Versicherungen:Reine Schikane

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Weil der Versicherer Zahlungen verzögerte, wird die sächsische Firma Color Textil nun nicht mehr aufgebaut. 150 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Solche schikanösen Verzögerungen sind offenbar kein Einzelfall in der Industrieversicherung.

Von Herbert Fromme, Köln

Ende März 2017 brennt es bei der Color Textil im sächsischen Freiberg. Das Feuer zerstört das Werk nahezu vollständig. Der Schaden für die Anlagen und den Produktionsausfall beträgt deutlich über 20 Millionen Euro. Sechs Monate verhandeln Color Textil und der Berliner Eigner, die Peppermint Holding, mit dem Versicherer. Doch die SV Sparkassenversicherung Sachsen hat clevere Anwälte gefunden, die mit immer neuen Informationsanforderungen versuchen, die Zahlung zu verzögern - mit katastrophalen Folgen.

Color Textil hat Stoffe, T-Shirts und vieles andere bedruckt. Doch ein Großteil der Kunden sucht sich neue Dienstleister. Am 21. September 2017 teilt Peppermint mit, dass Color Textil nicht wieder aufgebaut wird. 150 Mitarbeiter werden arbeitslos.

Auf Seiten des Kunden beteiligt ist der Großmakler Marsh, dessen Geschäftsführer Georg Bräuchle auch Präsident des Verbands Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) ist. Bräuchle nutzt den Fall, um die Praxis mancher Versicherer in der Schadenbearbeitung zu kritisieren. Den Namen seines Kunden Color Textil nennt er nicht, aber es ist allen in der Branche klar, um wen es sich handelt.

Der Anwalt des Versicherers verlangt alle Unterlagen zur Betriebsgenehmigung

"Da wird zuerst nachgeforscht, ob der Kunde vielleicht irgendwelche Risikoinformationen bei Vertragsabschluss nicht mitgeteilt hat", kritisiert Bräuchle das Vorgehen. Zwar seien nur Tatsachen relevant, nach denen der Versicherer gefragt hat. "Aber häufig sind die Fragen so allgemein, dass man sich später gut streiten kann."

Auch nach sonstigen angeblichen Pflichtverletzungen des Kunden fahnden die Anwälte des Versicherers akribisch, berichtet Bräuchle. "Der neuste Trend sind die sogenannten Betreiberpflichten." Dabei handelt es sich um die Einhaltung aller behördlichen und sonstigen Vorschriften - denn wenn der Betrieb diese Vorschriften nicht eingehalten hat, muss der Versicherer oft auch nicht zahlen.

Von Color Text verlangt der Anwalt des Versicherers alle Unterlagen zur Betriebsgenehmigung. Die Papiere sind bis zu 30 Jahre alt. Am Ende muss das Unternehmen 800 Dokumente liefern. Die SV Sachsen äußert sich nicht dazu.

"Mit solchen Methoden wird die Regulierung in die Länge gezogen, bis dem Kunden das Geld ausgeht", beklagt Bräuchle. Dann sei er weich gekocht und würde einem Vergleich zustimmen, also vielleicht mit 50 Prozent oder 70 Prozent der ihm zustehenden Summe zufrieden sein.

Probleme gebe es nicht bei den großen Versicherern wie HDI, Allianz oder Zurich. "Es geht eher um Gesellschaften, die in der Industrieversicherung in der zweiten Reihe stehen." Bräuchle nannte ausdrücklich die öffentlichen Versicherer der Sparkassen. "Mit der Aachen-Münchener haben wir auch besondere Erfahrungen gemacht", sagt Bräuchle mit Blick auf die Generali-Tochter.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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