EZB-Entscheid über Euro-Rettung:Wenn Notenbanken zu mächtig werden

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Den Leitzins hat die Europäische Zentralbank auf dem historischen Tiefststand belassen. Jetzt bleibt die Frage, welche neuen Strategien sie zur Bekämpfung der Schuldenkrise ergreifen wird. Die Erwartungen sind enorm. Die Politik hat versagt, nun soll die EZB den Euro retten. Kritiker fürchten eine zu starke Machtkonzentration bei den Währungshütern.

Benjamin Romberg

Die deutsche Angst ist wieder da. 84 Prozent der Menschen in Deutschland fürchten, dass ihnen der schlimmste Teil der Euro-Krise noch bevorsteht, wie eine aktuelle Umfrage von Infratest dimap zeigt. Zwar ist das Vertrauen in das Krisenmanagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble groß, doch die Politik hat offensichtlich ihre Mittel im Kampf gegen die Euro-Krise ausgeschöpft. Nun ruht der Fokus vor allem auf den Notenbanken.

Und die Europäische Zentralbank (EZB) scheint dem Ruf nach Hilfe zu folgen - jedenfalls lassen die Aussagen von EZB-Präsident Mario Draghi darauf schließen: Vor dem Treffen des EZB-Rats hatte der Italiener angekündigt, die EZB werde "alles tun, um den Euro zu erhalten." Nach Informationen der SZ plant Draghi eine Doppelstrategie, die vorsieht, dass EZB und der dauerhafte Rettungsschirm ESM gemeinsam den Kauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder koordinieren. Den Leitzins ließen die Notenbanker in ihrer Sitzung wie erwartet unverändert bei 0,75 Prozent - auf einem historischen Tiefststand.

Während die Finanzmärkte große Erwartungen an das Treffen der Notenbanker hatten, mehrten sich auch kritische Stimmen, die fürchten, dass die Institution ihre Kompetenzen überschreitet - und zu viel Macht bekommt.

Die EZB befindet sich in einem Dilemma: Die Finanzierung von Staaten durch den Aufkauf von Staatsanleihen ist ihr durch die Europäischen Verträge verboten. Dennoch hält sie Papiere kriselnder Euro-Länder im Wert von 211 Milliarden Euro in ihrem Depot. Nachdem die Währungshüter die Anleihenkäufe zwischenzeitlich eingestellt hatten, sollen sie nun offenbar wieder aufgenommen werden. Die vorrangige Aufgabe von EZB und nationalen Zentralbanken ist aber eine andere: Sie sollen die Preisstabilität gewährleisten. So ist es in der Satzung festgeschrieben.

Deutschland lehnt Anleihenkauf ab

Laut der Infratest-Umfrage finden 39 Prozent der deutschen Bevölkerung, dass die EZB sich ausschließlich um stabile Preise kümmern sollte. Nur zwölf Prozent sprechen sich für den Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB aus.

Nun wird mit Spannung die Entscheidung der EZB über das weitere Vorgehen in der Krise erwartet. Bereits am Mittwoch hatte die US-Notenbank Fed über ihren weiteren geldpolitischen Kurs entschieden. Zwar sind zunächst keine neuen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur geplant. Doch würden weitere Maßnahmen getroffen, sofern dies notwendig sein sollte, hieß es.

Innerhalb der EZB ist die Deutsche Bundesbank der größte Gegner einer neuerlichen Intervention an den Finanzmärkten. Zwischen Bundesbank-Chef Jens Weidmann und EZB-Präsident Draghi ist ein Streit darüber entbrannt, welche Strategie die richtige zur Rettung des Euro ist. Weidmann lehnt den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB strikt ab, weil dieser gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoße. Er sorgt sich außerdem um die politische Unabhängigkeit der Notenbanken. Ähnlich argumentiert auch Helmut Sieckmann, Professor für Notenbankrecht an der Uni Frankfurt. "Wenn das Ziel nicht mehr klar vorgegeben ist, dann ist politische Unabhängigkeit einer Notenbank schwer zu rechtfertigen", sagte er dem Handelsblatt.

Kritiker sehen noch ein weiteres Problem: Mit der Erweiterung der Aufgaben der EZB geht ein Machtzuwachs einher. In Griechenland, Portugal und Irland, also denjenigen Ländern, die Geld aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF erhalten, wacht die sogenannte Troika, bestehend aus EZB, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds, über die Wirtschafts- und Finanzpolitik der jeweiligen Regierung. Demnächst könnte die EZB außerdem als Bankenaufseher agieren: Ein entsprechender Plan für eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht liegt bereits in der Schublade. Mit dem Kauf von Staatsanleihen hat die EZB außerdem noch ein zusätzliches Druckmittel gegenüber Regierungen.

Kritik an verschwiegenen Bankern

"Die EZB entwickelt sich zu einem Staat im Staat, frei von jeder rechtlichen und politischen Verantwortung", kritisiert FDP-Finanzexperte Frank Schäffler im Handelsblatt. Sie orientiere sich nicht mehr an der Preisstabilität, sondern an politischen und nationalen Interessen der einzelnen Akteure in der EZB.

Die Schuld für die Machtzunahme von Banken und Finanzmärkten allgemein sieht die deutsche Bevölkerung laut der Infratest-Umfrage vor allem bei einer Partei: der CDU. Das Vertrauen in die Parteien, diese Macht wieder zu beschneiden, fehlt. 40 Prozent der Befragten gaben an, keiner Partei eine Neuordnung des Finanzsektors zuzutrauen.

Im Fokus der Kritik an der EZB steht auch deren Verschwiegenheit. "So wenig Rechenschaft wie die EZB muss kaum eine andere Notenbank über ihr Tun ablegen", sagte Richard Werner, Professor für Bankwesen an der Uni Southhampton, im Handelsblatt. Von den Sitzungen des EZB-Rats dringt wenig nach außen: Es werden keine Protokolle veröffentlicht - und auch die Abstimmungsergebnisse bleiben geheim. Wie das Ergebnis der EZB-Sitzung am Donnerstag zustande kommt, darüber wird man wohl kaum etwas erfahren.

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