Volkswagen:Die Folgen der Affäre

Der materielle Schaden durch Sexreisen und Tarnfirmen ist gering - der ideelle Schaden hingegen groß.

Michael Kuntz

Es begann mit einer Anzeige. Volkswagen meldete sich bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig, weil das Unternehmen Mitarbeiter im Verdacht hatte, mittels Tarnfirmen abkassieren zu wollen. Das ist nun ein Jahr her.

Volkswagen: VW-Präsentation in China

VW-Präsentation in China

(Foto: Foto: AP)

Aus der Anzeige entwickelte sich die VW-Affäre um Sexreisen, verwöhnte Betriebsräte und phantastische Spesenabrechnungen. Sie wühlte Europas größten Autobauer auf, kostete dem berühmten Personalvorstand Peter Hartz den Job und bestätigte im übrigen viele Vorurteile darüber, wie es so zugeht im realen Wirtschaftsleben.

Schaden genommen an der Affäre hat vor allem die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei Volkswagen. Durch die Mitwirkung an unternehmerischen Entscheidungen - so die hehre Idee - sollen die Arbeitnehmer zur Sicherung und Verbesserung ihrer sozialen Situation beitragen können.

Mehr als großzügig

Das nahmen bei Volkswagen einige allzu persönlich - jedenfalls sieht es so die Staatsanwaltschaft bei einer Riege aus Arbeitsdirektoren, Betriebsräten und dem für deren Betreuung zuständigen Manager. Prominentester unter 14 Beschuldigten ist Peter Hartz, dessen Einfluss in Berlin einst so groß war, dass Sozialgesetze seinen Namen tragen. Der Konzern hat sich von diesen Akteuren längst getrennt oder sie sind gegangen.

Der materielle Schaden der VW-Affäre liegt im einstelligen Millionenbereich. Doch der ideelle Schaden ist immens. Die ganze Geschichte wird wieder Schlagzeilen machen, wenn Anklage erhoben und der eine oder andere Prozess stattfinden wird. Mancher Vorgang dürfte sich als unmoralisch, aber nicht justiziabel erweisen.

So viel steht fest: Der Konzern hatte die Vertreter seiner 345 000 Arbeitnehmer so ausgestattet, dass jahrelang Ausgaben möglich waren, die mit der eigentlichen Betriebsratsarbeit nicht mehr viel zu tun hatten. Nun gibt es bei einem weltweit tätigen Unternehmen dieser Größe für die materielle Ausstattung der Arbeitnehmervertretung eine gewisse Bandbreite. Ein Beispiel: Sollen Betriebsräte immer zum preisgünstigsten Rechtsanwalt gehen müssen oder sich auch Gutachter leisten können, die teuer sind?

Bei VW war der finanzielle Rahmen mehr als großzügig. Warum - darüber lässt sich lange spekulieren. Auf jeden Fall spielte hier das System Piëch eine Rolle: Man kannte sich und ließ sich in Ruhe. Der PS-verrückte Vorstandschef Ferdinand Piëch konnte in Ruhe seiner technischen Begeisterung nachgehen und zum Beispiel die verlustträchtige Luxus-Limousine Phaeton bauen. Die Betriebsräte und die IG Metall wurden in ihrer Macht nicht eingeschränkt. Und bei den Spesen drückte man die Augen zu.

Die gekauften Betriebsräte und ihre Affäre haben der IG Metall bei den Betriebsratswahlen im März nicht geschadet. Die Gewerkschaft, der bei Volkswagen neunzig Prozent der Mitarbeiter angehören, schnitt gewohnt gut ab. Es gab praktisch auch keine Alternative: Wen anders als die IG Metall hätten die VW-Leute wählen sollen, jetzt, wo 20000 der 103000 Stellen in den deutschen Werken zur Disposition stehen und eine starke Arbeitnehmervertretung wichtig ist.

Nur einige wenige waren in die VW-Affäre verwickelt, so beruhigen die Funktionäre der IG Metall ihre Klientel. Doch nur teilweise nutzte die Gewerkschaft den Austausch ihrer Führungskräfte für einen Generationswechsel. An Schaltstellen gibt es weiter Leute, die seit langer Zeit dabei sind und nie sahen, was für Abgründe sich um sie herum aufgetan hatten. Diese Garde der Taktierer lähmt die notwendige Sanierung von VW.

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