Versicherungen:Axa wird zum Nichtraucher

Der Konzern gibt seine Investitionen bei Tabakherstellern und Zigarettenfirmen auf. Damit kommt er auch Forderungen von Großaktionären nach.

Von Patrick Hagen, Köln

Der französische Versicherungskonzern Axa trennt sich von seinen Investitionen bei Herstellern von Tabak und Tabakwaren. Als Grund nennt der Versicherer die Gefahren des Rauchens. Der Tabakkonsum führt Axa zufolge jährlich zu sechs Millionen Todesfällen. Die Folgen von Zigaretten und Zigarren seien für die Gesellschaft teurer als die Probleme, die Alkohol oder Fettleibigkeit verursachen.

Für die Axa, die auch ein großer Krankenversicherer ist, habe es keinen Sinn, in diese Branche zu investieren, sagt der künftige Axa-Chef Thomas Buberl, der im September die Nachfolge von Henri de Castries antritt. Für die Krankenversicherer sei die Prävention ein immer wichtigerer Teil ihrer Arbeit.

Bei der Entscheidung geht es um Kapitalanlagen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro, davon stecken etwa 200 Millionen Euro in Aktien, der Rest in Anleihen. Die Aktien will Axa sofort verkaufen, die Anleihen lässt der Konzern auslaufen. Neue Papiere kauft der Versicherer nicht.

Der Konzern verwaltet 1363 Milliarden Euro Vermögen, davon 552 Milliarden Euro für seine eigenen Versicherungskunden. Es handelt sich also um weniger als zwei Promille der Anlagesumme. Aber dennoch: "Die Entscheidung hat einen Preis", sagt Buberl, sprich, sie führt zu weniger Rendite. Doch die Gründe für einen Ausstieg seien überzeugend. Die menschlichen Kosten des Tabakkonsums seien tragisch, die ökonomischen Kosten riesig.

Ethische Grundsätze spielen für Versicherer eine immer wichtigere Rolle

Die Ankündigung der Axa kommt nur wenige Tage, nachdem Schockbilder auf Zigarettenpackungen in der EU Pflicht geworden sind. Außer dem PR-Effekt hat der künftige Chef Buberl jedoch gute wirtschaftliche Gründe für die Entscheidung.

Ethische Grundsätze spielen für Versicherer, die viele Milliarden an Kundengeldern weltweit anlegen, eine immer wichtigere Rolle. So haben sich im vergangenen Jahr Axa und Rivale Allianz bereits wegen des Klimaschutzes von Kohle-Investitionen getrennt.

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Der Zigarettenkonsum führt jährlich zu sechs Millionen Todesfällen, deshalb habe das Investment in die Branche für Axa keinen Sinn.

(Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Außer Kohle stehen auch Investitionen in bestimmte Waffen wie Streubomben oder Rohstoffe wie Palmöl auf der Verbotsliste. Nichtregierungsorganisationen und Aktivistengruppen achten immer genauer darauf, wem Banken und Versicherer Gelder und Versicherungsschutz gewähren. Das Stichwort dafür heißt in den Chefetagen ESG - Environmental, Social and Corporate Governance. In die Entscheidungen über Investitionen sollen also ökologische und soziale Auswirkungen sowie die Frage nach der guten Unternehmensführung einfließen. Immer mehr große Anleger legen Wert darauf, dass Firmen, in die sie investieren, ESG-Kriterien einhalten.

Das Geschäftsmodell der Versicherer ist nicht gerade populär bei Anlegern. An eine langfristige Wertsteigerung von Versicherungsaktien glaubt kaum ein Investor. Das liegt an den niedrigen Zinsen und an fehlenden neuen Ideen in der Branche. Umso wichtiger sind die hohen Dividenden und die Einhaltung aller ethischen Vorgaben der Großinvestoren. Bei einer Reihe von Pensionsfonds und anderen Großanlegern stehen Zigarettenhersteller auf der roten Liste. So zum Beispiel bei Calpers, dem Pensionsfonds der Angestellten des US-Bundesstaats Kalifornien. Calpers ist einer der größten Pensionsfonds der Welt, er legt 294 Milliarden Dollar (263 Milliarden Euro) an.

Axa sei der erste global tätige Versicherer, der Tabak-Investitionen ächte, sagte ein Konzernsprecher in Paris. Allerdings kommt die Axa-Entscheidung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die Front der Tabakgegner bei Anlegern bröckelt. Der Grund: Die Tabakindustrie kann trotz aller staatlichen Einschränkungen gute Gewinne vorweisen. Bei Calpers steht die Entscheidung gegen Tabak daher gerade auf dem Prüfstand. Eine Beratungsfirma hat für den Pensionsfonds errechnet, dass der Tabak-Ausstieg ihn seit 2014 rund drei Milliarden Dollar Gewinn gekostet hat.

Noch eine letzte Zigarette

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Das weiß auch die Axa. Der Konzern rechnet damit, dass die Entscheidung seine Kapitalerträge belasten wird. Wie viel das sein wird, lasse sich nicht abschätzen, sagt ein Sprecher. "Die Tabakindustrie ist sehr profitabel, wir wissen, dass uns das Geld kosten wird". Tabak sei aber eine so genannte "Sunset-Industrie", befinde sich also vor dem Niedergang wie die Sonne bei ihrem Untergang, prophezeit er. "Wir haben die Hoffnung, dass wir in einigen Jahren mit unseren neuen Anlagen mehr verdienen als mit der Tabakindustrie." Axa erwartet außerdem, dass sie einen Teil der Verluste auf lange Sicht ausgleichen kann, weil weniger Kunden rauchen. Das wirkt sich positiv auf Ausgaben der Krankenversicherer aus.

Der große Rivale Allianz hat noch nicht entschieden, wie er mit dem Thema Tabak umgehen wird. Das Unternehmen entwickelt zurzeit ein Bewertungsinstrument, das ESG-Scoring. Damit will der Konzern von Sommer an alle Kapitalanlagen nach ethischen Kriterien überprüfen. Bis dahin werde die Allianz keine Rückzugsbeschlüsse für einzelne Branchen treffen, sagte ein Sprecher.

Die Meag, in der die Kapitalanlagen von Munich Re und ihrer Tochter Ergo gebündelt sind, will sich überhaupt nicht zu dem Thema äußern. Aber auch bei dem weltweit größten Rückversicherer stehen ethische Fragen bei Kapitalanlagen und Versicherungsentscheidungen ganz oben auf der Tagesordnung.

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