Volkswagen:Die Strategie des Verzichts

VW-Chef Pischetsrieder schafft mit dem Tarifabschluss einen wichtigen Etappensieg. Denn auch viele VW-Käufer sind Arbeiter, die nicht einsehen, warum in Wolfsburg mehr verdient wird als anderswo.

Von Karl-Heinz Büschemann

Dem Zentralorgan der arbeitenden Bevölkerung war früh klar, dass die Forderung überzogen war. "Sind die VW-Arbeiter zu gierig?", fragte Bild, als die Autowerker für vier Prozent mehr Lohn die Arbeit niederlegten.

Volkswagen: Schwierige Zeiten: VW-Chef Bernd Pischetsrieder und  Personal-Vorstand Peter Hartz.

Schwierige Zeiten: VW-Chef Bernd Pischetsrieder und Personal-Vorstand Peter Hartz.

(Foto: Foto: dpa)

Kurz darauf kam die Einigung. Die deutschen VW-Arbeiter, die 20 Prozent mehr verdienen als andere Metallwerker und elf Prozent mehr als ihre Kollegen bei anderen Autoherstellern, verzichten bis 2007 auf Lohnerhöhungen.

Neuer Geländewagen wird in Wolfsburg gebaut

Dafür bekommen sie eine Jobgarantie bis 2011, eine Einmalzahlung von 1000 Euro, und der neue VW-Geländewagen wird in Wolfsburg gebaut. Das Allrad-Auto auf Golf-Basis wäre im slowakischen VW-Werk um 1800 Euro pro Stück billiger.

Die IG Metall hat dem Abschluss am Freitag zugestimmt, obwohl sich VW fast komplett durchgesetzt hat. Damit kann der Konzern eine Milliarde Euro sparen. Und er hat den halben Weg geschafft: Bis 2011 will Vorstandschef Bernd Pischetsrieder die Arbeitskosten um zwei Milliarden Euro reduzieren. Anstandshalber verzichtet auch der Vorstand bis 2007 auf Gehaltserhöhungen.

Abgestürzt

Europas größter Autokonzern ist abgestürzt. Der Gewinn fällt seit 2002, der Aktienkurs hatte vor fünf Jahren noch die doppelte Höhe. Ein Alarmzeichen ist, dass die Kernmarke VW 2004 schon 200 Millionen Euro Verlust gemacht hat.

Da der Konzern seit 1998 etwa fünf Milliarden Euro in unverkäufliche Luxusautos wie Phaeton und Bugatti oder Prestigeprojekte wie die Gläserne Fabrik in Dresden und die Autostadt in Wolfsburg versenkt hat, ist der Handlungsbedarf groß wie selten zuvor. VW habe mit 103.000 deutschen Mitarbeitern 30.000 zu viel, sagt der Vorstand.

Die Strategie des Verzichts

Doch für Pischetsrieder ist es schwer, den Kurs zu ändern, weil bei VW über Jahrzehnte Gewerkschaften und Vorstand an einem Strang zogen. Da auch das Land Niedersachsen mit 18 Prozent an VW beteiligt ist, war die erste Pflicht des Vorstandes, möglichst viele Arbeitsplätze zu halten.

Doch dieser Kurs kam unter die Räder, als der Automarkt in den USA und Europa am Anfang dieses Jahrzehnts einbrach und die Hersteller unter Druck brachte. In Europa erwischte es Opel am schlimmsten. Bei der General-Motors-Tochter wird jeder dritte Arbeitsplatz gestrichen.

Absatz fällt

VW drohte zum nächsten Krisenfall zu werden. Die Autos gelten als zu teuer und der Absatz fällt. Allein in Europa ging der Verkauf in diesem Jahr um ein halbes Prozent zurück - obwohl der Gesamtmarkt um 1,5 Prozent zunahm.

Vor allem freuen sich Japaner und Koreaner über neue Kunden. In Amerika leidet VW unter Absatzflaute und schwachem Dollar. In China, dem Welt-Hoffnungsmarkt Nummer eins, macht der Konzern sogar Verlust.

Neue Modelle, wie der im Frühjahr kommende Passat oder das VW Cabrio auf Golf-Basis, sollen die Zahlen wieder aufhellen. Weil bei den Händlern der Wunsch nach günstigen Volkswagen immer lauter wird, kommt bald ein VW-Kleinwagen aus Brasilien mit Namen Fox für unter 10.000 Euro auf den deutschen Markt.

Preise bleiben unter Druck

"Davon versprechen wir uns eine Menge", sagt ein VW-Händler. Aber mit Billigautos ist nicht viel zu verdienen. Die Preise bleiben unter Druck.

Der Händler sagt daher, dass der Verzicht der Arbeiter bei VW ein wichtiges Signal ist. Auch viele VW-Käufer seien Arbeiter, die nicht einsähen, warum in Wolfsburg mehr verdient werde als anderswo: "Einen höheren Tarif hätten unsere Kunden nicht verstanden."

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