VW-Abgasaffäre:Abgasskandal lässt Volkswagen-Image in den USA einbrechen

VW-Abgasaffäre: Ein VW-Bus in Long Beach: Mit seinen Modellen verzückte Volkswagen viele Amerikaner. Doch das ist Geschichte.

Ein VW-Bus in Long Beach: Mit seinen Modellen verzückte Volkswagen viele Amerikaner. Doch das ist Geschichte.

(Foto: Frederic J. Brown/AFP)
  • Volkswagen leidet in den USA unter dem Abgasskandal und den Umgang mit der Affäre.
  • Dem "Reputationsquotienten" des Marktforschungsinstituts Nielsen zufolge wird das Image des VW-Konzerns als "sehr schlecht" eingestuft.
  • Auf der Liste der 100 bekanntesten Unternehmen in den USA liegt VW damit auf dem letzten Platz.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Vor gerade einmal vier Monaten noch war Ralph Petersen bester Laune gewesen. Nein, nein, sagte er seinerzeit und lächelte milde, die Amerikaner seien Skandale gewöhnt und hätten überdies ein kurzes Gedächtnis. Deshalb werde auch die Affäre um gefälschte Abgastests beim Wolfsburger VW-Konzern rasch in Vergessenheit geraten. "Auf lange Sicht", so Peterson, der in Mankato im US-Bundesstaat Minnesota ein VW-Autohaus betreibt, "wird das Volkswagen nicht schaden."

So kann man sich irren. Wie die trübe Realität aussieht, zeigt ein Blick auf den sogenannten "Reputationsquotienten", den das Marktforschungsinstitut Nielsen einmal im Jahr ermittelt. Es befragt die Amerikaner danach, wer die bekanntesten in- und ausländischen Firmen in den USA sind und wie es um deren Ansehen bestellt ist. Ergebnis: Mit Platz eins kann sich 2016 der Versandhändler Amazon schmücken, renommiertester Autohersteller ist auf Rang 17 Honda. Auch VW ist leicht zu finden: Von insgesamt 100 Firmen liegt der Konzern exakt auf Platz 100. Er ist der einzige auf der gesamten Liste, dessen Image als "sehr schlecht" eingestuft wird.

Es ist ein dramatischer Absturz für ein Unternehmen, das dank qualitativ hochwertiger Pkw und vieler origineller Werbespots in den USA stets ein hohes Ansehen genoss. In den Sechzigerjahren, als Autos in den USA noch meist gigantische Ausmaße hatten, verzückte Volkswagen viele Amerikaner mit dem "Käfer" und der "Think-Small"-Kampagne. Noch 2011, in der Halbzeit des Finales um die Football-Meisterschaft, glänzte das Unternehmen mit einem Star-Wars-Fernsehspot, in dem ein als Darth Vader verkleideter kleiner Junge glaubt, mit Hilfe der "Macht" einen Passat anlassen zu können.

Von all dem kann 2016 keine Rede mehr sein. Dass die Probleme bei VW hausgemacht sind, zeigt sich daran, dass das Renommee stark gelitten hat, obwohl das Ansehen der gesamten Branche weiter gestiegen ist. 2009, als die US-Rivalen General Motors und Chrysler beinahe bankrott anmelden mussten, waren nur 16 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Autoindustrie über ein gutes Image verfügt. In der jüngsten Untersuchung sind es 51 Prozent.

Was VW am meisten schadet, ist, dass auch fünfeinhalb Monate nach Auffliegen des Skandals keine Lösung der Probleme erkennbar ist. Die 600 000 Diesel-Pkw, bei denen Volkswagen die Abgas-Testwerte mit Hilfe einer Software manipuliert hatte, sind immer noch auf den Straßen unterwegs. Ihre Besitzer müssen mit Wertverlusten klar kommen und wissen immer noch nicht, wann und wie die Autos endlich umgerüstet werden. Schlimmer noch: Viele Amerikaner haben den Eindruck, dass Volkswagen die Aufklärung des Skandals wenn schon nicht behindert, dann doch zumindest nicht befördert. Dass sich VW beispielsweise unter Verweis auf das deutsche Datenschutzrecht weigert, Dokumente und E-Mails herauszugeben, wird in den USA als Obstruktion aufgefasst.

Über Schludrigkeit wird in den USA großzügig hinweggesehen. Lügen aber werden nicht toleriert

Rein objektiv betrachtet ist das wohl ungerecht, es zeigt aber, dass VW bei der Unterrichtung von Öffentlichkeit und Kunden erhebliche Fehler gemacht haben muss. "Eines Tages wird der Volkswagen-Abgasskandal in den Lehrbüchern für Krisenkommunikation diskutiert werden - aber nicht als Positivbeispiel", hat die New York Times dieser Tage geschrieben. Geschadet hat VW demnach neben dem eigentlichen Betrug auch der anschließende Umgang damit. Wie die Nielsen-Umfrage ergab, sehen viele Amerikaner über Auto-Rückrufe, die auf Schludrigkeit zurückzuführen sind, oft einigermaßen großzügig hinweg. "Lügen, das Vorspiegeln falscher Tatsachen und absichtliches Fehlverhalten" werden hingegen nicht toleriert.

Hinzu kommen Sätze aus der VW-Führungsriege, die das Bild vom uneinsichtigen Betrüger noch befördert haben. Dazu zählt die Erklärung von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn, der Skandal sei auf die "schlimmen Fehler einiger weniger" zurückzuführen. Winterkorns Nachfolger Matthias Müller verstieg sich Wochen später am Rande der Automesse in Detroit gar zu der Behauptung, Volkswagen habe "nicht gelogen". Bis heute versuchen VW-Sprecher diese Aussage als eine Art Unfall darzustellen - Müller, so heißt es, sei bei einer Veranstaltung am Rande der Show allzu sehr von Journalisten bestürmt worden. In Wahrheit allerdings fielen die Worte erst, als der große Ansturm längst vorüber war. Das legt den Verdacht nahe, dass Müller damals sehr wohl meinte, was er sagte.

Immerhin: Mit etwas Sarkasmus könnten Kommunikationsstrategen darauf verweisen, dass für den Bekanntheitsgrad eines Unternehmens schlechte Nachrichten besser sind als gar keine. So hatten die Teilnehmer der Nielsen-Untersuchung VW im vergangenen Jahr hinter Honda zwar das zweitbeste Image aller Autohersteller zugestanden. Weil der Konzern für die meisten Befragten aber insgesamt zu unbedeutend war, tauchte er in der Liste der 100 namhaftesten Firmen am Ende gar nicht auf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: