Volkswagen:Krach um fünf Stunden

Herbert Diess

VW-Manager Herbert Diess denkt offenbar über die 40-Stunden-Woche für Ingenieure nach.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Um die Kernmarke des Konzerns wieder fit zu machen, sollen einige Angestellte länger arbeiten. Auf der Betriebsversammlung kam es deshalb zum Eklat.

Von Angelika Slavik, Wolfsburg/Hamburg

Manchmal führt das Leben Menschen zusammen, zwischen denen es einfach nicht läuft. Herbert Diess, 58, und Bernd Osterloh, 60, sind so eine Konstellation. Seit Diess vor einem Jahr Chef der Kernmarke VW wurde, konnte man das immer wieder sehen: Diess, zuvor Vorstand bei BMW, ignoriert den Betriebsrat und verkündet öffentlich seine Pläne. Konzernbetriebsrats-Chef Osterloh, nicht ohne Grund oft als heimlicher VW-Boss bezeichnet, sieht sich genötigt, Diess die spezifischen Wolfsburger Machtverhältnisse zu verdeutlichen und maßregelt ihn, natürlich öffentlich.

So geht das dahin. Zwischendurch raufen sie sich zusammen, nötigen sich das eine oder andere Wort wechselseitiger Wertschätzung ab. Aber weil Diess und Osterloh nunmal zwangsläufig miteinander zu tun haben, geht das Spiel immer wieder von vorne los. Und dann kommt es zu Situationen wie am Donnerstag in Wolfsburg.

Am Morgen waren die Mitarbeiter zu einer Betriebsversammlung zusammengekommen. Sie sollten über den Stand der Gespräche über den sogenannten "Zukunftspakt" informiert werden. Das ist ein Maßnahmenpaket, das der Betriebsrat und die Unternehmensführung derzeit verhandeln. VW soll damit sparen und gleichzeitig umstrukturieren, um das Unternehmen auf die Zeit des Elektro-Antriebs vorzubereiten. Die Mitarbeiter wollten also hören, was auf sie zukommt - und dabei kam es zwischen Diess und Osterloh offenbar zu einem Machtkampf auf offener Bühne.

Die Stimmung ist hitzig. Die Mitarbeiter machen deutlich, was sie von den Sparplänen halten

Die Versammlung war nicht öffentlich. Dennoch drang nach draußen, dass Diess in seiner Rede vor den Beschäftigten unter anderem von einer möglichen 40-Stunden-Woche für Teile der Belegschaft, konkret für die Mitarbeiter der Technischen Entwicklung, gesprochen hat. Unklar blieb zunächst, ob er das als Forderung verstand oder als Option. Bislang gilt für alle VW-Mitarbeiter eine 35-Stunden-Woche. Das ist im Haustarifvertrag geregelt.

Osterloh soll daraufhin mehr als deutlich gemacht haben, dass der Haustarifvertrag nicht zur Debatte stehe. Verschlechterungen bei Einkommen und Arbeitszeit werde er niemals mittragen, so Osterloh vor 20 000 Mitarbeitern. Die Stimmung der Belegschaft sei hitzig gewesen, hieß es: Während Osterloh viel Zustimmung erntete, soll es bei Diess' Ausführungen Unmutsbezeugungen gegeben haben.

In den Verhandlungen soll Diess, der schon bei BMW ein Image als Kostendrücker etablierte, Einsparungen über mehrere Milliarden Euro anstreben - zusätzlich zu dem bereits laufenden Sparprogramm, das von 2017 an jährliche Kostensenkungen von fünf Milliarden Euro vorsieht. Der Betriebsrat allerdings hat Forderungen aufgestellt, um Sparmaßnahmen zuzustimmen: Neben der Unantastbarkeit des Haustarifvertrags will Osterloh eine Garantie, dass auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet wird. Der Jobabbau müsse über Frührente oder Altersteilzeit erfolgen. Zumindest über diesen Punkt dürften Diess und Osterloh Einigkeit erzielt haben.

Doch der Betriebsrat will mehr: So müssten Beschäftigungszahlen für die jeweiligen Standorte garantiert werden. Außerdem fordert er vom Management Investitionszusagen, etwa für eine eigene Batteriefabrik. Es gehe ja darum, das Unternehmen für neue Technologien zu rüsten. In einem Brief an die Mitarbeiter heißt es: Der Markenvorstand, also Diess, wolle die Profitabilität der Marke VW steigern. Deshalb komme er "auch immer wieder mit Anträgen um die Ecke, die wir als eure Arbeitnehmervertreter nicht mittragen werden." Das klingt nicht nach nahender Einigkeit - doch Diess und Osterloh stehen unter Zeitdruck. Mitte November will der VW-Aufsichtsrat die Fünf-Jahres-Pläne für die einzelnen Marken absegnen. Das klappt nur, wenn der Zukunftspakt bis dahin steht.

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