Vor den Wahlen:Entzaubert

Auch in Spanien stehen in fünf Wochen Wahlen an. Warum das Land sein Sanierungsprogramm nicht infrage stellt.

Von Thomas Urban, Madrid

Mit großer Spannung blicken die Spanier auf die innenpolitischen Verwerfungen in Portugal. Denn in Spanien wird in fünf Wochen ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Schien den Umfragen zufolge vor einem halben Jahr noch gewiss zu sein, dass die regierende konservative Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy keine Aussichten auf einen Wahlsieg hat, so hat sich seitdem die Ausgangslage deutlich verändert. Die PP hat den Trend umgekehrt und liegt in den Umfragen wieder bei knapp 30 Prozent. Nach oben geht es auch bei den Ciudadanos (Die Bürgerlichen), die am ehesten der deutschen FDP ähneln; ihre Werte sind auf 15 Prozent geklettert. Während die Sozialisten (PSOE) bei mageren 22 Prozent verharren, ist dagegen die linksalternative Gruppierung Podemos auf unter 11 Prozent Zustimmung abgesackt - Anfang 2015 lag sie noch bei 27 Prozent.

Sollten sich diese Trends bestätigen, so dürfte das portugiesische Szenario ausgeschlossen sein: Es wird in Spanien keine Mehrheit für den Abbruch des Sanierungsprogramms geben, das zwar starke soziale Einschnitte bedeutete, aber gleichzeitig die Voraussetzungen für einen nun einsetzenden Boom schuf. Spanien rechnet für Ende 2015 mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent, die Bonitätsnote wurde auf "BBB+ mit stabilem Ausblick" angehoben.

Ein Grund für den Absturz von Podemos: Es fehlt ein klares Wirtschaftsprogamm

Nach der jetzigen Konstellation wären nur eine Koalition aus PP und Ciudadanos oder ein Dreierblock ohne die PP möglich. In jedem Falle aber wären die proeuropäischen und marktliberalen Ciudadanos der Königsmacher, und ihr 36 Jahre alter Parteichef Albert Rivera lässt keine Zweifel daran, dass er die bisherigen Reformen nicht zurückdrehen möchte, wie es nun ein loses Linksbündnis in Lissabon anstrebt. Im Gegenteil: Rivera möchte grundlegende Strukturreformen wie Privatisierungen, auch im Gesundheitswesen, und die Liberalisierung des Arbeitsmarktes fortsetzen. Nach seinen Worten sind die Wirtschaftszahlen des Kabinetts Rajoy - darunter erstmals ein Überschuss in der Handelsbilanz sowie ein Sinken der Arbeitslosenquote von 27 auf immer noch hohe 21 Prozent - auch Folge der geringen Kosten für Rohstoffe. Das Land muss sich nach den Worten Riveras weiter reformieren.

Der PP Rajoys kommt auch zugute, dass die großen Korruptionsaffären, in die ein Teil ihres Führungspersonals verwickelt ist, aus den Schlagzeilen verschwunden sind. Allerdings dürften sie das politische Ende von Rajoy bedeuten: Denn der einzige potenzielle Koalitionspartner der PP, die Ciudadanos unter Rivera, haben sich im Wahlkampf darauf festgelegt, auf keinen Fall den unpopulären Rajoy in seinem Amt zu bestätigen. Diesem wird unterstellt, in die Schwarzgeldaffäre seiner Partei verwickelt gewesen zu sein oder zumindest davon gewusst zu haben.

Doch auch der noch kürzlich als Parteienschreck beschriebene Podemos-Chef Pablo Iglesias, der Politologe mit dem Pferdeschwanz, ist chancenlos. Den Absturz von Podemos in den Umfragen führen Politologen vor allem auf ein unklares Wirtschaftsprogramm zurück. In der Podemos-Führung bestimmt eine Gruppe erklärter Neomarxisten um Iglesias den Kurs, sie lobten in der Vergangenheit Venezuela als Vorbild und haben bislang keine Antwort auf die dortige große Krise gefunden. Auch macht der Kursschwenk der griechischen Syriza, die als Podemos-Verbündeter gilt, den spanischen Linksalternativen sehr zu schaffen. Schließlich haben Analysen ergeben, dass der zwischenzeitliche Aufschwung von Podemos in der Wählergunst weniger auf Wirtschaftsprogramme zurückzuführen war, als vielmehr als Protest gegen die Korruption im bisherigen Zwei-Parteien-System aus der konservativen PP und den Sozialisten zu sehen ist. Hingegen wurde die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen und Strukturreformen nie von der Mehrheit der Spanier in Frage gestellt. Denn dieser Mehrheit ist bewusst, dass vor allem Verschuldung und Korruption das Land in die Krise gestützt haben.

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