Volkswagen:VWs muntere Farbenspiele

Volkswagen

Abgas-Schummelei bei Volkswagen: Aufnahme von VW-Logos (Archivbild)

(Foto: dpa)
  • Nach dem Abgas-Skandal bei Millionen VW-Autos untersucht der Konzern nun das Ausmaß der Manipulationen.
  • Der Posten des VW-Personalvorstands wird bald vakant - Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh will dafür nicht zur Verfügung stehen.

Analyse von Thomas Fromm, Max Hägler und Klaus Ott

Bei Volkswagen gibt es derzeit ein munteres Farbenspiel, das Vorstandschef Matthias Müller und der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch sogar der Bundesregierung präsentiert haben. Grün steht für regelkonforme Maßnahmen bei Abgasmessungen auf dem Prüfstand. Grau meint Besonderheiten und Tricksereien, bei denen man angeblich nicht so genau weiß, ob sie erlaubt sind oder verboten. Überklebte Schlitze und Türgriffe zum Beispiel, um den Luftwiderstand zu verringern. Was eine geringere Motorleistung und weniger Schadstoffausstoß zur Folge hat als auf der Straße, im echten Leben also.

Und dann noch rot: eindeutig unzulässige Maßnahmen.

Als Müller und Pötsch vergangene Woche in Berlin die Manipulationen bei den CO₂-Werten beichteten, soll die Farbenlehre wie folgt ausgesehen haben: ein wenig grün, viel grau und zwei mal rot. Bei den beiden mit rot markierten Fällen sei aber noch nicht klar gewesen, ob VW das wirklich praktiziert habe. Das müsse erst noch zu Ende untersucht werden. Bei den grauen Punkten, so heißt es sinngemäß, müsse sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erklären. "Wir wollen Klartext haben", sagen die VW-Leute.

In den USA sollen Einkaufsgutscheine die VW-Kunden beruhigen

Seit diesem Montag nun sitzen wieder Experten von KBA und Volkswagen zusammen, um die Lage zu klären. Ein Zwischenergebnis: Bei 540 000 der 2,4 Millionen-Dieselfahrzeuge, die alleine in Deutschland umgerüstet werden müssen, ist mehr nötig als der Austausch der manipulierten Software. Es dürfte dabei wohl um die Motoren mit 1,6 Liter Hubraum gehen. VW hatte bereits erklärt, dass hier eine Korrektur der Software nicht genüge, im Gegensatz zu Autos mit 2,0 Litern Hubraum, wo ein Software-Update ausreichend sei. Billig wird die Hardware-Bastelei wohl kaum, auch wenn sie sich um eine Lösung mühen, bei der nicht der gesamte Motor ausgetauscht werden muss. In den USA setzt VW auf Einkaufsgutscheine im Wert von bis zu 1250 Dollar (rund 1160 Euro), um die Kunden fürs erste zu beruhigen. In Deutschland ist das derzeit nicht geplant.

Der Aufsichtsrat, der am Montag am Konzernsitz in Wolfsburg tagte, ist Hiobsbotschaften gewohnt. Erst die Manipulationen bei den Stickoxid-Tests von Diesel-Fahrzeugen, dann die CO₂-Trickserei, von der auch Benziner betroffen sind. Nun noch die Nachricht der Ratingagentur Fitch: VW ist auf BBB+ herabgestuft. Das bedeutet, dass das einstige Vorzeigeunternehmen nur noch eine "durchschnittlich gute" Anlage ist; zudem ist der Ausblick nach Meinung der Analysten negativ.

Und mittlerweile drängt auch die EU-Kommission auf Klarheit: Klima- und Energiekommissar Miguel Arias Cañete hat einen Brief an VW-Konzernchef Matthias Müller geschickt. Er will wissen, "welche Modelle und wie viele Autos bei VW von den Unregelmäßigkeiten betroffen waren, und um wieviel die CO2-Werte für jedes betroffene Modell unterschätzt wurden". Zeit für die Antwort: zehn Tage.

Immerhin seien bei der Sitzung des Aufsichtsrates aber angeblich keine weiteren Großbaustellen zu besprechen gewesen, hieß es aus Vorstandskreisen. Es seien zwar Erkenntnisse der internen Ermittler zur Abgaskrise besprochen worden. Doch seien diese Ergebnisse, die wohl die Genese des Skandals erhellen könnten, noch zu unklar, um es zu kommunizieren. Grau auch hier, sozusagen.

Wobei längst klar ist, dass es nicht mehr alleine um Volkswagen geht. In der Grauzone getrickst haben wohl die meisten Hersteller. Zum Thema wird das jetzt nur, weil VW, wie es dort intern heißt, "jeden Stein umdreht" und lieber einen möglichen Verstoß zu viel beichtet als einen zu wenig. Die anderen Autokonzerne, die vieles genauso betrifft, machen bei dem Farbenspiel nicht mit, sondern schweigen lieber. Was natürlich keine Lösung ist.

Grün, grau, rot; wo Volkswagen am Ende landet, hängt am Ende auch davon ab, wie sich der Konzern neu aufstellt, unter anderem im Vorstand. Der Posten des Personalchefs muss neu besetzt werden. Der derzeitige Amtsinhaber Horst Neumann scheidet Ende November aus, sein Nachfolger ist noch nicht gefunden. Beim IG-Metall-Kongress kürzlich in Frankfurt war Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh relativ offen als VW-Personalvorstand gehandelt worden. Nunmehr erklärte Osterloh, dass er für diesen Job nicht zur Verfügung stehe: "Ein Wechsel auf den Posten des Personalvorstands kommt für mich nicht in Frage." Er wolle seine Kollegen, die ihn gewählt hätten, in dieser "Situation der Unsicherheit" nicht allein lassen.

Dieser Rückzug aus dem Kandidatenkreise sei konsequent und richtig, vor allem für Konzernchef Müller und für die Arbeitnehmer, heißt es aus der Gewerkschaft. Osterloh kenne das Geschäft am Besten, er sei als Vertreter der Belegschaft in der Krise unverzichtbar. Und er kenne und schätze Müller, auch wenn sein Rundschreiben an die Belegschaft vom vergangenen Freitag massive Kritik am Vorstandsvorsitzenden enthielt. Müller sei mit Zustimmung des Arbeitnehmerlagers zum Konzernchef berufen worden, er sei nach wie vor der richtige Mann, um die Abgasaffäre zu bewältigen und Volkswagen aus der Krise zu führen. Die Kritik gelte letztlich vor allem VW-Markenvorstand Herbert Diess, der ohne Absprache mit den Arbeitnehmervertretern einen Sparkurs eingeschlagen habe. "Müller wollen wir nicht beschädigen", heißt es aus dem Arbeitnehmerlager. Und es scheint, dass Osterloh mit seinem Brandbrief Erfolg hatte: Müller und Osterloh hätten für die nächsten zehn Tage Gespräche zwischen Vorstand und Betriebsrat vereinbart, teilte Volkswagen am Montag mit - "um einen gemeinsamen Weg für die Zukunft des Unternehmens zu bestimmen". Immerhin: man redet. Aber dass man sich erst einmal darauf einigen muss, zeigt: Die Verhandlungen über den anstehenden Sparkurs dürften schwierig sein.

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