Versicherungen:Trügerische Sicherheit

Wandbild an der Hausfassade des Bremer AWO Hauses an der Straße Auf den Häfen Es zeigt ein altes Eh

Wer 35 Jahre Beiträge bezahlt hat, bekommt einen Zuschlag: Rentner als Fassadenbildmotiv in Bremen.

(Foto: Eckhard Stengel/imago)

Statt nur Policen zu schreiben, vertreiben Assekuranzen Schutzprodukte gegen Einbrüche - mit Mängeln.

Von Anna Gentrup, Köln

Morgens strahlt die Nachttischlampe heller als abends - wie die Morgensonne oder das Abendlicht. Wer bei Ikea eine neuartige Glühbirne kauft, kann ausprobieren, ob die per Fernbedienung oder App steuerbaren Lichtquellen das Leben bereichern. Der schwedische Konzern ist im April auch in Deutschland in das Geschäft mit digitaler Haustechnik, genannt Smart Home, eingestiegen.

Damit könnte der Möbelriese ordentlich Schwung in den jungen Markt bringen. Ikea macht damit Technikherstellern wie Bosch, Philips und Panasonic Konkurrenz. Doch denen kann nur Recht sein, dass ein Branchenfremder sich hier versucht. Denn bislang ist das Geschäft mit dem Smart Home hierzulande ein Flop. Nur wenige potenzielle Nutzer investieren in die internetfähigen Geräte und Sensoren, um ihren Kühlschrankinhalt von unterwegs prüfen, die Stehlampe fernsteuern und die Heizung nach dem Terminkalender laufen lassen zu können.

Die Branche hofft, dass es interessanter wird, wenn Marktgrößten wie Ikea das Geschäft weiterentwickeln. Zudem soll das Bedürfnis nach Sicherheit gegen Einbrecher für mehr Akzeptanz sorgen: Glasbruchsensoren, Webcams und Bewegungsmelder schlagen per App-Alarm, wenn Eindringlinge am Werk sind.

Der Trend zur digitalen Haustechnik reizt auch die Versicherer. Durch Angebote von internetfähigen Warnsensoren, Schaltern und Lampen hoffen sie, ihr Image als reiner Prämieneinsammler und Schadenzahler abstreifen zu können. Schließlich wollen sie Berater und Alltagshelfer ihrer Kunden werden. Immer mehr Gesellschaften bieten deshalb zusammen mit Technikherstellern Einsteigersets an, die Einbruchschäden verhindern sollen. Marktführer Allianz verkauft ein Technik-Paket von Panasonic. Das Set aus Zentraleinheit, App, zwei Sensoren und einer Sirene kostet je nach Ausstattung 200 bis 250 Euro.

Bislang läuft dieses Geschäft aber für die meisten Unternehmen schleppend. Ein Grund könnte die mangelnde Glaubwürdigkeit sein. Die Branche führt selbst ihr neues Angebot ad absurdum: Versicherer preisen die Technik als wirksamen Schutz vor Einbrechern an, gewähren aber im Gegenzug keine Rabatte für Policen, wenn der Kunde sein Heim damit nachrüstet. Dafür sind die Anlagen zu schlecht. "Bei Einbruchmeldeanlagen, die von der VdS mit der Klasse B zertifiziert sind, gewähren wir zehn Prozent Rabatt in der Hausratversicherung", sagt Moritz Titze von der Axa. Die VdS Schadenverhütung ist ein Kölner Tochterunternehmen des Versicherer-Verbands GDV, das wichtige Branchenstandards im Einbruchsschutz definiert. Nur für Geräte mit VdS-Zertifikat geben Versicherer Prämienrabatte in der Hausratversicherung - und genau diese Auszeichnung verleiht der VdS den Smart Home-Einbruchschutzpaketen nicht, auch wenn diese von Versicherern verkauft werden. Es gibt professionelle Einbruchmeldeanlagen für das Eigenheim, doch diese Hightech-Systeme kosten leicht 10 000 Euro.

Wer allerdings ein Smart-Home-Starterpaket für rund 200 Euro Gerät um Gerät erweitert, bis jedes Fenster und jede dunkle Ecke abgesichert ist, wird ebenfalls eine stolze Summe los. Zudem sind gerade Billig-Angebote anfällig für Störungen durch Fremdsignale anderer elektronischer Geräte, Stromausfall und Fehlfunktionen.

Ausgerechnet den Apparaten der Versicherer fehlt das wichtige Sicherheitssiegel

Dennoch mischen immer mehr Versicherer in dem Markt mit, auch die Generali. Die Heim-Vernetzung ist ein wichtiger Punkt, um mit den Versicherten den ständigen Kontakt zu halten, glaubt man in dem Konzern. "Wir sind damit in wichtigen Bereichen sehr nah am Kunden", sagt Manager Martin Schmidt-Schön. "Ein Versicherungsvertrag liegt dagegen nach dem Abschluss oft im Aktenordner im Schrank."

Zum Generali-Konzern gehört der Direktversicherer Cosmos Direkt, der als erste Konzerntochter ein Smart Home-Set im Angebot hatte. Wer in der Hausratversicherung die Ergänzung des Komfort-Tarifs wählt, kann wählen zwischen einem mit 50 Prozent rabattierten vernetzten Rauchmelder der Google-Tochter Nest oder einem kostenlosen Sensoren-Set des Aachener Elektronikherstellers Devolo für knapp 220 Euro. Es besteht aus einem Tür- oder Fensterkontakt, einer Spezial-Steckdose und einer Zentraleinheit.

Das Angebot komme gut an, sagt Schmidt-Schön. "Rund ein Drittel der Kunden hat sich 2016 bei der Hausratversicherung über den Online-Abschluss für das Smart Home-Paket entschieden." Das entspreche mehr als 5 000 Verträgen. Er erwartet, dass auch bei der ebenfalls zum Konzern gehörenden Generali Versicherung, die seit Februar ein Set anbietet, ein Drittel der Kunden bei Neuverträgen die Technik-Komponente hinzuwählt.

Das Generali-Set fällt mit sechs Komponenten größer aus als bei Cosmos Direkt. Preislich ist das Paket-Angebot jedoch intransparent: Was der Kunde für die Technik berappen muss, kann der Versicherer auf Nachfrage nicht sagen. Angeblich spart er durch das Plus an Sicherheit. "Wir haben Nachlässe berücksichtigt, die indirekt eingerechnet sind", sagt Schmidt-Schön. Die Axa setzt auf die Technik von Innogy, der Ökostrom-Tochter des Energieriesen RWE. Das Paket kostet 219 Euro.

Eines haben die Angebote von Generali, Allianz, Axa und Co. gemein: Ihre Einsteiger-Sets enthalten nicht genügend Sensoren, um die Sicherheit in Wohnung oder Einfamilienhaus deutlich zu erhöhen. Sonst wären sie preislich nicht mehr so attraktiv. Dennoch könnten die Technik-Sets bald gut verkauft werden, glaubt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV). "Die Kunden springen auf alles an, was ihnen zusätzliche Leistungen verspricht", sagt sie. "Sie fliegen darauf, auch wenn es nichts mit Versicherungen zu tun hat." Brummen werde das Geschäft, wenn im Herbst die Zahl der Einbrüche wieder zunimmt, erwartet sie. "Dann werden die Versicherer das Thema sicher stark bewerben." Doch Boss bleibt skeptisch: "Ein solches Paket reicht meist nicht aus, um wirklich vor Einbruch zu schützen." Boss hält grundsätzlich nichts davon, dass Versicherer Einbruchschutz verkaufen. Die Branche sollte sich auf die Risikoabsicherung konzentrieren, nicht auf den Einbruchschutz. "Das können Fachleute wie die Polizei besser."

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