Versicherungsbranche:Mehr als eine Poststelle

Weil der Brexit ansteht, suchen sich viele Versicherer neue Standorte mit einer laxen Versicherungsaufsicht, unter anderem in Luxemburg und Belgien. Die europäische Versicherungsaufsicht schaut deshalb genau hin.

Von Herbert Fromme, Frankfurt

Views Of Luxembourg Financial District As City Seeks To Lure Post Brexit Firms

Ein Zug passiert die Pulvermühle in Luxemburg. Im Hintergrund das Kirchberg-Plateau, wo viele Finanzinstitute sitzen.

(Foto: Jasper Juinen/Bloomberg)

Luxemburg ist bislang nicht als Versicherungszentrum bekannt, aber bei Londoner Versicherern, die gerade Töchter in der künftigen EU ohne Großbritannien gründen, spielt das kleine Land als Sitz nun eine große Rolle. Auch Dublin und Brüssel sind beliebt. In der belgischen Hauptstadt richtet der große Londoner Versicherungsmarkt Lloyd's eine Gesellschaft ein. In Deutschland dagegen hat bislang nur ein einziger Versicherer ein neues Unternehmen gegründet: die Firma Markel, die ohnehin schon mit einer Niederlassung in München vertreten war. Auch Frankreich und Italien spielen bei der Zielauswahl der Versicherer keine Rolle, obwohl sie neben Deutschland die größten Märkte im künftigen Geschäftsgebiet der Brexit-Flüchtlinge sind.

Die Unternehmen geben keine Auskunft darüber, nach welchen Kriterien sie den künftigen EU-Standort auswählen. Steuerliche Gründe spielen bestimmt eine Rolle. Aber Versicherungsexperten weisen darauf hin, dass die Neuankömmlinge in den ausgewählten Standorten offenbar mit einer laxeren Versicherungsaufsicht rechnen.

Genau das sollte in der EU eigentlich nicht passieren, die sich die Vereinheitlichung der Aufsichtsregeln auf die Fahnen geschrieben hat. Jetzt will die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa nachprüfen, ob die Behörden in den Mitgliedsländern die vereinbarten Regeln auch umsetzen.

Die Gefahr: Verträge, die jetzt geschlossen werden, könnten im Mai 2019 ihre Gültigkeit verlieren

Dazu gehört, dass die Firmen ihren echten Sitz in dem Zielort haben müssen und nicht nur eine Poststelle, die Briefe und E-Mails nach London weiterleitet. "Briefkastenfirmen sollten nicht akzeptiert werden", sagt der Eiopa-Vorsitzende Gabriel Bernardino auf der jährlichen Fachkonferenz seiner Behörde. "Zu einer soliden Aufsicht gehört, dass bei diesen Firmen Managementfunktionen und weitere Kernaufgaben vor Ort wahrgenommen werden." Dazu kommt die Frage, wie viele der versicherten Risiken tatsächlich von der neuen Tochter versichert werden und wie viele einfach an die Mutter in London über das Instrument der Rückversicherung weitergeleitet wird.

Bernardino hat noch eine andere Botschaft an Versicherer in der EU, einschließlich Großbritannien. Alle sollten sich auf einen "harten Brexit" vorbereiten. Das sei der einzig vernünftige Weg. Denn viele Verträge, die jetzt abgeschlossen werden, gelten für mehrere Jahre. Wenn ein deutsches Unternehmen jetzt bei einem britischen Versicherer eine Deckung kauft, könnte es im Mai 2019 ohne Versicherung dastehen - denn bei einem harten Brexit wäre diese Form der Absicherung über Nacht verboten.

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