Vorbereitung auf die Nach-Wolfowitz-Ära:Weltbank auf Chefsuche

Der umstrittene Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz muss wohl bald abtreten - ein Nachfolger fehlt.

Nikolaus Piper

Kann einer Chef bleiben, der in der Firma nur noch mit Anwalt auftritt? Kaum - und deshalb gilt es in Washington als sicher, dass Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz binnen weniger Tage zurücktreten wird.

An diesem Montag sagt er vor dem Ausschuss aus, der im Auftrag der 24 Weltbank-Direktoren die Gehaltsaffäre um Wolfowitz' Freundin Shaha Riza aufklären soll. Diese Direktoren vertreten die 185 Mitgliedsstaaten der Weltbank.

Zu der Sitzung wird Wolfowitz seinen Anwalt Robert Bennett mitbringen; der hatte einst schon Ex-Präsident Bill Clinton in einer Sexaffäre vertreten.

Außerdem kommt Shaha Riza selbst, deren Gehaltserhöhung in Washington den Aufstand gegen Wolfowitz ausgelöst hatte. Riza ist eine arabische Menschenrechtlerin, die heute für eine private Stiftung arbeitet, aber weiter von der Weltbank bezahlt wird.

Eine dritte Teilnehmerin

Noch interessanter ist eine dritte Teilnehmerin: Robin Cleveland. Wolfowitz hatte die frühere Mitarbeiterin des Weißen Hauses vor zwei Jahren zur Weltbank geholt und mit dem Kampf gegen die Korruption beauftragt.

Die Personalentscheidung war in der Weltbank von Anfang an heftig umstritten: Die konservative Cleveland polarisiere und verstehe zu wenig von Entwicklungspolitik, hieß es. Auch die wenigen Leute in der Weltbank, die Wolfowitz noch wohlgesonnen sind, distanzieren sich von Cleveland.

Jedenfalls zeigt ihre Vorladung, dass es um viel mehr geht als um das Gehalt von Riza: Zur Debatte steht der gesamte Kurs von Paul Wolfowitz - und der seines Mentors George W. Bush.

Nur laue Unterstützung durch Präsident Bush

Der amerikanische Präsident hatte Wolfowitz in den vergangenen Wochen mehrfach sein Vertrauen versichern lassen - aber immer durch Pressesprecher und stets mit ziemlich lauen Worten.

Es ist unwahrscheinlich, dass dies noch lange weitergeht: Hält Bush an Wolfowitz fest, gefährdet er den amerikanischen Einfluss bei der Weltbank. Vorige Woche hatte das Europaparlament den Rücktritt von Wolfowitz gefordert, ein rein symbolischer Akt, der aber zeigt, wie isoliert die USA bei dem Thema sind. Bereits jetzt ist die Weltbank durch die Affäre gelähmt, strategische Entscheidungen werden nicht mehr getroffen.

Ein Nachfolger dürfte so schnell nicht gefunden werden. Daher arbeiten die Direktoren insgeheim an einer Übergangslösung für eine präsidentenlose Zeit, denn mit dem Rücktritt von Wolfowitz würde ein kompliziertes internationales Machtspiel eröffnet.

Ungeschriebenes Gesetz

Bisher gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass die Weltbank von einem Amerikaner geleitet wird, der Internationale Währungsfonds von einem Europäer. Die Regel hat längst nichts mehr mit den Realitäten in der Welt zu tun und gefährdet die Legitimation beider Institutionen. Aber was soll an ihre Stelle treten?

Der naheliegende Gedanke, einfach den Besten ohne Ansehen der Nationalität zu nehmen, ist naiv: Alle internationalen Organisationen, von den UN bis zur Nato, kennen irgendeine Art von regionalem Proporz.

Immerhin tauchte jetzt in der Londoner Times das Gerücht auf, der ehemalige afghanische Finanzminister Aschraf Ghani sei als neuer Weltbank-Präsident erkoren. Dass er es tatsächlich wird, ist unwahrscheinlich, denn Ghani ist herzkrank und war deshalb von seinem alten Amt zurückgetreten. Aber die Tatsache, dass das Gerücht überhaupt aufkam, zeigt, dass sich jemand in Washington auf die Suche nach neuen Modellen gemacht hat und seine Ideen in der Presse streut.

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