Volkswagen:VW-Kunden müssen sich mit ihren Klagen beeilen

Fusion VW/Porsche

VW-Modelle vor einem Autohaus: Besitzer eines abgasmanipulierten Fahrzeugs müssen sich beeilen, wenn sie noch gegen den Konzern klagen wollen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)
  • Ende des Jahres läuft die Frist aus, bis zu der VW-Käufer wegen ihrer abgasmanipulierten Autos klagen können.
  • Der Konzern versäumt es damit, den deutschen Kunden immerhin in einem Punkt entgegenzukommen.
  • Verbraucherschützer sind über das Vorgehen des Konzerns empört.

Von Markus Balser, Berlin

Viel hatte Volkswagen im Abgasskandal für seine Kunden bislang nicht übrig. Während US-Käufer manipulierter Autos Zahlungen von bis zu 10 000 Dollar Entschädigung bekommen, gehen die deutschen Käufer leer aus. Als kundenfreundlich zeigte sich der Konzern bislang nur in einem Punkt: VW hatte auf Druck von Verbraucherschützern die Gewährleistungsfrist für seine Autos freiwillig verlängert und versprochen, sich zunächst nicht auf die drohende Verjährung der Ansprüche zu berufen.

Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung läuft dieses bis Ende 2017 befristete Entgegenkommen nun wohl endgültig aus. In vertraulichen Gesprächen mit Verbraucherschützern lehnte der Konzern eine weitere Verlängerung ab. Was technisch klingt, hat weitreichende Folgen: Für die 2,5 Millionen betroffenen Kunden in Deutschland läuft damit der Countdown für juristische Schritte gegen das Unternehmen. Nur noch bis Ende des Jahres können Kunden demnach klagen. Egal ob Kaufpreis-Minderung, Schadenersatz oder Rücktritt vom Vertrag - danach sind die Gewährleistungsrechte futsch.

Der Konzern lässt damit eine weitere Chance aus, sein Image bei den eigenen Kunden zu verbessern und empört Verbraucherverbände. "Wir sind von der Haltung enttäuscht", sagt Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller. Eindringlich hatte er von VW eine weitere Verlängerung der Gewährleistung gefordert. "Immer noch warten etwa eine Million Autobesitzer in Deutschland auf die Umrüstmaßnahme", schrieb der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands im März an Volkswagen. Aus Sicht der Betroffenen sei diese Wartezeit unzumutbar.

Zudem sei die Rechtslage noch endgültig zu klären. Viele Gerichte haben bereits Urteile zu Gunsten von Kunden gefällt - die der VW-Konzern nicht akzeptiert. Bis zu einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) wird es drei bis vier Jahre dauern. VW solle deshalb bis zur höchstrichterlichen Klärung 2021 auf die Verjährung der Ansprüche verzichten. Doch der Konzern lehnt es nach Angaben des Verbands ab, auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu warten, auf das sich die Kunden berufen könnten. Aus Sicht der Verbraucherschützer spielt Volkswagen damit schlicht auf Zeit. Viele Gerichte hätten bereits Urteile zu Gunsten von Kunden gefällt, die VW nicht akzeptiert, sagt Müller. Das bedeutet: Viele der betroffenen Verbraucher in Deutschland könnten nicht von einem erwarteten BGH-Urteil profitieren, das es ihnen erleichtern könnte, zu ihrem Recht zu kommen. Sie müssten schon jetzt auf eigene Faust klagen und notfalls durch alle Instanzen gehen.

Offenbar setzt der Konzern darauf, dass viele Verbraucher den Aufwand scheuen, so lange es noch keine Rechtssicherheit gibt. Grundsätzlich gilt: Hat der Konzern in einem Auto die Betrugs-Software eingebaut (Dieselmotor des Typs EA189), haben Kunden das Recht auf Nachbesserung. Das hat auch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordnet. VW rüstet die Autos deshalb mit einer neuen Software aus, von der allerdings noch unklar ist, ob sie negative Nebenwirkungen für das Fahrzeug hat. VW hat keine Garantieerklärung zu Nachteilen bei Motorleistung und Kraftstoffverbrauch, bei Lebensdauer und zukünftigem Wartungsbedarf nach der Umrüstung abgegeben.

In vielen Fällen haben Kunden die Chance auf Schadenersatz

Juristen gehen aber davon aus, dass Kunden in vielen Fällen auch Chancen auf Schadenersatz oder eine Minderung des Kaufpreises haben. Es sei kein bloßer Sachmangel, wenn Autos deutlich mehr Stickoxid ausstießen als angegeben, sagt etwa der Anwalt und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum. "Wir sind überzeugt, dass dies den Tatbestand der vorsätzlichen Täuschung erfüllt." Baums Kanzlei Reiter & Collegen organisiert die internationale Car-Claim-Foundation in den Niederlanden, die von VW Schadenersatz oder die Rücknahme der Fahrzeuge verlangt. Verbraucherschützer empfehlen Betroffenen, vom eigenen VW-Händler nun schriftlich eine Verlängerung des Verjährungsverzichts zu fordern. Musterbriefe bietet der Verbraucherzentrale Bundesverband auf seiner Internetseite an. Werde dies abgelehnt, bleibe nur eine Klage.

Volkswagen bestätigte das Ende der Kulanzregelung. Der Konzern begründet den Schritt mit dem voraussichtlichen Ende der Umrüstungsaktion. "Die VW AG hat einen Verjährungsverzicht erklärt, um den betroffenen Kunden Rechtssicherheit während der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmten Umrüstung der betroffenen Dieselfahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 zu geben", teilt das Unternehmen mit. Dies erkläre auch, warum der Verzicht zeitlich auf den 31. Dezember 2017 begrenzt sei. Denn VW gehe davon aus, dass der Rückrufprozess im Herbst 2017 abgeschlossen sei. "Spätestens ab dem 31. Dezember 2017 ist deshalb der Grund für einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung weggefallen", heißt es weiter.

Dem Konzern könnte nun angesichts der auslaufenden Frist eine neue Klagewelle der eigenen Kunden drohen. Die Diesel-Affäre wird für VW damit zum juristischen Großkampf an mehreren Schauplätzen. Neben den Autobesitzern fordern auch Anleger von VW Schadenersatz für den Wertverlust ihrer Aktien. Daneben ermitteln Staatsanwälte in Deutschland wegen Betrugsverdachts. Auch in anderen Ländern laufen Untersuchungen.

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