Versicherer:Probleme im Altbestand

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Für die Lebensversicherer sind die goldenen Zeiten vorbei. Nicht nur wegen der niedrigen Zinsen. Für Unruhe sorgen auch Pläne der Politik.

Von Herbert Fromme, Köln

Von außen betrachtet ändert sich vieles nur langsam. Immer noch zahlen Lebensversicherer jährlich rund sieben Milliarden Euro an Provisionen und anderen Abschlusskosten an Vertreter und Makler, oder besser: Die Kunden zahlen, denn die Versicherer stellen ihnen jeden Cent davon in Rechnung. Dadurch werden die Renditen der Lebenspolicen noch schlechter. Noch immer entwickeln manche Gesellschaften neue Angebote vor allem mit dem Ziel, etwas für die Vertriebe zu tun, also hohe Provisionen zu ermöglichen. Ob die Verträge von Vorteil für den Kunden sind, ist zweitrangig.

Unter der Oberfläche aber brodelt es. Den meisten Versicherungsvorständen ist klar: Der Boom, der deutschen Lebensversicherern zu einem Bestand von fast 90 Millionen Verträgen verholfen hat, ist vorbei. Dafür sorgen nicht nur die niedrigen Zinsen. Auch die neuen Aufsichtsregeln auf EU-Ebene und das verstärkte Interesse der Berliner Parteien an der privaten Altersvorsorge tragen dazu bei, dass das Geschäft zunehmend unattraktiver wird.

Kurzfristig haben die Lebensversicherer große Probleme mit ihren Altbeständen. In den 90er Jahren haben sie Zinsgarantien von 3,5 und vier Prozent ausgesprochen - bis an das Laufzeitende der Verträge. Das führt heute dazu, dass die Branche mehr als 400 Milliarden Euro an Kundengeldern jedes Jahr mit diesen hohen Zinssätzen bedienen muss. Noch gelingt das, weil Versicherer sehr langfristig anlegen können und noch viele höher verzinste Papiere aus dem vergangenen Jahrzehnt im Bestand haben. Außerdem müssen die Kunden mit niedrigen Garantiezinsen einen Teil der eigentlich auf sie entfallenden Erträge abgeben. Aber die Langfristpapiere laufen langsam aus. Es wird schwerer, die nötigen Renditen zu erzielen.

Das Problem wird durch einen speziellen Puffermechanismus verschärft, den die damalige Bundesregierung 2011 auf Wunsch der Versicherungswirtschaft eingeführt hat: die Zinszusatzreserve. Inzwischen ist sie den Anbietern über den Kopf gewachsen. Die Zuführungen in den Puffer erreichten 2016 insgesamt 45 Milliarden Euro. Die Versicherer haben den Bundestag um Entschärfung gebeten. Wegen der Verzögerungen bei der Regierungsbildung wird das dauern. Viele Versicherer wären die Altverträge am liebsten los und prüfen Möglichkeiten, die Bestände zu verkaufen.

Neben den Altlasten haben die Versicherer ein langfristig noch größeres Problem: Werden sie in der Altersvorsorge der Zukunft noch eine Rolle spielen? Viele von ihnen bieten fondsgebundene Verträge an, das sind Investmentfonds im Versicherungsmantel. Marktführer Allianz setzt auf klassische Verträge, gibt aber keine Verzinsungsgarantie mehr. Nur der Erhalt des eingezahlten Kapitals ist garantiert. Aber es zeigt sich: Ohne teure Vertriebe sind auch diese Verträge kaum absetzbar. Mit den Vertrieben sind die Kosten aber zu hoch. Sehr wahrscheinlich begrenzt der neue Bundestag die Höhe der maximal erlaubten Provisionen auf 2,5 Prozent der gesamten einzuzahlenden Summe. Geschieht das, sind viele Vertriebsorganisationen nicht mehr rentabel zu betreiben.

Große Hoffnungen setzt die Branche auf die betriebliche Altersversorgung, vor allem die neue Nahles-Rente. Aber auch dann müssten die Versicherer mit deutlich niedrigeren Kosten auskommen.

Minister der schwarz-grünen Koalition in Hessen werben derweil für eine radikale Alternative: einen staatlich organisierten privaten Fonds, die Deutschlandrente. Selbst Versicherer geben zu, dass diese Idee nicht dumm ist. Sie könnte ihrem Geschäft großen Schaden zufügen, falls sie umgesetzt wird.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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