Volkswagen:Der überforderte Konzern

Die Ermittler kommen nur langsam voran - jetzt soll eine Amnestie helfen.

Von Thomas Fromm,Joachim Becker, Marc Beise, Max Hägler, Claus Hulverscheidt, Klaus Ott UND Angelika Slavik

Es wird viel Englisch gesprochen in diesen Tagen in der Autostadt Wolfsburg. Am Bahnhof, in den Hotels, vor allem aber in der Konzernzentrale des nun wieder nur zweitgrößten Autobauers der Welt. Der größte, Toyota, war nach jahrelangem Wettlauf in diesem Jahr kurz entthront worden. Aber jetzt sind die Japaner wieder vorne, und bei VW haben sie ganz andere Sorgen als diesen Zweikampf. Sie wären in Wolfsburg ja schon froh, wenn sie selbst verstehen würden, was gerade passiert in ihrer einst so selbstherrlichen VW-Welt.

Volkswagen hat Staat und Kunden über Jahre massiv und dreist belogen, so viel steht fest, mit seinen angeblich so tollen Dieselmotoren, deren Abgaswerte nur auf dem Prüfstand so gut waren wie behauptet: eine spezielle Software, millionenfach verbaut, steuerte den Betrug. Darüber redet nun ganz Deutschland, ach was: die ganze Welt. Das Thema fehlt auf keiner Party, Hollywood hat sich die Filmrechte schon gesichert. Eine fast beispiellose öffentliche Demütigung.

Volkswagen, das ist jetzt kein Synonym mehr für Erfolg, für immer neue Rekorde und satte Bonuszahlungen. Volkswagen, das ist jetzt: der Betrügerladen. Die traditionell so stolzen VW-ler tun sich schwer mit dieser neuen Rolle.

"Jahrelang haben sie uns immer erzählt, wir sind die Besten und die Tollsten. Das glaubst du dann natürlich auch. Das ist irgendwie in einem drin," sagt Micha, der VW-Arbeiter, stellvertretend für so viele hier an der Basis. Gerade hat er die Frühschicht hinter sich gebracht, jetzt lehnt er mit dem Rücken an der Stange eines Verkehrsschildes in Wolfsburg: "Halten und Parken verboten". Micha nestelt am Zigarettenpapier und dreht sich eine Kippe. Seit mehr als sechs Jahren arbeitet er in Wolfsburg bei Volkswagen. "Wie jetzt alle reden", sagt er. "Wenn du die Zeitung liest, denkst du ja, wir sind . . ., weiß auch nicht."

Ein paar hastige Züge an der Zigarette, dann muss Micha dringend zur Bahn, ab nach Hause. Am Bahnhof hängen lauter Plakate mit Totenköpfen. "Dark Mirror" steht darüber. Es ist eigentlich Werbung für eine Ausstellung über lateinamerikanische Kunst. Aber es passt auch ganz gut zur Lage bei VW. Dark Mirror. Der Blick in den schwarzen Spiegel, das Unternehmen im Ausnahmezustand.

Von einer "existenzbedrohenden Krise für den Konzern" hat Anfang Oktober der frühere Finanzchef und jetzige oberste Kontrolleur Hans Dieter Pötsch gesprochen - so klar und deutlich hat das niemand vor ihm gesagt und auch niemand danach. VW hat in dieser Woche einen Quartalsverlust von 3,5 Milliarden Euro bekanntgeben, die Risiken aus der Affäre werden auf bis zu 50 Milliarden Euro geschätzt. Jetzt muss gespart werden, Jobs werden gestrichen, es steht ein großer Umbau an. Leute werden ausgetauscht, und wo Leute ausgetauscht werden, tauschen die Neuen, die kommen, gleich schon wieder die nächsten Leute aus. Es ist eine Kaskade, die da ins Rollen gekommen ist und von der jeder der 600 000 Mitarbeiter sehr konkret und persönlich betroffen sein kann.

In dieser Welt also ist nun jeder, der Englisch redet, eine potenzielle Bedrohung. Denn er könnte einer dieser zivilen Ermittler sein, die zum ständigen Begleiter auf den Bürofluren geworden sind, die Konzernrevision und die Leute der US-Kanzlei Jones Day. Die Prüfer, sagen Leute aus den Büros, tragen Maßanzüge, haben eigene Arbeitsplätze bekommen, sie haben Laptops dabei und werten alles aus. Aktenordner, E-Mails, Festplatten. Bis zu zehn Jahre schauen die Ermittler zurück, und da findet sich in den Archiven dann schon mal eine E-Mail, die sehr nahelegt, dass der Absender, ein leitender VW-Mann, etwas von der Manipulation gewusst haben muss, zumindest dass er davon erfahren hat. Und kurz danach taucht eine andere Mail auf, die den Verdacht entkräften könnte. Sehr schwer, da durchzublicken.

Also wird auch geredet. Diese Gespräche, die letztlich Vernehmungen sind, sind gefürchtet: Jeder, der etwas mit der Abgassteuerung von diesem Allerweltsdiesel zu tun gehabt hat, haben könnte, soll antreten. Manchmal ist es eine Gesprächssituation eins zu eins - Dieselexperte gegen Kollege aus der Revision. Manchmal sind noch zwei, drei Leute von Jones Day dabei. Und dann sind da noch die Beamten von der Staatsanwaltschaft, unterstützt von 20 Männern vom Landeskriminalamt. Sie sitzen da und lesen Akten, Akten, Akten.

In zehn Tagen, am 9. November 2015, will der Aufsichtsrat tagen, und dann soll es einen ersten genauen Fahrplan geben - eigentlich. Denn der Zeitplan ist anspruchsvoll, wohl zu anspruchsvoll. Dass man so kurzfristig einen sinnvollen neuen Zwischenbericht vorlegen kann, glauben die Ermittler selbst nicht. Die internen Untersuchungen, heißt es aus der Konzernspitze, verlaufen sehr zäh. Vor allem auch deshalb, weil viele Leute, die etwas wissen könnten oder müssten, nicht darüber reden wollen, wie es zu der Abgasaffäre gekommen ist. Das Schweigen der Verdächtigen bringt VW schwer in Not. Falls das Unternehmen die Affäre nicht selbst aufkläre, werde es nicht gelingen, in den USA halbwegs glimpflich davonzukommen, sagt einer aus der Konzernspitze. Die dortigen Behörden seien knallhart, dort sei man in der Bringschuld.

Um die Mitwisser der Manipulationen zum Reden zu bringen, kommt Volkswagen ihnen nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR weit entgegen. Mitarbeitern, die gestehen, drohten "keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen", erklärte Müller bereits Anfang Oktober bei einer Betriebsversammlung. Jetzt wird erwogen, dies zu einem Amnestieprogramm auszubauen. "Warum sollten die Leute auspacken und sich selbst belasten, wenn sie nichts davon haben", heißt es aus der Konzernspitze.

Offiziell mag sich VW dazu nicht äußern, aber solch ein Amnestieprogramm wird im Vorstand und im Aufsichtsrat bereits diskutiert. Vorbilder sind Siemens und die VW-Tochter MAN, die Lastwagen und Busse herstellt. Siemens und MAN hatten, um Schmiergeldaffären aufzuklären, Mitarbeitern unterhalb der obersten Führungsebenen Schonung angeboten, mit Erfolg. Hunderte Angestellte meldeten sich. So soll das auch bei Volkswagen kommen. Intern heißt das: "Kronzeugen-Regelung".

Wie konnte es nur soweit kommen?

Man muss die Vergangenheit verstehen, um die Gegenwart zu begreifen. Jahrelang herrschte ein knallharter Ton in diesem Konzern. Straffe Hierarchien, klare Ansagen. Wer nicht funktionierte, wurde niedergebrüllt, und viele berichten, dass dies ein Klima der Angst war. Es war wahrscheinlich der Preis, den der Konzern für das ständige Wachstum bezahlen musste. Man war erfolgreich, eilte von Rekord zu Rekord, zahlte hohe Boni und Prämien für Manager und Arbeiter. Aber dafür wurde eben auch herumgebrüllt. Widerspruch? Zwecklos. Also widersprach auch nie jemand. Und ließ sich dann doch mal jemand auf einen Schlagabtausch ein, sagt ein Zeuge von damals, dann hätten die anderen betreten auf den Boden geschaut und nichts mehr gesagt. Früher, sagt ein Manager, der häufig mit den Top-Leuten zusammengesessen hat, sei es oft zugegangen "wie in einer Irrenanstalt". Da war Martin Winterkorn, jahrelang VW-Chef, höchster Fugen-Kontrolletti und oberster Zuchtmeister in einem. Zuhören, sagen Mitarbeiter, das sei eben nicht Winterkorns Sache gewesen. Typische Szene, ein Alltagsding: Ein technisches Auto-Thema wird besprochen. Große Gesprächsrunden, zwei Hierarchieebenen mit 40 bis 50 Leuten: Vorstand, leitende Ingenieure bis hinunter zum Hauptabteilungsleiter. Die große Kunst der Vortragenden sei es im Grunde gewesen, ihr Thema "zehn Minuten lang ohne Unterbrechung" vorzustellen, sagt der Manager. Aber Winterkorn habe "Mühe gehabt, die Technik-Vorträge bis zum Ende anzuhören". Es war das ständige Ritual: Wenn er anderer Meinung war, dann habe er Mitarbeiter auch schon mal vor der ganzen Mannschaft zusammengestaucht. Ein Topmanager eines Zulieferers, einer, der sagt, dass er Winterkorn eigentlich sehr schätze, erinnert sich, wie der VW-Chef seine eigenen Leute selbst in Anwesenheit von Geschäftspartnern kleinmachte.

Wenn dann alles vorbei war, sei man dann manchmal zu dem kleingemachten Kollegen hingegangen und habe ihn heimlich gelobt. Gut gemacht, weiter so. Es ist ein System, in dem Entscheidungen nicht getroffen, sondern ausgesessen werden. Und, wenn es gar nicht mehr anders geht, nach oben delegiert. Ewig würde das nicht gut gehen, warnten kluge Menschen schon lange. Irgendwann rächt sich das.

Es rächte sich am 18. September 2015, einem Freitag.

Das Datum werden sie in Wolfsburg nie wieder vergessen, nie. Am Abend melden die ersten angelsächsischen Nachrichtenagenturen, dass VW 480 000 Autos zurückrufen muss. Das klingt vielleicht noch normal, andere Hersteller wie Toyota und General Motors haben zuletzt Millionen Autos wegen technischer Probleme zurückgerufen. Nur - VW hat gar keine technischen Probleme. Da wurde nicht aus Versehen irgendeine kaputte Batterieklemme verbaut, da rutschen keine Fußmatten wie bei Toyota, da ruckeln keine Gaspedale. Sondern VW hat mit einer speziellen Software Abgasmessungen bei Dieselfahrzeugen manipuliert und gegen amerikanische Gesetze verstoßen. Willentlich, wissentlich. "Solche Mittel zu benutzen, um die Klimaschutzstandards zu umgehen, ist illegal und eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit", zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg Cynthia Giles von der amerikanischen Umweltbehörde Epa. Ein Anruf gegen 18 Uhr in Wolfsburg. Nein, dort kenne man das Thema nicht, man höre zum ersten Mal davon, und man müsse sich jetzt erst einmal selber ein Bild machen über das, was da gerade aus den USA kommt.

VW am Abend des 18. September: Ein überforderter Konzern weiß nicht, was gerade passiert und macht sich ein Bild. Es ist nicht nur der Anfang einer großen Krise. Es ist auch der Beginn einer großen Sprachlosigkeit.

Seit Jahren war VW vor allem damit beschäftigt, positive Meldungen über sich in die Welt hinauszupusten, darin war man gut. Und jetzt passierte das: Jemand anders sprach, und das Schlimme für die Leute im Konzern war: Sie wussten nicht einmal, was sie dazu sagen sollten. Sie verstanden nicht, wie so eine Software in die Motoren gekommen sein soll, und weil sie noch weniger verstanden, warum das so lange unbemerkt bleiben konnte, verschlug es ihnen nun endgültig die Sprache.

Dabei war Kommunikation hier immer alles. Hunderte Mitarbeiter versenden aus Wolfsburg die eigenen Botschaften an die Medien, die auf ihren Bildschirmen flimmern, auf ihren Tischen liegen: an Zeitungen, TV-Stationen und auch an soziale Medien. Ihr Ziel war bislang, dass dort möglichst oft ein Bild der eigenen Welt aufscheint, ein Abbild der Traumfabrik. Der vermeintlichen Traumfabrik. Eine gigantische PR-Maschine war das, allzeit bereit, weltweit, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Nun hatte diese Maschine zum ersten Mal die Kontrolle verloren wie ein Fahrer, dem auf eisglatter Fahrbahn die Bremsen blockieren. Die Maschine fuhr weiter, aber man konnte ihr nicht mehr die Richtung vorgeben.

Männer, die jahrelang vor allem über Motoren redeten, tun sich plötzlich schwer damit, über Motoren zu reden. Sechs Wochen haben vieles verändert in diesem Konzern. Winterkorn ist weg, der alte Kommunikationschef ist weg, Topmanager sind beurlaubt, es wird ermittelt. Die Frage, wer wann diese Software in die Motoren gepackt hat und wer alles davon wusste, ist noch lange nicht geklärt. Wie viele Milliarden Euro diese Affäre kosten wird und ob sie dem Konzern am Ende das Genick brechen könnte - alles ist offen.

Wer nach außen hin für den Konzern spricht, ist vorsichtiger geworden, einige wollen gar nicht mehr sprechen und kommunizieren lieber per E-Mail. Man sichert sich ab, niemand hat jetzt Lust, wegen eines falschen Halbsatzes den Job oder mehr zu riskieren. Was soll man auch sagen über die betrügerische Software in Dieselmotoren, die selbst die eigenen Leute im Konzern offenbar lange Zeit nicht kapiert hatten? Ausgerechnet jetzt? Und wem können sie noch vertrauen? "Uns wurde ja vor einem Jahr, als das Thema in den USA hochkam, womöglich auch nicht die ganze Wahrheit aus den technischen Abteilungen gezeigt", sagt einer, der jetzt kommunizieren muss, was die Techniker verbrochen haben.

Unternehmen, die derart in der Krise sind, verkünden als erstes eine neue Firmenkultur. Die lautet bei VW: Es soll nicht mehr gebrüllt werden. Und das aus gutem Grund: Wer nach Orientierung sucht, etwas Besseres schaffen will, brüllt nicht. Der schweigt und schaut sich um. Dies also ist das Klima, in dem wichtige Männer wie der neue Vorstandschef Matthias Müller und der alte Betriebsratsboss Bernd Osterloh einen neuen Führungsstil predigen, eine neue, modernere Konzernkultur.

"Wir brauchen für die Zukunft ein Klima, in dem Probleme nicht versteckt, sondern offen an Vorgesetzte kommuniziert werden", schreibt Osterloh im September in einem internen Schreiben an seine Leute. "Wir brauchen eine Kultur, in der man mit seinem Vorgesetzten um den besten Weg streiten kann und darf."

Zuhören sollen die Manger heute, sagt Osterloh, sagt auch Müller. Einfach mal: zuhören. Zuhören? Auf einmal? Geht das überhaupt so von heute auf morgen? Sie sollen Kritik üben, diskutieren und mitmachen. "Konstruktiv" und "disruptiv" sein, wie das Kommunikationstrainer so schön sagen. Es ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um disruptiv zu sein. Um sich neu zu orientieren, gerade jetzt, wo alles von Hausjuristen und externen Ermittlern überwacht wird. Ein Konzernmitarbeiter fasst die Lage heute so zusammen: "Die Leute arbeiten im Treibsand. Sobald sie sich bewegen, sacken sie weiter ab." Besser, sich gar nicht erst zu bewegen. Und nicht zu reden. Oder nichts Konkretes.

VW, der sprachlose Konzern, brauchte so Wochen, um Einfaches kompliziert zu kommunizieren. Und auch dann ist es noch keine Gesamtschau - sondern es sind eher Bruchstücke, Kommunikations-Konfetti. Ein Motorenskandal als Fortsetzungskrimi. Nur mal an einem Beispiel erzählt: an der Prüfzykluserkennung, also die Frage, wo und wie Dieselautos auf ihren Stickoxid-Ausstoß hin getestet werden. Auf die Nachfrage der SZ vom 30. September, warum elf Millionen Fahrzeuge betroffen seien, wenn die Betrugs-Software angeblich nur den US-Prüfzyklus erkenne, antwortet VW zunächst ausweichend: "Wir unterscheiden aber nicht nach Märkten, wenn es jetzt um das Löschen der betreffenden Erkennungssoftware und die Einhaltung der jeweils gültigen Normen geht." Wie bitte? Warum so kompliziert? Wollte man verhindern, ein Übergreifen des Betrugsverdachts auf Europa zu verhindern? Immerhin - es ging um einen kleinen, feinen Unterschied: Nur USA, das waren 500 000 Fahrzeuge. Europa, das wären an die 8,5 Millionen Autos zusätzlich - hochgerüstet mit einer speziellen europäischen Betrugs-Software.

Erst nachdem der Recherche-Verbund aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung immer wieder nachfragt, gibt VW schließlich am 6. Oktober offiziell zu: "Wir wissen jetzt, dass von der betroffenen Software beide Prüfstandsarten erkannt werden und bestätigen das auch." Zack, damit war die Katze aus dem Sack: VW hatte nicht nur die amerikanischen Behörden und Kunden hinters Licht geführt, sondern auch eine weitaus größere Zahl von Autokäufern und Zulassungsbehörden in Europa vorsätzlich getäuscht.

Es ist für die Ermittlungen wichtig, welche Motoren, Motorengenerationen und Autos betroffen sind. All das könnte Aufschluss darüber geben, wer von den rund 2500 Ingenieuren, Chemikern und Software-Spezialisten in der VW-Motorenentwicklung die Software in der Hand hatte. Oder zumindest jemanden kannte, der sie in der Hand hatte. Nicht nur die Software in den Dieselmotoren an sich ist eine tückische Sache - auch der sprachliche Umgang mit ihr. Es ist schwer, über Motoren zu sprechen, wenn die Sache nichts mehr mit PS-Marketing zu tun hat, sondern wenn es um Motoren geht, die betrügen.

So verwandelte sich Europas führender Autokonzern im Laufe der Wochen immer mehr in einen Hort der Technik-Stotterer. Das Prinzip: Botschaften in kleinste Informationseinheiten zerhäckseln, Schuldzuweisungen vermeiden. Eigentlich darf ich dir nichts sagen, aber ich sag dir trotzdem was. Es ist Krisen-PR im Zeichen der Juristen: Jeder offizielle Halbsatz muss dreimal gecheckt werden, selbst, wenn er am Ende kaum noch einen Sinn ergibt. Denn der nächste Jurist sitzt nur ein paar Zimmer weiter.

Ausgerechnet in den USA, wo der Skandal begann, ging der Konzern einen sehr direkten Weg. New York nur wenige Stunden, nachdem die Dieselaffäre an die Öffentlichkeit gekommen war. Michael Horn, seit Anfang vergangenen Jahres USA-Chef von VW, sollte den neuen Passat vorstellen, doch jeder wusste: Mit der großen PR-Show, so wie sie geplant war, wird das nun nichts mehr. Tatsächlich stellte sich Horn auf die Bühne in dieser stylischen Industriehalle in Brooklyn und sagte einfach: "Wir waren unehrlich. Um es auf gut Deutsch zu sagen: Wir haben Mist gebaut."

Bei der Aufklärung ist man heute noch nicht viel weiter als vor ein paar Wochen, aber Horn schaffte es trotzdem, in kürzester Zeit das Verhältnis zu den amerikanischen VW-Händlern zu kitten. Vor ein paar Tagen beim jährlichen Treffen der Autohausbetreiber in Orlando: Statt über den Autolieferanten aus dem fernen Wolfsburg herzufallen, scharen sich die Händler um ihren Amerika-Chef. Seitdem kann der drahtige 51-Jährige auftauchen wo er will - sie klopfen ihm auf die Schulter oder zücken ihr Handy, um sich mit dem Deutschen fotografieren zu lassen. "Wir glauben an Sie", sagt einer der Händler neulich in Orlando. "Toll, dass wir Sie an unserer Seite haben." Es ist wohl einfacher, die Sache in Florida durchzustehen, als zu Hause in Wolfsburg.

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