Versicherungsbranche:Die bequemen Zeiten sind vorbei

Start-ups setzen die etablierten Versicherungskonzerne und ihre eingespielten Geschäftsmodelle unter Druck. Die Allianz will mit digitalen Lösungen dagegenhalten.

Von Patrick Hagen, Köln

Die Versicherungswirtschaft ist lange von Angreifern aus dem Lager der Start-ups verschont geblieben. Das ist vorbei. Immer mehr Fintech-Unternehmen spezialisieren sich auf die Branche. Marius Blaesing ist einer der Herausforderer. Der 25-jährige Physiker ist Mitgründer von Getsafe. Das Unternehmen Plan Forward bietet mit Getsafe eine App an, mit der Nutzer die Daten über ihre Versicherungsverträge auf dem Smartphone verwalten können. Dafür schließen die Kunden einen Maklervertrag mit dem Unternehmen ab.

Auf der SZ-Fachkonferenz "Versicherung und Internet" zeigt sich Blaesing angriffslustig. Er empfiehlt den Versicherern, sich mit ihrem Geschäftsmodell auf die reine Absicherung der Risiken zu beschränken. "Vielleicht würde es den Versicherern gut tun, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und Marketing und Vertrieb anderen zu überlassen", sagt er. In anderen Branchen gebe es das längst.

Blaesing glaubt, dass seinem Unternehmen das geänderte Kundenbedürfnis in die Hände spielen wird. "Wir sind ein neuer Vertriebskanal für eine junge und zahlungsbereite Zielgruppe, die können Sie über Versicherungsvertreter nicht mehr abholen", sagt er. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Interaktion zwischen Versicherer und Kunde auf dem Smartphone basiere. Zurzeit hat das Unternehmen erst eine vierstellige Zahl von Kunden. Die genaue Zahl will Blaesing nicht nennen. Aber Getsafe wächst - und es hat prominente Unterstützer. Zu den Kapitalgebern gehören Rocket Internet, der Gründer des Vergleichsportals Check24, Henrich Blase, sowie Oliver Roskopf, der frühere Marketingchef beim Online-Versand Zalando.

An Geld fehlt es also nicht. Aber möglicherweise an Funktionalität. Blaesing muss eingestehen, dass Kunden mehrere Wochen warten müssen, bis sie ihre Verträge in der App verwalten können. "Davon ist aber 99 Prozent Warten auf den Versicherer." Er beklagt das Fehlen von einheitlichen und umfassenden Schnittstellen für den Datenaustausch mit dem Versicherer.

Start-up-Gründer Dominik Groenen sieht das Geschäftsmodell von Plan Forward kritisch. "Das wird so nicht funktionieren." Groenen setzt mit seiner Firma MassUp, die Schnittstellen entwickelt, auf die enge Kooperation mit den Versicherern. Ingo Marjan von der Beratungsfirma SMP findet den Ansatz der Online-Makler gut. "Der Versuch die Kundenschnittstelle zu besetzen, ist schon der richtige", sagt er.

Die Versicherer haben die anstehenden Veränderungen erkannt. Beim Versicherungskonzern Allianz spielt die Italien-Tochter eine Vorbildrolle bei der Digitalisierung. Dort steht das Fastquote genannte System im Zentrum: Der Kunde beantwortet zwei Fragen und bekommt fast in Echtzeit ein Angebot für die Autoversicherung. Das System ist rund um die Uhr verfügbar.

Nun will die italienische Allianz noch einen Schritt weiter gehen. Sie testet das System Socialquote. Dafür muss der Kunde dem Versicherer Zugriff auf Social-Media-Daten, etwa von Facebook geben. "Wir sind dann in der Lage, nur mit einer Angabe, dem Nummernschild, eine Quotierung zu erstellen", erläutert Vorstandschef Klaus-Peter Röhler. Bei den Daten handele es sich zum Beispiel um Wohnort und E-Mail-Adresse.

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