Volkswagen-Anwalt:Ellenbogen aus Edelstahl

Porsche SE - Jahreszahlen 2015

Der US-Deal trägt seine Handschrift: Manfred Döss, Chefjurist von VW sowie enger Vertrauter der Familien Porsche und Piëch.

(Foto: Marijan Murat/picture alliance/dpa)

Manfred Döss hat den Vergleich mit der US-Justiz ausgehandelt - und damit einen großen juristischen Erfolg erzielt. Das Problem: Im Rest der Welt streitet VW seine Verfehlungen weiterhin ab.

Von Max Hägler und Klaus Ott, Detroit/München

Manfred Döss, ein Jurist für große Fälle, hat schon viele Urkunden unterzeichnet. Aber noch nie ein Dokument, das so wichtig und so teuer war. 11. Januar 2017, Volkswagen AG, Manfred Doess, General Counsel - das steht am Ende eines "Zertifikats". Generalanwalt. Genauso gut könnte es heißen: General. Das wird der Bedeutung von Döss bei VW weit mehr gerecht als sein formaler, offizieller Titel: Leiter Rechtswesen.

In der gerade mal zwei Seiten und 24 Zeilen langen Urkunde stimmt Döss im Namen von Volkswagen dem Vergleich des deutschen Autokonzerns in der Abgasaffäre mit der US-Justiz zu. Er bescheinigt den Amerikanern, niemand habe ihn oder Volkswagen zu dieser Einigung gezwungen, die das Unternehmen weitere 4,3 Milliarden Euro kostet. Alles geschehe freiwillig. Insgesamt muss VW nun in Übersee schon etwa 22 Milliarden Euro für manipulierte Schadstoffmessungen bei 558 000 Diesel-Fahrzeugen zahlen.

Der aus Rheinhessen stammende Döss wird im Februar 59 Jahre alt und hat schon viele juristische Schlachten geschlagen. Er ist der entscheidende Akteur für Volkswagen in den USA gewesen und hat mit seinen Leuten den Vergleich ausgehandelt. Gerade noch rechtzeitig, bevor der neue, unberechenbare Präsident Donald Trump an die Macht kommt. Der VW-Jurist, dem Anwaltskollegen "Ellenbogen aus Edelstahl" bescheinigen, hat einen großen juristischen Sieg errungen. Aber nur vorläufig. Und zu einem hohen Preis. Außerhalb der USA gibt Volkswagen weiterhin keine Verfehlungen zu, obwohl dort nach Erkenntnissen der Behörden genauso manipuliert wurde. Und das bei mehr als zehn Millionen Fahrzeugen.

Konzern gerettet, Glaubwürdigkeit verspielt?

Es sieht so aus, als hätten in der Abgasaffäre bei VW längst nicht mehr der Vorstand und der Aufsichtsrat das Sagen. Sondern die Juristen. Und bei denen vor allem einer: eben Döss. Der wird von einem Branchendienst seit Jahren schon zu den einflussreichsten Firmenanwälten in Deutschland gezählt, mit einem passenden Spruch. Was immer im Leben eines Konzernjuristen passieren könne, Döss habe es bereits erlebt. Der Anwalt, der keine Interviews gibt und außer bei Gericht öffentlich kaum in Erscheinung tritt, hat in der Tat bereits viel erlebt. Schon beim Anlagen-Hersteller MG Technologies und beim Energiekonzern RWE musste sich Döss um knifflige Fälle kümmern, die er teils auf unkonventionelle Weise zu lösen suchte. Und er bleibt immer im Hintergrund. Einer, der ihn gut kennt, beschreibt ihn so: Er schlägt seine Schlachten in Verhandlungsrunden und bei Gericht, aber nicht über die Medien.

Für Döss gab es bislang immer nur eine Richtung in seinem Leben: aufwärts. Jurastudium in Mainz, dort dann Assistent an der Universität, danach die Stationen MG und RWE, bevor ihn 2013 die Industriellenfamilien Porsche und Piëch anheuerten. Die standen damals als Hauptaktionäre mächtig unter Druck. Im Verlauf der Übernahmeschlacht einige Jahre vorher zwischen der kleinen Porsche AG in Stuttgart und dem großen Volkswagen-Konzern in Wolfsburg, war angeblich der Börsenkurs von VW manipuliert worden, so der Verdacht von Aktionären und Staatsanwälten. Der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking kam vor Gericht. Investoren klagten auf Schadenersatz in Milliardenhöhe.

Das Imperium der Porsches und Piëchs war in Gefahr. Doch Döss, der nun im Hintergrund die Fäden zog, wehrte alle Angriffe ab. Bislang jedenfalls. Wiedeking wurde freigesprochen. Und die klagenden Aktionäre gingen bislang leer aus. Wolfgang Porsche, Oberhaupt seines Clans, geriet ins Schwärmen. Döss sei ein "höchst versierter Jurist", der klug und konsequent verteidige. Als im Herbst 2015 die Abgasaffäre bei VW begann, war für die beiden Familien schnell klar: Auch da muss Döss ran. Die Porsches und Piëchs beriefen ihn in den Vorstand ihrer Familienholding, in der die VW-Aktien der beiden Clans liegen. Und sie schickten ihn nach Wolfsburg. Dort arbeitet Döss formal unter der von Daimler geholten Ex-Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, die das Vorstandsressort Recht bekam. Doch diese Hierarchie steht wohl nur auf dem Papier.

Sicher ist nur eines: Döss wird dieser Fall noch lange beschäftigen

Der US-Deal trägt die Handschrift von Döss. Volkswagen bekennt sich nur in Übersee schuldig, sonst nirgendwo. Und in den USA werden einstweilen auch nur sechs VW-Manager von der zweiten Reihe abwärts angeklagt. Der Konzernvorstand um den langjährigen Chef Martin Winterkorn kommt jenseits des Atlantiks bislang davon. Für Volkswagen bedeutet das: Gelegenheit zum Durchatmen. Die vielen Aktionäre, die den Konzern in Deutschland und den USA auf bald zehn Milliarden Euro Schadenersatz für die Kursverluste ihrer Papiere verklagen, haben das Nachsehen. Ihnen bringen die wenigen, von der US-Justiz nun öffentlich präsentierten Ermittlungsergebnisse so gut wie gar nichts. Weil es Döss gelungen ist, vieles einzugrenzen. Und weil die US-Justiz die mehrere Millionen Seiten umfassenden Ermittlungsakten unter Verschluss hält.

Ein Erfolg für Döss, ein Erfolg für VW, aber zu welchem Preis? Vorstand und Aufsichtsrat sprechen von "Handlungen", die man bedauere, von "Dieselkrise" und "Dieselthematik". Sie reden nicht Klartext, wofür es wohl nur eine Erklärung gibt. Weil die Juristen das nicht wollen, damit VW nicht auch außerhalb der USA juristisch angreifbar wird. Die Chance zum weltweiten Befreiungsschlag in der Affäre wird so vertan. Der juristische Erfolg, den Döss in den USA erzielt hat, könnte sich noch als Pyrrhussieg erweisen.

Sicher ist nur eines: Döss wird dieser Fall noch lange beschäftigen.

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