Volkswagen:Dieser Mann soll VW-Mitarbeiter seelisch aufpäppeln

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Industrieseelsorger Dirk Wagner: "Das schlechte Bild in der Öffentlichkeit macht den Mitarbeitern zu schaffen." (Foto: privat)

Himmel, hilf: Industrieseelsorger Dirk Wagner spendet nach der Abgasaffäre in Wolfsburg Trost. Der Volkswagen-Vorstand will jedoch keinen Beistand.

Von Angelika Slavik, Wolfsburg

Dirk Wagner hat diesen Job gerade sechs Monate, und man könnte es göttliche Fügung nennen, dass er da ist, ausgerechnet jetzt. Wagner, 56, ist Pastor. Nicht irgendeiner, sondern einer mit ziemlich komplizierter Mission. Wagner ist Industrieseelsorger in Wolfsburg. Man könnte auch sagen: Er ist der Mann, der die Volkswagen-Mitarbeiter in diesen harten Monaten trösten soll.

Ein Industrieseelsorger, also jemand, der besonders viel Verständnis für das Wirtschaftsleben und seine Schwierigkeiten mitbringt, der Kontakt zu den Unternehmen sucht und ein Ansprechpartner für alle ist, vom Arbeiter bis zur Führungskraft - diesen Job hat es in Wolfsburg viele Jahre nicht gegeben. Erst im vergangenen Jahr bewilligte die Kirche wieder das Budget für diesen Posten. Deswegen hat Wagner nun ein kleines Büro im Gemeindezentrum bezogen, mitten in der schlimmsten Krise, die Volkswagen je erlebt hat.

Das schlechte Image Volkswagens mache Mitarbeitern zu schaffen

In Wolfsburg gibt es gefühlt eigentlich keine Trennlinie zwischen der Stadt, ihren Einwohnern und diesem alles dominierenden Konzern. Bei uns arbeitet jeder für VW, sagen sie hier gerne, und Wagner sieht das ähnlich. "Natürlich kann jeder zu mir kommen, der Zuspruch sucht", sagt er.

Menschen, die bislang zu ihm kommen und bei VW arbeiten, stünden "stark unter Stress, das merkt man natürlich", sagt Wagner. "Die Leute machen sich Sorgen um die Zukunft." Dazu kommt die massive öffentliche Kritik an dem Unternehmen: Lange war Volkswagen der Inbegriff für Erfolg, Solidität und technischen Fortschritt. Seit dem Bekanntwerden der Dieselmanipulationen sind die Assoziationen weitaus weniger schmeichelhaft. "Das schlechte Bild in der Öffentlichkeit macht den Mitarbeitern zu schaffen", sagt Wagner.

Neben persönlichen Gesprächen sucht Wagner in der neuen Position auch Kontakt zu Gewerkschaften und dem Betriebsrat. Demnächst soll eine regelmäßige Gesprächsreihe zu spirituellen Themen starten. "Vieles muss sich erst noch finden", sagt Wagner.

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Der VW-Vorstand ist an Seelsorge nicht interessiert

Das gilt auch für den Kontakt zum obersten Führungsgremium von VW. Man habe ihn wissen lassen, dass der Vorstand derzeit nicht an Kontakt interessiert sei, berichtet Wagner. "Das verstehe ich natürlich, die haben ja auch gerade genug zu tun", sagt er. "Vielleicht klappt es ja, wenn die Lage für das Unternehmen sich beruhigt hat." Regelmäßige Sprechstunden direkt am Gelände von Volkswagen zum Beispiel könne er sich gut vorstellen.

Wagner selbst kennt das Wirtschaftsleben nicht nur aus der Perspektive des Seelsorgers, im Gegenteil. Mehr als 20 Jahre arbeitete der gelernte Vermessungsingenieur in leitenden Positionen in der Baubranche. "Ich fahre jetzt als Pastor in Wolfsburg auf Straßen, die ich früher selbst gebaut habe", sagt Wagner und lacht. Der Glaube sei ihm immer wichtig gewesen, in jungen Jahren hatte er schon einmal ein Theologiestudium angefangen, aber schnell wieder abgebrochen. "Damals war es noch nicht der richtige Weg", sagt Wagner. Er entschied sich für eine Karriere in der Wirtschaft, engagierte sich nebenbei in der Gemeinde. "Das war mir immer wichtig, das wussten auch alle."

Trotzdem hat er den Kollegen erst nicht erzählt, als er sich mit über 50 doch noch berufsbegleitend für ein Theologiestudium entschied. Erst zum Beginn des Vikariats kündigte Wagner seinen alten Job. Schwer gefallen sei ihm das dann nicht mehr, "aber natürlich ist es bewegend, wenn man sieht, dass die Mitarbeiter wirklich bedauern, wenn man geht". Das Vikariat, also die Ausbildungszeit für evangelische Pfarrer, allerdings war eine Umstellung - auch finanziell. "Da bleibt nicht viel übrig unterm Strich", sagt Wagner. Das Gefühl kennen sie ja neuerdings auch bei VW.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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