Vor der Abstimmung im Bundestag:Geld für Griechen entzweit Regierung

Nicht nur Friedrich, sondern auch Schäuble und Rösler bezweifeln, dass Griechenland noch zu retten ist: In der Koalition haben nach SZ-Informationen mehrere Minister den Glauben an die Krisenstrategie ihrer Kanzlerin verloren. Die Opposition ergötzt sich an diesem "Stück aus dem Tollhaus".

Claus Hulverscheidt, Berlin

Kurz vor der Abstimmung im Bundestag über das neue Hilfspaket für Athen ist innerhalb der Bundesregierung eine Kontroverse über den weiteren Umgang mit der Schuldenkrise entbrannt. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) legte den Griechen einen Austritt aus der Währungsunion nahe und stellte sich damit gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer.

Friedrich ist das erste Kabinettsmitglied, das seine abweichende Meinung öffentlich macht. Allein ist er mit seinen Zweifeln aber keineswegs: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben intern auch andere Ressortchefs zu erkennen gegeben, dass sie kaum noch an einen Erfolg der bisherigen Krisenbewältigungsstrategie glauben.

Darunter sind Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Merkel hingegen lehnt eine förmliche Insolvenz oder gar einen Euro-Austritt der Griechen ab, weil sie die Folgen eines solchen Schritts für unkalkulierbar hält. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder wies die Forderungen am Sonntagabend im ZDF zurück. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Wochenende, die Rückkehr Athens zur Drachme wäre der Anfang vom Ende der Währungsunion.

Die SPD sprach von einem "Stück aus dem Tollhaus"

Friedrich erklärte nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, die Chancen Griechenlands, sich zu regenerieren und wettbewerbsfähig zu werden, seien außerhalb der Währungsgemeinschaft "mit Sicherheit größer, als wenn es im Euro-Raum verbleibt". Er spreche nicht davon, die Griechen hinauszuwerfen. Es gehe vielmehr darum, "Anreize für einen Austritt zu schaffen, die sie nicht ausschlagen können", betonte er.

Die Grünen kritisierten Friedrichs Äußerungen und verlangten ein Machtwort der Kanzlerin. Die SPD sprach von einem "Stück aus dem Tollhaus". Erstaunlich ist der Zeitpunkt von Friedrichs Aussage, da sich das CSU-Präsidium am Samstag beinahe zeitgleich dafür aussprach, dem zweiten Hilfspaket für Griechenland im Bundestag zuzustimmen. Es sei wichtig, dass die Koalition nicht auf Stimmen der Opposition angewiesen sei, sondern eine eigene Mehrheit zustande bringe, sagte Seehofer.

Das Parlament will am Montagabend über das Programm abstimmen

Etwa ein Dutzend Koalitionsabgeordnete wollen an diesem Montag mit Nein votieren oder erwägen dies zumindest, darunter der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach und der CSU-Politiker Peter Gauweiler. Der Präsident des Industrieverbands BDI, Hans-Peter Keitel, sagte dem Tagesspiegel, er habe "großes Verständnis für jeden Abweichler". Athen müsse klargemacht werden, dass das Rettungspaket "die letzte Chance" sei.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann forderte, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen, sollte es eingegangenen Verpflichtungen erneut nicht nachkommen.62 Prozent der Deutschen gegen die neuen Hilfen für Griechenland. Das Parlament will am frühen Montagabend über das Programm abstimmen, in dem Griechenland als Gegenleistung für einen strikten Spar- und Reformkurs weitere Kredite der Euro-Partner im Gesamtvolumen von 130 Milliarden Euro zugesagt werden. Zuvor gibt Kanzlerin Merkel eine Regierungserklärung ab.

Ein drittes Programm könnte nötig werden

Das Finanzministerium bestätigte am Wochenende zudem, dass deutsche Finanzbeamte Griechenland beim Aufbau einer funktionierenden Verwaltung und bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung helfen sollen. Es stünden bereits mehr als 160 Freiwillige bereit. Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag sind 62 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass der Bundestag das neue Paket zur Unterstützung Griechenlands ablehnen sollte. Nur 33 Prozent sprachen sich für eine Annahme aus.

Finanzminister Schäuble dagegen hat bereits angedeutet, dass möglicherweise ein drittes Programm notwendig werden könnte. Grund sind nicht allein Befürchtungen, dass neue Löcher im griechischen Staatshaushalt auftauchen, sondern auch die Tatsache, dass das derzeitige Programm nur bis 2015 läuft. Anschließend soll sich die Athener Regierung das notwendige Geld wieder bei Banken, Versicherungen und Fonds leihen. Die meisten Experten glauben aber nicht, dass das gelingen wird. Die Bundesregierung rückte am Wochenende von ihrem kategorischen Nein zu einer Erhöhung des geplanten dauerhaften Euro-Schutzschirms ESM ab. Schäuble erklärte am Rande des G-20-Finanzministertreffens in Mexiko-Stadt, man werde im März entscheiden, ob die Kreditsumme von 500 Milliarden Euro aufgestockt werde. Seehofer sagte, sollte es zu einem entsprechenden Antrag kommen, werde man "sehr transparent" darüber beraten, womöglich auf einem Sonderparteitag. Einen Freibrief der CSU gebe es nicht.

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