Versandhändler stellt Insolvenzantrag:Neckermann ist pleite

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Kein Geld vom Investor: Die Gewerkschaft Verdi und Neckermann hätten sich in letzter Minute auf einen Sanierungsplan geeinigt, aber der US-Finanzinvestor Sun will nicht mehr zahlen. Jetzt steht der Versandhändler vor dem Aus. Bundesweit stehen 2400 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Der Versandhändler Neckermann steht vor dem Aus, das Unternehmen mit bundesweit 2400 Arbeitsplätzen musste einen Insolvenzantrag stellen. Der Grund: US-Investor Sun Capital als Eigentümer halte das Ergebnis der Sanierungsverhandlungen mit Arbeitnehmervertretern "nicht für tragfähig" und stelle dem Unternehmen deswegen "keine weiteren Mittel für die Finanzierung zur Verfügung", teilte Neckermann in Frankfurt am Main mit. "Unter den gegebenen Rahmenbedingungen kann das Unternehmen in seiner bestehenden Form damit nicht fortgeführt werden." Die Geschäftsführung werde alles daran setzen, das laufende Geschäft auch im vorläufigen Insolvenzverfahren aufrechtzuerhalten.

Neckermann.de stellt einen Insolvenzantrag - auf dem Spiel stehen 2400 Arbeitsplätze. (Foto: dpa)

Bei Neckermann kriselte es schon länger. Geplant war deshalb, den Eigenhandel mit Textilien einzustellen und das Frankfurter Zentrallager aufzugeben. Das Kataloggeschäft war zuletzt so rapide eingebrochen, dass Erfolge aus dem Onlinehandel aufgezehrt wurden.

Dem Umbau sollten 1380 Stellen zum Opfer fallen. Im wochenlangen Ringen hatten sich Management und die Gewerkschaft Verdi zwar in letzter Minute auf eine Lösung geeinigt, wie beide Seiten mitteilten: Sozialplan, Abfindungen in begrenztem Umfang und eine Transfergesellschaft.

"Kurz vor der Unterschrift hat Sun erklärt, dass sie kein Geld mehr zur Verfügung stellen, so dass die Zahlungsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist", sagte Verdi-Sekretär Bernhard Schiederig. Der Investor hatte noch im April signalisiert, weitere 25 Millionen Euro in das Unternehmen zu investieren, wenn alle Beteiligten bei der Sanierung an einem Strang zögen.

Groß im Online-Handel

Neckermann.de gehört zu den größten Online-Versandhändlern in Deutschland. Das Unternehmen wurde 1950 in Frankfurt am Main als Neckermann Versand KG gegründet. 1995 startete es mit einem eigenen Online-Shop. Inzwischen erwirtschaftet Neckermann.de nach eigenen Angaben fast 80 Prozent seines Umsatzes über das Internet.

Der Kaufmann Josef Neckermann hatte bereits in der Nazi-Zeit mit Hilfe des NS-Regimes mehrere Textilgeschäfte jüdischer Kaufleute übernommen. Wegen seiner Regimenähe durfte er in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst nicht wirtschaftlich aktiv sein. Die nach der Gründung 1950 immer dicker werdenden Kataloge mit preisgünstigen Textilien, Radios und großen Elektrogeräten waren bald wie die der Konkurrenten Otto oder Quelle in fast jedem Haushalt zu finden. Der 1961 eingeführte Werbeslogan "Neckermann macht's möglich" wurde zum geflügelten Wort.

Neckermann stieg zudem ins Reisegeschäft ein, verkaufte Fertighäuser und Versicherungen und betrieb auch eine Kaufhauskette. In den 1970er Jahren geriet das Stammhaus in die Krise und wurde 1977 mehrheitlich von der Karstadt AG übernommen, die später mit dem Versandhändler Quelle fusionierte. Die Umbenennung in Neckermann.de 2006 stand für den neuen Fokus auf Online-Versandhandel.

Das Unternehmen wurde dann 2007 mehrheitlich an den US-Investor Sun Capital verkauft, ein Stellenabbau folgte. Nach der Pleite des Karstadt-Quelle-Nachfolgers Arcandor übernahm Sun 2010 auch die übrigen Anteile. Wegen schwacher Geschäfte wurde im April der radikale Personalabbau geplant, der Streit darüber gipfelte nun im Insolvenzantrag. Neckermann-Reisen hat mit dem Versandhandel inzwischen nichts mehr zu tun und gehört zum Tourismuskonzern Thomas Cook.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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