Euro-Gruppe

Um neue Strukturen geht es auch im letzten Punkt. Künftig soll es ein eigenes Euro-Sekretariat in Brüssel geben, die seit Monaten ununterbrochen tagende Arbeitsgruppe der Finanzminister soll einen ständigen Vorsitzenden bekommen, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy offiziell die Euro-Gipfel leiten.

Und, last but not least: Der langjährige Sprecher der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, ist offenbar willens und bereit, eine weitere Amtszeit ranzuhängen.

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