Verpoorten:"Wir sind in der Gattung Eierlikör gefangen"

Eierlikör gilt als Oldie-Getränk. William Verpoorten schickte die führende Marke für den Branntwein auf Verjüngungskur. Und überstand so die Krise.

Stefan Weber

Sein Favorit ist Walnusseis mit Eierlikör, sagt William Verpoorten, 54. Vor Ostern verkauft sich das gelbe Getränk besonders gut. Mittelständische Hersteller haben es in Deutschland nicht leicht, sagt Verpoorten, der seit Herbst 2006 auch den Schutzverband der Spirituosenindustrie führt. Viele Marken sind verschwunden oder im Portfolio eines Konzerns gelandet. Entgegen dem Branchentrend hat das Bonner Unternehmen 2009 die Erlöse um einige Prozentpunkte steigern können.

SZ: Herr Verpoorten, in ein paar Tagen ist Ostern. Da freuen sich Kinder über Schokoladeneier, und Erwachsene schenken sich Eierlikör?

Verpoorten: Das ist tatsächlich so. In den Wochen vor Ostern verkaufen wir doppelt so viele Flaschen wie in einem normalen Monat.

SZ: Wie ist das Saisongeschäft denn dieses Jahr gelaufen?

Verpoorten: Wir sind sehr zufrieden. Aber Gott sei Dank gibt es mehrere Anlässe im Jahr, Eierlikör zu verschenken und zu verzehren, beispielsweise zum Valentins- oder Muttertag. Oder auch im Sommer, zur Eissaison. Da platzieren wir Mini-Flaschen mit Verpoorten im Supermarkt gleich neben der Kühltruhe.

SZ: Verpoorten steht für Eierlikör. So etwas wünscht sich jeder Markenartikler. Ist es aber nicht sehr gefährlich, nur auf ein Produkt zu setzen?

Verpoorten: Im Gegenteil, es ist ein Vorteil, sich auf eine Marke konzentrieren zu können. Da verzettelt man sich nicht. Und man ist gezwungen, sich sehr intensiv um die Marke zu kümmern. Das gelingt uns, obwohl es für die mittelständischen Spirituosenhersteller in Deutschland nicht immer sehr einfach ist.

SZ: Andere traditionsreiche Marken wie Dornkaart, Pott-Rum oder Dujardin...

Verpoorten: ...sind entweder ganz vom Markt verschwunden oder sind nur noch eine von mehreren Marken im Portfolio eines großen Konzerns. Und da wird man rasch vergessen. Uns aber gibt es noch. Wir sind klein und beweglich und fühlen uns in dieser Rolle pudelwohl.

SZ: Aber der Markt bietet kaum Perspektiven. Schon heute stammen knapp 90 Prozent des in Deutschland verkauften Marken-Eierlikörs aus der Produktion von Verpoorten. Und die Verbraucher trinken auch nicht von Jahr zu Jahr mehr.

Verpoorten: Deshalb machen wir uns Gedanken über neue Verwendungsmöglichkeiten für Eierlikör. Etwa indem wir Lizenzen an Süßwarenhersteller vergeben, die dann Kuchen, Eis, Pralinen oder Desserts mit unserem Produkt verfeinern. Das hilft den Partnerunternehmen, weil sie von dem bekannten Namen Verpoorten profitieren und beschert auch uns zusätzlichen Umsatz.

SZ: Wer sind die Lizenznehmer?

Verpoorten: Allesamt mittelständische Familienunternehmen, ebenso wie wir. Da kann man auf Augenhöhe miteinander reden. Das ist angenehmer, als mit großen Konzernen zusammenzuarbeiten, bei denen die Ansprechpartner für einzelne Produktgruppen häufig wechseln.

SZ: Viele Verbraucher verbinden mit Eierlikör immer noch Kaffeekränzchen und die Wirtschaftswunderjahre. Empfinden Sie das spießige Image nicht manchmal als eine Last?

Verpoorten: Eierlikör ist kein Oldie-Getränk, sondern wird von allen Generationen geschätzt. Junge Leute mixen damit Drinks, die Mittelalten mögen Eierlikör-Kuchen, und die Senioren essen ihn gerne zum Eis.

Mit Eierlikör durch die Krise

SZ: Aber sind es nicht in der Mehrzahl Ältere, bei denen Eierlikör im Schrank steht?

Verpoorten: Das war früher so, als zum Brühkaffee eine Schale Eierlikör serviert wurde. Aber seit ein paar Jahren gelingt es uns, immer mehr junge Leute für Verpoorten zu begeistern. Vor allem seit wir Eierlikör als Basis für viele Cocktails und als "Feierlikör" vermarkten. Heute haben wir in der Altersgruppe der bis 29-Jährigen fast ebenso viele Käufer wie bei den über 60-Jährigen. Unsere Wettbewerber sind Ramazotti, Campari oder Baileys - also Marken, die vor allem bei jüngeren Verbrauchern angesagt sind.

SZ: Von Ihrem Ohrwurm "Ei, ei, ei Verpoorten, ob hier ob allerorten" wollen Sie trotzdem nicht lassen? Der stammt doch noch aus den sechziger Jahren.

Verpoorten: Diesen Slogan weiter behutsam einzusetzen, gehört zur Pflege der Marke. Er schlägt die Brücke zwischen gestern und heute. Hier an diesem Tisch haben viele Werbefachleute gesessen, die mir klarmachen wollten, das sei Kram von gestern. Denen habe ich gleich gesagt: Sie haben das Thema nicht verstanden. Es wäre doch töricht, auf etwas zu verzichten, was fest in den Köpfen der Verbraucher verwurzelt ist, und gänzlich neue Wege zu beschreiten. Dafür fehlen uns als Mittelständler auch die finanziellen Mittel.

SZ: Früher haben bekannte Künstler wie Heinz Erhardt, Georg Thomalla oder Peter Kraus für Verpoorten geworben. Heute setzen Sie nicht mehr auf die Zugkraft von Prominenten. Warum?

Verpoorten: Prominente werben heute hierfür, morgen dafür. Das ist nicht glaubwürdig; das hilft uns nicht weiter und ist nebenbei gesagt auch sehr teuer. Wir vertrauen lieber auf die Kraft der Marke Verpoorten, geben aber unverändert viel Geld für Werbung aus, insbesondere im Fernsehen. Das ist wichtig. Wer nicht wirbt, ist schnell weg vom Fenster.

SZ: Wie läuft das Geschäft? Spürt Verpoorten die Krise?

Verpoorten: Die Krise trifft uns sehr viel weniger als andere Getränkeanbieter. Wir haben im vergangenen Jahr etwa 50 Millionen Euro umgesetzt. Das waren ein paar Prozentpunkte mehr als 2008. Dagegen hat die Branche fünf Prozent verloren.

SZ: Wie erklären Sie das?

Verpoorten: Eierlikör wird vornehmlich zu Hause getrunken, weniger in der Gastronomie. Deshalb trifft uns der Gästerückgang, den die Gastronomie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verzeichnet nicht so stark. Angesichts der Preise in manchen Restaurants und Bars ist es kein Wunder, dass die Leute weniger verzehren. Vor kurzem habe ich neun Euro für einen Grappa bezahlt. Da kann ich mir gut vorstellen, dass mancher da lieber zu Hause bleibt.

SZ: Haben Sie denn nach mehr als 20 Jahren im Dienst der Marke noch Lust auf Eierlikör?

Verpoorten: Absolut. Mein Favorit ist Walnusseis mit Eierlikör - einfach göttlich!

SZ: Warum muss es bei Verpoorten immer nur Eierlikör sein? Warum erweitern Sie Ihr Sortiment nicht um andere Spirituosen?

Verpoorten: Wir sind in der Gattung Eierlikör "gefangen". Wir können nicht morgen Kirschlikör verkaufen. Dafür sind wir - im übertragenen Sinne - zu "gelb". Verpoorten ist Eierlikör und daran wollen wir nicht rütteln. Deshalb spielt die Farbe Gelb in unserer Werbung eine große Rolle. Und: Bei uns geht es um Genuss; Verpoorten ist kein Produkt für Wirkungstrinker.

SZ: Sie werden nie in Versuchung geraten, eine andere Marke zu übernehmen?

Verpoorten: Wir bleiben in der Nische und wollen dort auch künftig stark sein. Auf hoher See gibt es zu viele Haifische.

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