Griechenlands Finanzkrise:Athener Seifenblasen

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Mittendrin, und doch allein: Finanzminister Yanis Varoufakis bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds in Washington.

(Foto: AFP)
  • Bei der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank hieß es, Athens Finanzminister Varoufakis sei von US-Präsident Obama empfangen worden und Griechenland werde zur Vermeidung eines Staatsbankrotts Hilfen in Gesamthöhe von bis zu 15 Milliarden Euro von Russland und China erhalten.
  • Beide Meldungen entpuppten sich als Seifenblase. Den Griechen ist der Befreiungsschlag einmal mehr nicht gelungen.
  • Mit seinen Spielchen bringt Varoufakis seine Kollegen gegen sich auf.

Von Claus Hulverscheidt, Washington

Es gab einen kurzen Moment am Wochenende in Washington, da sah es so aus, als könne das nicht enden wollende griechische Schuldendrama ausgerechnet im fernen Amerika eine entscheidende Wendung nehmen. Gerade hatte sich bei der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank herumgesprochen, dass Athens Finanzminister Yanis Varoufakis von US-Präsident Barack Obama empfangen worden sei, da platzte die Meldung eines Online-Dienstes herein, Griechenland werde zur Vermeidung eines Staatsbankrotts Hilfen in Gesamthöhe von bis zu 15 Milliarden Euro von Russland und China erhalten. Hatten Varoufakis und sein Premier Alexis Tsipras die geizigen Quälgeister und Reformprediger aus den Euro-Ländern ausmanövriert und stattdessen die wahrhaft Großen der Welt auf ihre Seite gezogen?

Das Erstaunen währte nicht lange, denn beide Nachrichten entpuppten sich rasch als ziemliche Seifenblasen. Der russische Finanzminister Anton Siluanow versicherte, er wisse nichts von einem Deal mit Athen, und sein US-Kollege Jacob Lew erklärte im kleinen Kreis, Obama habe den Griechen mitnichten "empfangen". Es habe bei den Feierlichkeiten zum griechischen Unabhängigkeitstag in Amerika vielmehr einen Plausch der beiden Politiker gegeben, weil Varoufakis der ranghöchste Vertreter seines Landes im Raum gewesen sei. Bei einer Pressekonferenz mit dem italienischen Premier Matteo Renzi wenig später ging der US-Präsident jedenfalls gleich wieder auf Distanz und forderte Athen deutlich auf, endlich die notwendigen "harten Entscheidungen" zu treffen.

Statt auf Varoufakis setzen viele Euro-Länder jetzt nur noch auf Premierminister Tsipras

Washington, Moskau, Peking - es sind Kabinettstückchen dieser Art, mit denen vor allem Varoufakis seine Kollegen mittlerweile zur Weißglut treibt. Mit seinem nonchalanten Auftreten, seinen ständigen Interviews und dem lässig-belehrenden Ton hat der Ökonom mittlerweile beinahe jeden Kredit verspielt. Selbst Minister, die der neuen griechischen Führung zunächst aufgeschlossen gegenübergestanden hatten, blicken mittlerweile genervt drein, und der deutsche Ressortchef Wolfgang Schäuble hatte in Washington mehrfach Mühe, seine Zunge im Zaum zu halten, wenn die Rede auf den "lieben Freund und Kollegen Yanis" kam.

Statt auf Varoufakis setzen viele Euro-Länder nun allein auf Tsipras und dessen Stellvertreter Giannis Dragasakis. Gerade bei Tsipras wollen einige Beobachter eine schrittweise Veränderung vom Populisten zum verantwortungsbewussten Regierungschef festgestellt haben. Ob die Entwicklung aber schnell genug vonstattengeht, um einen Staatsbankrott zu verhindern, ist immer fraglicher: Selbst ranghohe Euro-Zonen-Vertreter, die wahrlich nicht zu Schwarzmalerei und Hysterie neigen, beziffern die Gefahr einer absichtlich oder versehentlich herbeigeführten Pleite inzwischen auf 50 Prozent.

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Kann Athen die nächste Kreditrate an den IWF nicht zurückzahlen, kann auch der Euro-Hilfsfonds EFSF die gesamten 130 Milliarden Euro, die er bisher verliehen hat, sofort fällig stellen. Das wäre das Euro-Aus für die Griechen. Zwar könnte Tsipras noch einmal ein paar Tage, vielleicht zwei Wochen, Zeit für eine letzte Verhandlungsrunde mit den Geldgebern gewinnen, wenn er umgehend alle Banken schlösse und Geldüberweisungen ins Ausland unterbände. Sobald die Institute aber unter dem Druck der Bürger wieder geöffnet werden müssten, bräche das gesamte griechische Finanzsystem zusammen - und damit auch die Auszahlung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen.

Uneins ist man sich in den Reihen der Geberländer darüber, welche Folgen ein solcher Zusammenbruch für den Rest Europas hätte. Schäuble etwa hält einen Euro-Austritt der Griechen mittlerweile für verkraftbar und verweist darauf, dass die Kreditwürdigkeit anderer ehemaliger Krisenstaaten wie Spanien und Portugal durch die Griechenland-Krise zuletzt nicht in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Ein anderer führender Vertreter der Euro-Zone ist weniger optimistisch und erklärt sich die weitgehende Ruhe auf den Finanzmärkten etwas anders: "Die Märkte haben in der Euro-Krise die Erfahrung gemacht, dass sich die Politiker in letzter Sekunde doch immer noch einigen. Sollte das diesmal nicht so sein, wird es eine Reaktion geben."

Eine Reaktion von Varoufakis dagegen bleibt in Washington zunächst aus - auch nachdem bekannt geworden ist, dass den Griechen der Befreiungsschlag einmal mehr nicht gelungen ist. Am Samstagvormittag schlendert der Minister durch die große Eingangshalle des IWF-Hauptgebäudes an der Washingtoner Pennsylvania Avenue, umringt von einer ganzen Traube zumeist weiblicher Bewunderer. Gleich mehrere der Damen halten ihr Handy in die Höhe, um sich selbst mit Varoufakis zu fotografieren. Der Minister nimmt die Frauen in den Arm - und lächelt cool.

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