Volkswagen:Ein bisschen Plastik

VW-Motor EA189

So sieht er aus: Ein Automechaniker hält die Abdeckung vor einen vom Abgas-Skandal betroffenen 2.0-Liter-TDI Dieselmotor vom Typ EA189.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

VW präsentiert eine technische Lösung für viele manipulierte Autos. Die ist so simpel, dass man fragen muss: Wozu hat der Konzern geschummelt?

Von Angelika Slavik, Wolfsburg

Wenn Volkswagen früher etwas zu verkünden hatte, liebte der Konzern die große Inszenierung: Lichtshows, Musik, sündteure Häppchen. Dazu dieses Selbstbewusstsein, immer scharf an der Grenze zur Überheblichkeit.

Als Volkswagen an diesem Mittwoch etwas mitteilen möchte, hat das Unternehmen den vermutlich schmucklosesten Raum ausgesucht, der am ganzen VW-Gelände zu finden war. Alles in diesem Raum ist hart und grau. Fast möchte man sagen: so wie der Alltag derer, die gerade versuchen, Volkswagen irgendwie aus der größten Krise seiner Geschichte zu holen. In der Ecke des grauen Raums liegen ein paar Kekse. "Cateringpackung" steht auf der Folie. Es sind jetzt andere Zeiten.

Dabei ist das, was Volkswagen hier zu verkünden hat, der erste Lichtblick für das Unternehmen, seit Mitte September die Manipulationen an den Dieselfahrzeugen bekannt wurden. VW will nun eine Lösung gefunden haben, wie viele dieser Fahrzeuge umgerüstet werden können, damit sie die vorgeschriebenen Abgasnormen doch noch erfüllen. Das ist doch eigentlich eine gute Nachricht für diesen Konzern. Oder nicht?

5,2 Millionen Fahrzeuge brauchen lediglich eine neue Software

Konkret sehe die Lösung so aus, erläutert ein Konzernsprecher, dass die betroffenen Autos mit einem Zwei-Liter-Dieselmotor des Typs EA 189 ein Software-Update erhalten. Das werde nicht länger als 30 Minuten dauern und sei daher für die Kunden eine sehr komfortable Lösung. Auf diesem Weg sollen insgesamt 5,2 Millionen Fahrzeuge umgerüstet werden. Anders ist die Lage bei Autos mit einem 1,6-Liter-Motor gleichen Typs: Diese sollen nach den Plänen von VW neben dem Software-Update auch mit neuer Hardware ausgestattet werden, um die Abgasvorschriften zu erfüllen. Das werde in der Werkstatt insgesamt höchstens eine Stunde dauern, heißt es.

Die neue Hardware kann man sich in einem kurzen Film ansehen, es handelt sich dabei um eine Art Plastikrohr mit etwa sieben Zentimetern Durchmesser. Das Plastikrohr hat an einem Ende ein Gitter. Für den Laien sieht es aus wie eine Staubsaugerdüse. Die Techniker bei VW nennen die Staubsaugerdüse "Strömungstransformator". Der sorgt dafür, dass der Luftstrom im Motor nicht mehr verwirbelt, sondern gleichmäßig auf den sogenannten Luftmassenmesser trifft. Der Luftmassenmesser kann deshalb besser messen und damit den Verbrennungsprozess optimieren - weswegen am Ende weniger Stickoxide erzeugt werden. Das Kraftfahrtbundesamt hat diesen Plänen schon zugestimmt. Für immerhin 8,2 Millionen Fahrzeuge ist das also eine vergleichsweise simple Lösung.

Aber natürlich wirft das auch die Frage auf: Wenn ein paar Zentimeter Plastik alle Probleme vergessen machen und die Ingenieure von VW binnen weniger Wochen diese Lösung entwickeln konnten - warum kam es dann überhaupt zu den Manipulationen am Dieselmotor? Vielleicht ist das auch ein Grund, warum die Stimmung nicht so recht in die Gänge kommen will bei Volkswagen: Weil man sich das alles hätte ersparen können.

Noch in dieser Woche will der Konzern, der bislang acht Mitarbeiter wegen der Affäre beurlaubt hat, dem Kraftfahrtbundesamt auch eine Lösung für die betroffenen 1,2-Liter-Dieselmotoren vorstellen, vermutlich reicht auch hier ein Update der Software. Die vorgestellten Maßnahmen gelten ausschließlich für die Autos in Europa. In den USA stehe man noch in Kontakt mit den Behörden, heißt es. Die Aufgabe scheint komplexer zu sein: Die verbauten Motoren unterscheiden sich von denen in Deutschland, außerdem sind die Abgaswerte, die erreicht werden müssen, strenger. Bei den Umrüstungen in Deutschland werde dafür gesorgt, dass "wir jetzt halten, was wir versprochen haben", wie ein Sprecher sagt. Besser als gesetzlich notwendig werden die Abgaswerte nicht sein. Dafür sei es "unser klares Ziel", dass Leistung und Verbrauch sich durch die Umrüstung nicht verschlechtern. Getestet sei das noch nicht, man sei aber optimistisch.

Unklar bleibt vorerst, was die Veränderungen am Motor, die vorgenommen werden, um den Ausstoß von Stickoxiden (Nox) in den Griff zu bekommen, für andere Abgaswerte bedeutet, vor allem für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂). Das sei bislang noch nicht getestet worden, es könne aber durchaus sein, dass der CO₂-Ausstoß ansteige: "Es gibt ja sehr viele verschiedene Autos, der eine hat ein Schaltgetriebe, der andere Automatik, es gibt unzählige Variationen. Die Wirkung wird nicht bei jedem Auto gleich sein."

Für den Ausstoß von Kohlendioxid einzelner Autos gibt es in Deutschland keinen festen Grenzwert, der eingehalten werden muss, die umgerüsteten Autos würden also auch mit höheren CO₂-Emissionen die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Allerdings müssen die Hersteller Auflagen in Hinblick auf ihr gesamtes Flottenangebot einhalten. Könnten also erhöhte CO₂-Emissionen bei den umgerüsteten Autos ein Problem in Hinblick auf die Umweltvorgaben des gesamten VW-Angebots werden? "Das ist grundsätzlich denkbar, ja. Wir müssen das erst testen." Die Umrüstung soll 2016 erfolgen.

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