Volkswagen:Im Griff des Autokraten

Hinter den zahlreichen neuen Personalgerüchten bei Volkswagen steckt ein einziger Masterplan: die Machtstrategie des amtierenden Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch.

Paul Katzenberger

Das Jahr ist noch jung, doch beim Volkswagen-Konzern jagt bereits eine Meldung die andere: Neben dem für das vergangene Jahr gemeldeten Absatzrekord verdichten sich die Gerüchte, dass Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch nun doch nicht wie geplant bald auf das Altenteil wechselt. Ganz im Gegensatz dazu soll VW-Produktvorstand Wolfgang Bernhard dem Konzern schon bald den Rücken kehren.

Volkswagen: Hält die Fäden bei VW in der Hand: Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch.

Hält die Fäden bei VW in der Hand: Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch.

(Foto: Foto: AP)

Jede dieser Meldungen ist ein Stein in jenem Mosaik, dessen Gesamtbild schon am kommenden Mittwoch deutlich werden dürfte.

Dann schlägt Martin Winterkorn bei seinem ersten Auftritt als Vorstandschef vor dem Aufsichtsrat eine neue Konzernstruktur vor. Dabei wird er allem Anschein nach deutlich machen, dass VW künftig von zentraler Stelle aus gelenkt werden soll.

Baldiger Abgang Bernhards

Pikant ist daran: Die Karriere von Markenvorstand Wolfgang Bernhard, der vor zwei Jahren von DaimlerChrysler zu VW wechselte, dürfte damit abrupt zu Ende gehen: Während Spiegel und Focus melden, dass Bernhard am 31. Januar geht, verlautet aus seinem Umfeld, dass sein Ausscheiden bereits nach der Aufsichtsratssitzung in dieser Woche zu erwarten sei.

Nachdem bereits seit Wochen über den Abgang Bernhards spekuliert wird, scheinen die Medienberichte über die Demission dieses Mal begründet zu sein. Denn nach den Vorstellungen Winterkorns wäre Bernhard künftig nur noch für die Werke des Autoherstellers verantwortlich, nicht aber - wie bis dato - für die Entwicklung neuer Modelle und den Vertrieb. Das kommt einer Degradierung gleich, die Bernhard offenbar nicht bereit ist hinzunehmen: Der 46-Jährige hatte bereits im Dezember intern durchblicken lassen, dass die Aufgabe eines Produktionsvorstandes für ihn nicht in Frage komme.

Sinnbild für Kosteneffizienz

In Fachkreisen würde der Abgang des angesehenen Automanagers als Verlust für das Unternehmen interpretiert. "Bernhard gilt als Sinnbild dafür, dass Volkswagen die Kostenprobleme in der Entwicklung und im Einkauf in den Griff bekommen hat", sagte Auto-Analyst Georg Stürzer von der HypoVereinsbank zu sueddeutsche.de.

Winterkorn greife nun aber wieder die auf den Chef konzentrierte Führungsstruktur auf, die unter Piëch üblich war, meint ein namentlich nicht genannter Analyst. Im Gegensatz dazu hatte Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder die Rolle des Moderators gepflegt. Bei VW war das neu: Piëch war in seiner Zeit als VW-Vorstandschef geradezu berüchtigt für seinen autoritären und zentralen Führungsstil.

Schon unmittelbar nach der Ausrufung Winterkorns als Nachfolger Pischetsrieders im vergangenen Herbst, war darüber spekuliert worden, dass Winterkorn die von Pischetsrieder abgeschafften Positionen des Produktions- und Entwicklungsvorstands wieder aufleben lassen wolle. "Winterkorn gilt als getreuer Gefolgsmann Piëchs", sagt Stürzer dazu.

Volumenvorteile

Beim Großaktionär Porsche wird die Rückkehr zur zentralen Konzernlenkung begrüßt. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hält das Markendenken bei VW für zu stark ausgeprägt. Er hatte deswegen zuletzt mehrfach darauf gedrängt, dass VW Vorteile als Massenproduzent besser ausschöpft, indem die Marken des Konzerns besser aufeinander abgestimmt werden.

Im Griff des Autokraten

Wiedeking griff damit einen Vorwurf auf, der den Volkswagen-Konzern schon seit längerem begleitet: Die einzelnen Marken würden bei ihren Neukonstruktionen zu wenig über den eigenen Tellerrand schauen. Daher käme es immer wieder zu teilweise unnötigen Parallelentwicklungen, so die Kritik.

Offiziell verfolgt VW zwar die "modulare Bauweise" bei der gleiche Komponenten in verschiedenen Modellen zum Einsatz kommen - doch diese Vorgehensweise wurde nach Auffassung der Kritiker nicht immer strikt eingehalten.

Wer ist verantwortlich für den "Wildwuchs"?

Ob dies allerdings durch den dezentralen Führungsstil Pischetsrieders verursacht wurde, gilt als keineswegs ausgemacht. Etliche Branchenkenner machen vielmehr den frühreren Vorstandschef Piëch für den "Wildwuchs" verantwortlich.

Mit seiner Liebe für besonders aufwendige Modelle hatte der passionierte Ingenieur Piëch schließlich etliche neue Marken unter das Konzerndach geholt. Vor allem wegen Piëch steht das VW-Konzernlogo heute für sieben Marken der Premiumgruppe (Audi, Lamborghini, Bentley und Bugatti) sowie einer Gruppe für das Massengeschäft (VW, Skoda und Seat).

Aktivere Rolle

Zudem gibt es wohl Zweifel, ob Winterkorn mit seiner Neustrukturierung allein den Effizienzproblemen des Konzerns Rechnung tragen will. Denn der Großaktionär Porsche hatte zuletzt kaum verhehlt, dass er künftig eine aktivere Rolle bei der Unternehmensentwicklung spielen wolle.

Die Stuttgarter Sportwagenschmiede ist mit 27,4 Prozent der Stimmrechte bereits jetzt größter VW-Aktionär und hatte im November angekündigt, den Anteil auf 29,9 Prozent weiter aufzustocken.

Wollte Porsche künftig aber tatsächlich stärker mit Vorgaben auf das Konzerngeschehen bei VW Einfluss nehmen, so wären diese in einer zentralen Struktur schneller umsetzbar.

Der Mann hinter Porsche

Schließlich steht hinter Porsche im Wesentlichen niemand anderes als Miteigentümer Piëch, dem seit dem Abgang Pischetsrieders nachgesagt wird, seine Macht bei VW konsequent ausbauen zu wollen.

Den Höhenflug der VW-Aktie seit dem vergangenen Sommer begleiten immer wieder Gerüchte, dass Piëch-nahe Kreise die Titel aufkaufen.

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