Volkswagen:Abgas-Affäre: "Kein Geständnis"

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VW erklärt bei Gericht, man habe nie Verstöße in Europa zugegeben. Der gegnerische Anwalt spricht von "Satire".

Von Klaus Ott und Katja Riedel, München

Beim Landgericht Paderborn häufen sich in diesen Wochen und Monaten spektakuläre Verfahren. Verdacht auf Brandstiftung, mutmaßliche Mordfälle einschließlich des "Horrorhauses von Höxter". Und ein sogenannter Reichsbürger, der sich wegen Waffenbesitzes verantworten musste. Jetzt wird dort, in der Region Ostwestfalen-Lippe, auch noch über die Abgas-Affäre von Volkswagen verhandelt. Ein VW-Besitzer klagt auf Schadenersatz, weil sein Diesel-Fahrzeug, ein Tiguan 2.0 TDI, wegen manipulierter Schadstoffmessungen an Wert verloren habe. Das Landgericht Paderborn hat für den 14. November, den übernächsten Montag, einen Termin angesetzt.

Das Verfahren hat es in sich. Die VW-Anwälte behaupten in langen Schriftsätzen, der Autokonzern habe in Europa mitnichten manipuliert. Anders als in den USA gibt Volkswagen also nichts zu, sondern streitet alles ab. Im Prinzip sagt der Konzern, in Europa gebe es gar keine Affäre. Hier sei alles in Ordnung. Das hat Volkswagen am Donnerstag auf Anfrage von SZ, NDR und WDR sogar noch einmal bekräftigt. Was in Paderborn verhandelt wird, das hört sich ganz anders an als das, was der Autokonzern bislang öffentlich erklärt hat. Und es könnte entscheidend sein für den Ausgang der Affäre. Oder eben Nicht-Affäre - so die Sichtweise von Volkswagen.

Über diese Sichtweise hatte Focus Online bereits Mitte Juni berichtet, anhand eines damaligen VW-Schriftsatzes für das Landgericht. "Irrer Argumentations-Trick von VW", lautete die Überschrift bei Focus Online. Wellen schlug das allerdings nicht. Vielleicht deshalb, weil sich alles auf das VW-Aktionärstreffen am 22. Juni in Hannover fokussierte. Dort erklärte Vorstandschef Matthias Müller, es schmerze ihn "ganz persönlich, dass bei uns mit den Software-Manipulationen an Dieselmotoren Regeln gebrochen und ethische Grenzen überschritten wurden". Müller bat die Aktionäre um Entschuldigung.

Das klang, wie vieles andere vorher aus dem Hause VW, nach einem Eingeständnis: Volkswagen habe gegen Gesetze verstoßen, bei allen weltweit mehr als elf Millionen Fahrzeugen mit der fraglichen Software. Doch weder mit Müllers Rede in Hamburg noch mit ähnlichen Äußerungen von Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch bei früherer Gelegenheit hat Volkswagen nach eigener Darstellung Rechtsbrüche in Europa zugegeben. In einem weiteren Schriftsatz der VW-Anwälte vom 5. Oktober 2016 an das Landgericht Paderborn steht, es gebe "kein Geständnis" des Autokonzerns. Volkswagen habe kein gesetzeswidriges Verhalten eingeräumt, sondern lediglich von "Unregelmäßigkeiten" gesprochen. Äußerungen wie die von Pötsch seien "nicht rechtstechnisch gemeint". Der Aufsichtsratschef hatte Ende 2015 bei einer Pressekonferenz zur Abgas-Affäre gesagt, "kein Geschäft rechtfertigt es, dass gesetzliche und ethische Grenzen überschritten werden".

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Tobias Ulbrich, der beim Landgericht Paderborn den Tiguan-Besitzer und Kläger vertritt, spricht von "Stilblüten" des Autokonzerns. Was VW behaupte, grenze eher an Satire. Ulbrich hat seinerseits in einem Schriftsatz angekündigt, Strafanzeige wegen eines Anfangsverdachts von versuchtem Prozessbetrug zu stellen, sollte das Landgericht Paderborn den Fall nicht von sich aus der zuständigen Staatsanwaltschaft vorlegen. Was Volkswagen bei der Justiz vortrage, stelle eine "ungeheuerliche Missachtung" der Wahrheitspflicht in diesem Verfahren dar, schreibt Ulbrich. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt verweist unter anderem auf Äußerungen des früheren Konzernchefs Martin Winterkorn. Der hatte im September 2015 kurz nach Beginn der Abgas-Affäre seinen Rücktritt erklärt. Er sei "fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren", sagte Winterkorn damals.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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