Vorenthaltung von Akten:Deutsche Bank provozierte Ermittler

Es war eine "Untersuchung mit Ansage". Nach SZ-Informationen verweigerte die Deutsche Bank in der Steueraffäre die Herausgabe von Dokumenten an die Staatsanwaltschaft. Die Strafverfolger drohten, sich die Unterlagen zu holen, doch die Bank blieb stur. Am Ende kam die Razzia.

Von Klaus Ott

Der Unmut war groß in der Deutschen Bank, als vor einer Woche hunderte Ermittler anrückten und das Geldinstitut filzten. Jetzt stellt sich heraus: Es war eine "Durchsuchung mit Ansage" gewesen, wie ein Insider erzählt. Die Bank kannte die Gefahr, in der sie sich befand, ließ es aber auf eine Razzia ankommen. Dass die Staatsanwälte ernst machen würden, konnte man sich wohl nicht vorstellen.

Vorstandschef Jürgen Fitschen war jedenfalls ausgesprochen sauer, als er sah, was in seiner Bank geschah. Die Polizei kam mit Mannschaftswagen, besetzte Foyer und Büros. Bilder von der Razzia gingen unverzüglich durch die Medien, auch im Ausland. Eine Katastrophe für die Bank. Fitschen griff zum Telefon und beklagte sich bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, das schade dem Image des Geldhauses und dem Standort Deutschland. Der Einsatz der Ermittler sei völlig überzogen.

Irgendwann war die Geduld der Ermittler erschöpft

Was Fitschen offenbar nicht wusste: Seine Bank war selbst daran schuld gewesen, dass es überhaupt so weit hatte kommen können. Bereits ein halbes Jahr vorher hatte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt den Firmenanwalt der Deutschen Bank gewarnt. Sogar schriftlich. Wenn das Geldhaus bei den Ermittlungen wegen Steuerbetrug beim Handel mit Verschmutzungsrechten nicht endlich kooperiere und angeforderte Dokumente herausrücke, dann müsse die Behörde "alle prozessualen Möglichkeiten" in Betracht ziehen, um Zugriff auf die Unterlagen zu erhalten. Am 6. Juni 2012 war das. Da bleibe dann nur noch eine Durchsuchung übrig, und das habe das Geldhaus also gewusst, heißt es in Ermittlerkreisen.

Doch die Bank weigerte sich weiterhin, so umfassend mit den Behörden zusammenzuarbeiten, wie man das seit mehr als zwei Jahren immer wieder versprochen hatte. Seit einer ersten Razzia Ende April 2010. Irgendwann war die Geduld der Ermittler erschöpft. Also rückten die Ermittler vergangene Woche zur zweiten Razzia an. Der Insider, der den Streit um die Akten kennt, vergleicht das mit einem Fußballspiel. Die Warnung der Staatsanwaltschaft, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, sei mehr als eine gelbe Karte gewesen. Die bekommen Kicker, die grob foul spielen. Bei der Deutschen Bank sei das schon "dunkelgelb" gewesen, so der Insider. Eine klare Botschaft also. Das nächste Mal folge die rote Karte: Platzverweis.

Bei der Justiz hat das noch schlimmere Folgen. Razzia und Gefängnis.

So kam es dann vor einer Woche auch. Vier Banker wurden eingesperrt. Nur einer, ein Geldwäschespezialist, ist inzwischen wieder frei - er hat ausgesagt. Ob die anderen drei noch vor Weihnachten aus der Untersuchungshaft kommen, ist ungewiss. Viel hängt davon ab, ob die Bank nun endlich kooperiert.

Blockadepolitik in der Bank

Oder weiter blockiert, wie vor einem halben Jahr. Damals verlangte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt die Herausgabe von Unterlagen der Deutschen Bank in London. In der dortigen Niederlassung des Geldhauses, bei den Händlern und Investmentbankern an der Themse, hatten die schmutzigen Geschäfte mit Schadstoffrechten offenbar begonnen. Fragwürdige Deals, bei denen erst der britische und dann der deutsche Fiskus nach Erkenntnissen der Ermittler um Hunderte Millionen Euro betrogen wurden.

Als das 2010 aufkam, leitete die Deutsche Bank interne Untersuchungen ein und befragte ihre Emissionshändler. Auch die in London. An den Ergebnissen waren die Staatsanwälte interessiert. Auch an den Papieren aus London. Der Firmenanwalt der Deutschen Bank in Frankfurt bemühte sich, die Unterlagen herbeizuschaffen. Es soll sogar schon eine Zusage gegeben haben, die Dokumente vorzulegen. Schließlich musste der Firmenanwalt den Ermittlern aber gestehen, ihm sei von der Bank untersagt worden, die Dokumente herauszurücken.

Ein Affront. Und was für einer. Die Generalstaatsanwaltschaft gewährte der Bank eine letzte Frist bis zum 11. Juni 2012. Doch nichts geschah. Und das war noch nicht alles. Seit Mai stritten die Ermittler und die Banker bereits wegen angeblich gelöschter Emails. Und als Spezialisten von IBM später den Auftrag bekamen, elektronische Dateien zu rekonstruieren, sollen von den zuvor zwischen Staatsanwaltschaft und Bank abgestimmten mehr als 100 Punkten einige unter den Tisch gefallen sein. Das Klima war verdorben und eine Reaktion des solchermaßen herausgeforderten Staates war nur noch eine Frage der Zeit.

Der Vorstand soll von alledem nichts gewusst haben

Die Deutsche Bank äußert sich wegen der noch laufenden Ermittlungen nicht. Es bleibt offen, ob die den Ermittlern vorenthaltenen Protokolle aus London jetzt übergeben werden. Die Blockadepolitik in der Bank hat angeblich nur damit zu tun, dass britisches Arbeitsrecht und Datenschutzbestimmungen beachtet werden müssten. Und angeblich nichts damit, dass die dortigen Emissionsgeschäfte auch in den Verantwortungsbereich von Anshu Jain gefallen waren. Jain leitet heute zusammen mit Fitschen die Deutsche Bank, die beiden sind gleichberechtigte Vorstandschefs. Von den Details dieser Geschäfte habe Jain, wie in Bankkreisen beteuert wird, nichts mitbekommen. Unter Ermittlern herrscht Unverständnis über die Haltung der Bank. Deren Vorstand soll von alledem nichts gewusst haben. Fitschen reagierte erst, als es zu spät war. Und dann falsch.

Ärger mit der Justiz hat die Deutsche Bank auch in Italien. Ein Gericht in Mailand verurteilte das Frankfurter Geldhaus und weitere Institute (UBS, JP Morgan, Depfa) wegen schweren Betrugs zu Strafen von jeweils einer Million Euro. Die Banken hatten Derivate an die Stadt Mailand verkauft, die so Zinsen einsparen sollte. Stattdessen zahlte Mailand drauf. Die Deutsche Bank will das Urteil anfechten. Man habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

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