Versicherungsbranche:Saubermann in Not

Versicherungsbranche: Wegen Bestechungsvorwürfen in der Krise: Versicherer Debeka

Wegen Bestechungsvorwürfen in der Krise: Versicherer Debeka

(Foto: Imago Stock&People)

Die Bestechungsvorwürfe gegen die Debeka sind nur der jüngste Aufreger in der skandalgeprüften Versicherungsbranche. Denn wo mit einer einzigen Unterschrift Tausende Euro zu verdienen sind, tauchen immer wieder Glücksritter auf.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger

Nur mühsam kann mancher Vorstand eines privaten Krankenversicherers in diesen Tagen seine heimliche Freude unterdrücken. Ausgerechnet die Debeka erwischt der jüngste Skandal um den Versicherungsvertrieb, ausgerechnet ihren Chef Uwe Laue, den saubersten Saubermann der Branche, der seit Mitte des Jahres auch Vorsitzender des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV) ist.

Es war Laue, der in den vergangenen Jahren immer wieder unsaubere Vertriebspraktiken angegriffen hat - bei der Konkurrenz. Laue hat eine große Rolle dabei gespielt, dass seine Branche bei der Politik vorstellig wurde und eine Höchstgrenze von neun Monatsbeiträgen als Provision für die PKV durchgesetzt hat, sehr zum Ärger von Konkurrenten.

Die Debeka galt als Musterknabe: fest angestellte Vertriebler mit eher niedrigen Provisionen, geringe Abschlusskosten, Ablehnung aller Verträge, die durch windige Strukturvertriebe vermittelt wurden.

Risse im Saubermann-Bild

Jetzt hat das Saubermann-Bild erhebliche Risse bekommen. Laue muss sich gegen Vorwürfe verteidigen, Debeka-Mitarbeiter hätten Beamte bestochen, um an Adressen von Beamtenanwärtern - potenziellen Kunden also - zu kommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Handelsblatt wirft der Debeka weiter vor, sie habe die deutsche Beamtenschaft unterwandert und lasse Tausende Beamte gegen Erfolgsprämie neue Mitglieder werben.

Laue wehrt sich. "Wir wurden 1905 als Versicherungsverein von Beamten für Beamte gegründet," sagt er. "Wir haben nicht die deutsche Beamtenschaft unterwandert, wir sind aus ihr entstanden." Nach wie vor sei die Debeka eine anerkannte Selbsthilfeeinrichtung für Beamte.

Ehrbare Selbsthilfeeinrichtung von Beamten? Oder "Zustände wie im Drogenhandel", wie das Handelsblatt schreibt? Laue selbst hat die Finanzaufsicht Bafin eingeschaltet und die Wirtschaftsprüfer von KPMG mit einer Untersuchung beauftragt. Was immer das Ergebnis sein wird: der Ruf des größten privaten Krankenversicherers ist schon jetzt ramponiert.

Auch andere Versicherer im Visier

Mit ihrer Nähe zu Beamten ist die Debeka nicht allein. Die HUK-Coburg, Deutschlands größter Autoversicherer, hat 4000 nebenberufliche Vertrauensleute, die gegen Provision Versicherungen verkaufen. "Davon arbeiten rund 2000 im öffentlichen Dienst", sagt Sprecher Thomas von Mallinckrodt. Und: "Es gilt eine klare Trennung von Beruf und Beratung, während der Dienstzeit darf nicht beraten werden."

Die Deutsche Beamtenversicherung (DBV), die inzwischen zur Axa gehört, hat keine Vertrauensleute, sondern Gruppenverträge mit dem Beamtenbund und dem Bundeswehrverband. Mitglieder dieser Organisationen haben Sonderkonditionen, die Verbände werben für den Versicherer - und Servicegesellschaften der Verbände bekommen Provisionen.

Öffentliche und private Kliniken sind eng verquickt mit dem DUK, dem Dachverband der Unterstützungskassen für Deutsche Krankenhäuser (DUK). Dahinter steckt der Makler Ulrich Pfaffelhuber. Er konnte CDU-Bundestagsabgeordnete, ein Mitglied des Verdi-Gewerkschaftsvorstands und führende Mediziner großer Kliniken für seinen Beirat gewinnen. Aufwandsentschädigung pro Sitzung: 3000 Euro. Pfaffelhuber vermittelt über den DUK Verträge für die betriebliche Altersversorgung von Klinikmitarbeitern an Versicherer wie Gothaer, Axa und Ergo - und berechnet dafür in der Regel doppelt so hohe Provisionen wie andere Anbieter. Die Provisionen zahlen die Mitarbeiter mit ihren Beiträgen, die ohnehin mageren Betriebsrenten sind kleiner. Der hochkarätige Beirat verleiht dem DUK Legitimität.

Beiräte, Aufsichtsräte und Mitgliedervertretungen sind beliebt. Im Beirat der Axa-Tochter Deutsche Ärzte Versicherung sitzen neben Bundesärztekammerchef Frank Ulrich Montgomery 15 weitere Größen aus Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerverbänden. In der Mitgliedervertretung der Signal-Iduna tummeln sich Geschäftsführer von Handwerkskammern.

Wie eng sich die Versicherungsbranche an ihre Zielgruppen heranpirscht

All das ist völlig legal. Es zeigt aber, wie eng die Versicherungsbranche sich an ihre Zielgruppen herangepirscht hat. Der Debeka-Vorfall sticht dadurch hervor, dass strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden. Beamtenbestechung ist keine Kleinigkeit.

In den Augen vieler Bürger handelt es sich einfach um einen weiteren Versicherungsskandal. Er reiht sich ein in die Serie von Berichten über die Sexreise nach Budapest, die Ferraris des Krankenversicherungs-Vermittlers Mehmet Göker, Falschberatung und Umdeckungen von Verträgen zu Lasten des Kunden.

In allen Vertriebsformen gibt es Sumpfblüten. Dass es gerade bei Versicherungen zu besonders vielen Exzessen kommt, hat gute Gründe. In seinem ganzen Leben fällt ein nicht besonders begüterter Privatmensch nur selten eine so wichtige ökonomische Entscheidung wie die für eine Lebens- oder Krankenversicherung. Da kann es leicht um 50.000 Euro oder 100.000 Euro gehen, die er insgesamt einzahlen muss.

Tausende Euro - Für eine Unterschrift

Wenn ein geschickter Vertriebler durch eine einzige Unterschrift eine Abschlussprovision von mehreren Tausend Euro erzielen kann, lockt das auch Glücksritter an. Und es finden sich genügend Versicherer, die diese besondere Art Vertriebsmitarbeiter und Organisationen gerne beschäftigen.

Der Debeka-Skandal wird nicht der letzte in der Versicherungswirtschaft sein. Denn die Branche steckt im Umbruch - und der fördert so manche unappetitliche Altlast ans Licht. Nach Ansicht der Verbraucherschützer ist das System der hohen Abschlussprovisionen das Kernproblem. Der Großteil der Verbraucher sei falsch versichert, sagt Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Viele haben überflüssige Policen, während wichtige Versicherungen fehlen", sagte sie. Der Grund: "Für die Policen, die Versicherer gern haben wollen, fließen hohe Provisionen." Dazu gehören Lebensversicherungen. "Für die Verträge, die wirklich wichtig sind, wie Haftpflichtpolicen, bekommen Vermittler fast nichts."

Manche Verbraucherschützer würden gerne das Provisionssystem ganz abschaffen und durch eine Honorarberatung ersetzen, bei der die Kunden einen neutralen Berater direkt bezahlen - und nicht einen Vertreter indirekt über Beitrag und Provision. Die Versicherer fürchten einen Umsatzeinbruch und wehren sich mit Händen und Füßen. Aber sie wissen, dass etwas geschehen muss. Aus der Branche selbst kommt der Vorschlag, die Provisionen in der Lebensversicherung per Gesetz zu deckeln, wie das für die PKV schon gilt. Und die Versicherer haben sich einen Verhaltenskodex gegeben, der Exzesse im Vertrieb verhindern soll.

Doch ohne Abschaffung zumindest der hohen Abschlussprovisionen wird er kaum nachhaltig wirken.

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