Volkswagen:Etappenziel Scania

Der Stratege Ferdinand Piëch hat bekommen, was er wollte: Die Mehrheit am schwedischen Lkw-Hersteller Scania.

Michael Kuntz

Den Mann, der angeblich ein innigeres Verhältnis zu Kurbelwellen pflegt als zu manchen Menschen, sollte niemand unterschätzen. Ferdinand Piëch wird zwar 71 Jahre, er setzt aber den planvollen Unruhestand tatendurstig fort. Nun kauft Volkswagen Scania. Am selben Tag billigt der Aufsichtsrat von Porsche die Übernahme der Mehrheit an Volkswagen. Damit kommt der VW-Patriarch seinem ganz großen Ziel zwei Schritte näher: Einem weltweiten Autokonzern sozusagen als Vollsortimenter mit allem im Angebot, was mindestens vier Räder und einen Motor hat. Das reicht dann vom Kleinwagen für Schwellenländer bis hin zum Schwerlastwagen.

Mit dabei sein werden die Marken Volkswagen, Audi, Skoda, Seat, Lamborghini, Bentley, Bugatti, VW Nutzfahrzeuge, Scania, MAN und Porsche. Alle befinden sich bereits mehr oder weniger im Eigentum oder Einflussbereich des Industriellen-Clans Porsche und Piëch. Ein großes Familienunternehmen.

Zwar gehören zum Kreis der Eigentümer inzwischen an die sechzig Personen, doch sind es zwei Herren jenseits der 60, die das Sagen haben. Da ist einmal Wolfgang Porsche, der Aufsichtsratsvorsitzende bei der Porsche Holding. Er ist der mächtigste Mann im Imperium, denn die Porsches halten ein wenig mehr Anteile als die Piëchs. Doch Wolfgang Porsche ist noch nicht lange öffentlich zu vernehmen. Die meisten seiner 27 Jahre als Aufsichtsrat fanden im Verborgenen statt.

Ein Leben außerhalb des Scheinwerferlichtes - das wiederum lässt sich von Wolfgang Porsches Pendant Ferdinand Piëch wahrlich nicht behaupten. Der bekennende Technik-Freak verkrachte sich vor Jahrzehnten effektvoll mit seiner Verwandtschaft, weil er bei Porsche für einen schnelles Auto gnadenlos mehr Geld ausgab, als geplant war. Das freilich behinderte seine spätere Karriere zum Vorstandsvorsitzenden bei Volkswagen keineswegs. Nach dem Abschied von der Konzernspitze behielt er an der Spitze des Aufsichtsrats die Zügel in der Hand, erst recht, seit Porsche größter Aktionär bei VW ist und jetzt unmittelbar davor steht, seinen Anteil auf mindestens fünfzig Prozent aufzustocken.

Bei Scania stieg Volkswagen bereits vor acht Jahren ein. Kurzfristiges Denken ist nicht die Art von Ferdinand Piëch, der sich nach seiner beruflichen Niederlage als Porsche-Jungmanager fernöstlichen Meditationstechniken zuwandte - der lange Atem wurde sein Programm. Wahrscheinlich amüsiert es den Multimilliardär sogar, wenn mal ein paar Wochen weniger von ihm zu hören ist als für gewöhnlich. Umso größer ist dann die überraschende Wirkung seines neuesten Coups.

Nun hat Piëch der ihm seit Jahrzehnten vertrauten schwedischen Industriellen-Familie Wallenberg ihre Sperrminorität an Scania abgekauft. Und zwar offenbar ausschließlich gegen Geld. In der Vergangenheit hatten die Schweden industrielle Aktivitäten oft nur teilweise verkauft. Deshalb erschien lange ein Tausch etwa von Teilen des MAN-Konzerns nicht ausgeschlossen. Dazu kam es nicht, denn schließlich gibt es außer VW noch weitere Aktionäre bei MAN. Die Wallenbergs nutzten offenbar die Gunst der Stunde und erhielten deutlich mehr für ihren Scania-Anteil, als MAN im September 2006 beim feindlichen Übernahmeversuch bezahlt hätte.

Der Stratege Piëch hat bekommen, was er wollte, auch wenn er Jahre warten musste. Über Piëch ist viel Kritisches geschrieben worden. Zum Beispiel, weil er Manager feuert, wenn er sie nicht mehr braucht. Bei allen Vorbehalten, die es zu Recht geben mag: Der Mann steht bald für 400 000 Arbeitsplätze. Das müssen ihm die Stifter von Liechtenstein erst einmal nachmachen.

Die Allianz der beiden Lkw-Hersteller MAN und Scania werde es nicht in absehbarer Zukunft geben, hieß es. Doch was ist schon absehbar in einer Familienfirma, wo der Senior durch die Welt reist und seine Vision vom deutschen Toyota-Konzern verfolgt. Der wird konkreter. Der Kauf von Scania ist ein Zwischenschritt. Das Aufstocken der Anteile von Porsche bei Volkswagen ist der nächste. Weitere werden folgen.

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