Von Insolvenz bedrohte Windkraftfirma:Prokon im Dilemma

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Prokon, Bild vom Firmensitz in Itzehoe: Der Windkraftfirma droht die Insolvenz noch in diesem Monat, falls weiteres Kapital aus dem Unternehmen abgezogen wird (Foto: dpa)

75.000 Anlegern droht im Fall einer Pleite der Windkraftfirma Prokon der Verlust ihrer Investition. Die wichtigsten Fragen und Antworten für Anleger.

Von Oliver Hollenstein

Eine Grundverzinsung von sechs Prozent im Jahr, zusätzlich Gewinnausschüttungen, alles fast ohne Risiko - so schön klangen die Versprechungen der Windkraftfirma Prokon. Mehr als 75 000 Anleger investierten daraufhin 1,4 Milliarden Euro. Nun droht dem Unternehmen aus Itzehoe womöglich die Pleite und den Investoren herbe Verluste. Süddeutsche.de beantwortet die wichtigsten Fragen für Anleger:

Warum haben so viele Menschen in Prokon investiert?

Viele Anleger dürfte die Kombination aus nachhaltiger Anlage und hoher Rendite gelockt haben. Prokon verkauft sich in seinen Broschüren als kernsolides Unternehmen und Alternative zum konventionellen Bankensystem. Jeder wisse, heißt es beispielsweise in einer Broschüre, dass "die Banken zugunsten eigner Gewinne und völlig realitätsfremder Managergehälter immer höhere Risiken mit dem Geld der Sparer eingehen." Prokon dagegen investiere verantwortungsvoll in ethisch und ökologisch nachhaltige Projekte und verzichte dabei auf risikoreiche Bankenfinanzierung. Das Kapital sei durch die Investition in Sachwerte, also überwiegend Windkraftanlagen, abgesichert. Das Risiko stellt Prokon als sehr gering da. "Selbst Geldanlagen, die allgemein als Rentenanlagen empfohlen werden (z.B. Staatsanleihen), sind nicht risikolos." Und vier Zeilen weiter: "Aber bei Prokon legen sie ihr Geld in einem Umfeld an, in dem die üblichen Risiken durch hohe Sicherheiten auf ein Minimum reduziert werden." Hinzu kommen nahezu traumhafte Anlagebedingungen: Grundverzinsung von sechs Prozent im Jahr und zusätzlich Beteiligung an Jahresüberschüssen. Lange warb das Unternehmen massiv im Fernsehen und in Bussen und Bahnen, die Botschaft: Das Geld sei bei Prokon "in Zeiten von Inflationsgefahr und Spekulationsblasen deutlich sicherer angelegt als auf Bankkonten und Sparbüchern." Schon im September 2012 hatte das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein geurteilt, die Verkaufsprojekte enthielten irreführende Aussagen.

Wie funktionieren die Anlagen?

Prokon hat an seine Investoren sogenannte Genussscheine verkauft. Diese Wertpapiere sind eine Zwischenform von Aktien und Anleihen: Der Anleger stellt dem Unternehmen Kapital zur Verfügung und erhält im Gegenzug Zinszahlungen und/oder Gewinnausschüttungen. Im Unterschied zu Aktien räumen Genussscheine aber keine Mitbestimmungsrechte ein. Und im Gegensatz zu Anleihen werden im Fall einer Insolvenz die Forderungen ihrer Besitzer erst bedient, wenn alle anderen Forderungen ausgeglichen sind. Das bedeutet: Den Anlegern droht im schlimmsten Fall der Verlust ihrer gesamten Investition. In den USA oder Großbritannien dürfen sie an private Anleger nicht verkauft werden.

Was ist jetzt das Problem?

In den vergangenen Monaten ist die Skepsis gewachsen, ob Prokon mit dem Bau und Betrieb von Windparks genug verdienen kann, um die hohen Zinsversprechen an die Investoren zu halten. Kritische Medienberichte und zuletzt eine Warnung von Stiftung Warentest brachten viele Investoren dazu, ihr Kapital abzuziehen. Das löst jetzt womöglich eine Kettenreaktion aus: Weil die Finanzlage vorher schon eng war, hat das Unternehmen nun Probleme, die zurückgeforderten Gelder zu erstatten: Je mehr Anleger ihr Geld abziehen, desto schlimmer wird die Lage. Unklar ist dagegen, inwieweit das Geschäftsmodell von Prokon schon vorher nicht funktioniert hat.

Wie funktioniert das Geschäftsmodell von Prokon?

Prokon betreibt nach eigenen Angaben derzeit 314 Windenergieanlagen, 54 weitere Anlagen sind im Bau, 2500 weitere geplant, heißt es. Außerdem gehört zum Konzern ein Hersteller für Biodiesel und ein Produzent für Europaletten. Welche Teile des Unternehmens wie viel Geld verdienen und ob sie die immensen Zinszahlungen an die Investoren bedienen, ist fraglich. Prokon veröffentlicht nur sehr selektiv Unternehmensdaten. Seit vergangenem Frühjahr beantwortet der Konzern zudem keine Presseanfragen mehr. Im September räumte Prokon aber ein, Schwierigkeiten mit dem Konzernabschluss 2012 zu haben. Auch weitere veröffentlichte Zahlen deuten auf Probleme: In einem Schreiben an die Investoren heißt es an einer Stelle, das Unternehmen habe im ersten Halbjahr 22,4 Millionen Gewinn (Ebitda) gemacht, an einer anderen, die Anleger könnten sich über Zinsen in Höhe von 45,1 Millionen Euro freuen. Zum 31. Oktober standen zudem den Forderungen aus dem Genussrechtskapital von 1,35 Milliarden Euro ein Anlagevermögen von 1,25 Milliarden Euro gegenüber. Die Firma beschwichtigt: Rechne man statt der Buchwerte die tatsächlichen Marktwerte der Windparks, sei das Kapital gedeckt. Faktisch kann man diese Zahlen trotzdem so interpretieren: Prokon ist schon auf neues Kapital angewiesen, um die laufenden Zinsen auszuzahlen - erst recht, um Investoren Geld zurückzugeben. Und bereits im Sommer hatte sich der Zustrom neuer Investoren deutlich verlangsamt.

Sind solche Geschäftsmodelle verdächtig?

Wenn die Renditezahlungen an Investoren nicht aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit geleistet werden, sondern aus dem Zustrom von neuem Geld neuer Investoren, spricht man von einem Schneeballsystem. Verbraucherschützer werfen Prokon seit langem vor, eben ein solches System zu betreiben. Eine abschließende Bewertung ist angesichts der wenigen bekannten Zahlen aber schwierig. Klar ist nur: Die Schwierigkeiten, die das Unternehmen nun hat, sind typisch für ein Schneeballsystem.

Hat die Firmenpleite etwas mit der Energiewende zu tun?

Kaum. Zwar könnte es sein, dass Investitionen in Windenergie künftig weniger gefördert werden, aber das hat keine Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen der Vergangenheit. Die Ökostromumlage garantiert den Windparkbetreibern für 20 Jahre einen Mindestpreis für den von ihnen produzierten Strom.

Was sollen Investoren jetzt tun?

Ob Investoren ihr Geld möglichst schnell abziehen oder doch der Bitte von Prokon folgen sollten, das Geld im Unternehmen zu belassen, ist schwer zu beantworten. "Die Verbraucher stecken in einem Dilemma", sagt Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale. Klar ist: "Wenn das Unternehmen in die Insolvenz geht, sieht es vermutlich sehr schlecht aus für viele Investoren."

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