Volkswagen:Abgasaffäre könnte für VW in Deutschland richtig teuer werden

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Was kommt denn noch alles? Nun droht in Deutschland ein hohes Bußgeld. (Foto: dpa)
  • In den Bestimmungen im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten steht sinngemäß, dass der "wirtschaftliche Vorteil", den ein Täter aus einem Verstoß erzielt hat, vollständig abgeschöpft werden kann.
  • VW droht also schon wieder eine Strafe.

Von Klaus Ott, München

Volkswagen muss sich wegen der Abgas-Affäre weltweit mit vielen Paragrafen herumschlagen. Dazu gehört jetzt auch eine Vorschrift, die in Deutschland Folgen für den Autokonzern haben könnte. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig teilte dem VW-Vorstand mit, gegen das Unternehmen laufe ein Bußgeldverfahren. Zu den einschlägigen Bestimmungen im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gehöre der Paragraf 17, Absatz vier. Diese Vorschrift besagt sinngemäß, dass der "wirtschaftliche Vorteil", den ein Täter aus einem Verstoß erzielt hat, vollständig abgeschöpft werden kann.

Für VW bedeutet das: Dem unter Druck geratenen Autokonzern droht wegen manipulierter Schadstoffwerte bei Diesel-Fahrzeugen die nächste Strafe. Nicht so schlimm wie in den USA, wo Volkswagen 15 Milliarden Dollar an Schadenersatz und Bußen zahlen muss. Aber einige Hundert Millionen Euro könnten es in Deutschland schon werden.

Siemens musste für seine weltweiten Schmierereien fast 600 Millionen Euro zahlen

Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe von der Braunschweig Ermittlungsbehörde bestätigte am Freitag auf Anfrage von SZ, NDR und WDR: "Wir haben ein Bußgeldverfahren gegen VW eingeleitet." Es gehe dabei um zwei Aspekte. Um die Ahndung eventueller Ordnungswidrigkeiten durch Geldbußen. Sowie, darin inbegriffen, gegebenenfalls auch um die "Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils", den VW durch den weltweiten Verkauf von elf Millionen Fahrzeugen mit mutmaßlich manipulierten Schadstoffwerten gehabt haben könnte, so Ziehe. Genau das macht dieses Verfahren für Volkswagen so unangenehm. Hätte VW bei den elf Millionen Fahrzeugen nicht manipuliert, sondern in eine funktionierende Abgas-Reinigung investiert, dann wären die Gewinne vermutlich viel geringer ausgefallen. Diesen Unterschied, diesen Betrag, den könnte die Staatsanwaltschaft Braunschweig von VW kassieren. Sofern sich am Ende des Verfahrens vor Gericht herausstellt, dass Volkswagen gegen Recht und Gesetz verstoßen hat. Aber das hat der Konzern ja schon längst zugegeben.

Nun gibt es keine Formel, mit der sich so einfach berechnen ließe, welchen Profit der Autokonzern aus den Manipulationen gezogen hat. Aber es gibt Erfahrungswerte für den Paragrafen 17, Absatz vier. Der Industriekonzern Siemens und die VW-Tochter MAN haben früher weltweit Regierungen, Beamte oder Geschäftspartner bestochen, um lukrative Aufträge zu bekommen. Nachdem das aufgeflogen war, musste Siemens knapp 600 Millionen Euro Bußgeld zahlen. Bei MAN waren es 150 Millionen Euro. In beiden Fällen schöpfte die Münchner Staatsanwaltschaft auf diese Weise illegal erzielte Gewinne ab. Die Ermittler und die Unternehmen rechneten hin und her, um welche Beträge es gehe. Und einigten sich, weil beide Seiten lange Prozesse mit ungewissem Ausgang vermeiden und weil die Konzerne nach vielen unangenehmen Schlagzeilen endlich Ruhe haben wollten. So könnte es auch bei VW kommen, nachdem das bereits bei MAN so gelaufen war. Der VW-Tochter in München, die Lastwagen und Busse herstellt. Eine frühere MAN-Tochter wiederum, Ferrostaal, musste 149 Millionen Euro zahlen. Ebenfalls wegen Schmierereien.

Unter Juristen gilt die Regel, die jetzt bei VW angewendet wird, als "Sprengsatz"

Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ist eine spezielle Variante des deutschen Justizwesens. Es ermöglicht Staatsanwaltschaften und Gerichten, Konzerne mit hohen Zahlungen zu belangen. Wobei das eigentliche Bußgeld stark begrenzt ist. Auf maximal eine Million Euro pro Delikt und Jahr bis Mitte 2013. Seither sind zehn Millionen Euro pro Jahr möglich. Für die Abgas-Manipulationen bei VW, die offenbar 2008 begannen und bis 2015 liefen, könnte die Braunschweiger Staatsanwaltschaft also allenfalls wenige zehn Millionen Euro als reine Strafmaßnahme verhängen. Die Braunschweiger Behörde ist für den im benachbarten Wolfsburg ansässigen Konzern zuständig. Wegen einer Anzeige von VW ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits seit Herbst vergangenen Jahres gegen inzwischen knapp 20 Manager und Mitarbeiter von Volkswagen; vor allem wegen Betrugsverdachts. Getäuscht worden sein sollen die Käufer der manipulierten Diesel-Fahrzeuge.

Nun kommt das Bußgeld-Verfahren gegen VW hinzu. Mit der Besonderheit, dass auch die mutmaßlich illegal erzielten Gewinne abgeschöpft werden sollen. "Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen", schreibt Paragraf 17, Absatz vier, vor. Unter Juristen gilt diese Regel als eigentlicher "Sprengsatz" bei solchen Verfahren. Siehe Siemens, siehe MAN, siehe Ferrostaal. Andere Unternehmen in Deutschland wie Rheinmetall, Linde und mehrere Banken hat diesen Paragraf immerhin zweistellige Millionenbeträge gekostet. Im Fall VW soll sich jetzt erst mal der Konzern äußern. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Volkswagen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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