Verzögerte Auslieferung von Büchern:Verlag verschärft Vorwürfe gegen Amazon

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Der Internethändler soll noch mehr Bücher absichtlich verzögert ausliefern. Amazon widerspricht scharf - und macht überraschend offen seine Position klar.

Von Jannis Brühl

Der Streit zwischen deutschen Verlagen und Amazon wird härter. Die Verlagsgruppe Bonnier wirft dem Versandhändler vor, noch mehr Bücher verzögert auszuliefern. "Die Zahl der Titel der Backlist, die sanktioniert werden, hat sich erhöht. Außerdem sind die Verzögerungen länger geworden", sagt Christian Schumacher-Gebler, Geschäftsleiter von Bonnier Media Deutschland, der SZ. Zu der Verlagsgruppe gehören unter anderem Ullstein, Carlsen und Piper. Bonnier steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung, der Verlag will Amazon bei E-Books nicht den gewünschten Rabatt geben.

Amazon, eigentlich notorisch verschwiegen, äußert sich nun konkreter. Eine Sprecherin bestreitet in einer E-Mail an die SZ, dass Bücher von Bonnier bewusst verspätet geliefert würden: "Diese Behauptung ist nicht wahr. Titel, die wir vorübergehend nicht auf Lager haben, können Kunden nach wie vor bestellen - woraufhin wir diese Titel dann bei Bonnier ordern. Die Lieferzeit solcher Titel ist dementsprechend davon abhängig, wie lange Bonnier benötigt, um unsere Bestellungen auszuführen." Dennoch gibt sie zu: Von einigen Bonnier-Titeln kaufe man "derzeit weniger Lagerbestand ein als wir dies normalerweise tun würden".

In der Branche heißt es, dass Bücher händisch blockiert würden, die Amazons System eigentlich automatisch nachbestellen sollte. Amazon selbst fordere sie erst wieder von Bonnier an, wenn Leser sie bestellten. Dass aber wegen der leeren Lagerbestände Lieferzeiten von bis zu zehn Tagen angegeben werden, schrecke viele potentielle Leser ab.

50 Prozent Rabatt für den Versandhändler?

Die Rede ist davon, Rabatte für E-Books von derzeit 30 auf bis zu 50 Prozent zu erhöhen. Amazon gibt mittlerweile ganz offen zu, dass es von Bonnier höhere Nachlässe auf E-Books will. Es gebe gute Gründe für diese Forderung, schreibt die Sprecherin: "Es ist allgemein anerkannt, dass E-Books für Kunden günstiger sein sollten als die entsprechende Printversion, denn bei digitalen Büchern entfallen Druck- und Frachtkosten, Lagerung und Retouren. Wir glauben, dass sich dieser Umstand auch in den Konditionen widerspiegeln sollte, zu denen Buchhändler bei Verlagen einkaufen."

Das ist allerdings eine gewagte Argumentation: Es geht in der Debatte ja gar nicht um den Preis, den Endkunden zahlen müssen, sondern darum, wer mehr vom Erlös bekommt, die Verlage oder Amazon.

Wollen die Verlage wirklich zu viel Geld für E-Books? Ihre Manager rechnen vor, dass die niedrigeren Kosten für elektronische Bücher wieder aufgefressen würden - weil Autoren und ihre Agenten dafür einen größeren Teil am Erlös wollten. Denn die digitalen Vertriebswege geben auch ihnen mehr Verhandlungsmacht. Sie könnten gar direkt zu Amazon abwandern. Der Konzern ist längst selbst Verleger und versucht, Autoren für sein Self-Publishing-Programm anzuwerben. Dafür bietet er ihnen bis zu 70 Prozent des Verkaufspreises als Honorar für E-Books - deutlich mehr als die Verlage.

Hinzu komme, argumentiert die Buchbranche, dass die Mehrwertsteuer auf E-Books mit 19 Prozent deutlich höher liege als die für gedruckte Bücher, die 7 Prozent beträgt. Dadurch schmelze der Erlös zusammen, den der Verlag für E-Books erhalte. Der Unterschied zur gedruckten Version liege dadurch maximal bei wenigen Cent.

Allerdings führt Amazon derzeit sogar nur 3 Prozent ab. Die Amazon-Tochter, über die elektronische Ware abgerechnet wird, sitzt in Luxemburg. Deshalb fällt nur der dortige niedrige Steuersatz an. Anfang 2015 schließt sich dieses Steuerschlupfloch allerdings, das ist bereits beschlossen. Deswegen verhandeln die Verlage mit Amazon schon jetzt, als gelte bereits der Satz von 19 Prozent.

Unabhängig davon hat die Bundesregierung versprochen, bei der EU darauf hinzuarbeiten, E-Books steuerlich mit Büchern gleichzustellen. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent, der für gedruckte Bücher schon jetzt gilt, soll künftig auch für elektronischen Lesestoff fällig werden.

"Erpresserisches Vorgehen"

Für Verkäufe an den Leser halten sich die meisten Verlage auch bei E-Books an die Preisbindung, der Börsenverein des deutschen Buchhandels droht Abweichlern mit Abmahnungen. Die Verlage entscheiden, was ein Exemplar kosten soll. Bonniers Geschäftsleiter Schumacher-Gebler betont, dass E-Books seiner Verlagsgruppe generell billiger seien als die entsprechenden Printversionen.

Die Verlage wehren sich mit harten Mitteln gegen Amazon. Der Börsenverein hat wegen des Falls Bonnier Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht, um das "erpresserische Vorgehen" Amazons zu unterbinden.

Nicht unerwähnt lässt die Amazon-Sprecherin in ihrer E-Mail, dass Bonnier "Teil des internationalen Drei-Milliarden-Euro-Medienkonglomerats Bonnier Media Group AB" sei. Offensichtlich will das Unternehmen den Eindruck vermeiden, dass ein böser Großkonzern kleine Verlage ausnehme, und stattdessen klarmachen, dass auf Augenhöhe verhandelt werde.

Viele Verlage sehen das anders. Amazon ist der wichtigste Händler von Print- wie Elektro-Büchern. Fast die Hälfte der in Deutschland verkauften E-Reader sind Kindles von Amazon, der Konzern dominiert den Versandbuchhandel. Sein Anteil am gesamten Buchmarkt - inklusive stationärem Handel - ist aber deutlich geringer. Dafür funktionieren Buchläden dann doch noch zu gut.

Linktipp: Eine Verteidigung Amazons lesen Sie hier.

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