Vermögensverwalter Felix Zulauf im Interview:"Der Euro hat die Sprengkraft der Versailler Verträge"

Die griechische Demokratie? In Gefahr! Der Euro? In zehn Jahren futsch! Die Folgen der Währungsunion für Deutschland? So gefährlich wie die Versailler Verträge nach dem Ersten Weltkrieg! Der Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf prophezeit Europa eine düstere Zukunft.

Simone Boehringer

So schwarz wie er sehen selbst in der Krise nur wenige: Der Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf gibt dem Euro noch zehn Jahre. Wegen der Überschuldung sieht er die griechische Demokratie in Gefahr - und Deutschland vor einer schmerzhaften Entscheidung.

Felix Zulauf

 Felix Zulauf glaubt nicht, dass die Euro-Krise in absehbarer Zeit gelöst werden wird: "Es wird weiterhin ein schmerzliches Durchwursteln geben."

(Foto: Privat)

Eine Fiskalunion oder die Aufgabe des Euro sind für Felix Zulauf die einzigen Varianten zur Lösung der Schuldenkrise. Deutschland rät er zur Volksabstimmung. Auf die Eidgenossen sieht der Schweizer Vermögensverwalter wegen der Franken-Politik große Belastungen zukommen.

SZ:Herr Zulauf, gerade hat der Deutsche Bundestag die Erweiterung des europäischen Rettungsfonds gebilligt. Trotzdem geht es mit dem Euro und den Märkten ständig weiter bergab. Warum?

Felix Zulauf: Griechenland ist pleite. Das ist auch den größten Optimisten nun klar geworden, nachdem Athen jüngst einräumen musste, die vereinbarten Defizitziele nicht einhalten zu können. Portugal hat trotz Finanzhilfen ähnliche Probleme, seiner Schulden Herr zu werden.

SZ: Aber genau für solch brenzlige Fälle sollte der Schirm aufgestockt werden.

Zulauf: Das langt aber nicht. Die Euro-Länder müssten in einem viel größeren Ausmaß Garantien für Griechenland und andere überschuldete Staaten abgeben, um die Situation so zu stabilisieren. Die aufgelaufenen Staatsschulden sind einfach zu hoch.

SZ: Sie rechnen in jedem Fall mit einem Scheitern?

Zulauf: Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Viele europäische Länder haben zu lange über ihre Verhältnisse gelebt, immer weiter konsumiert bei sinkenden Wachstumsraten. Wir sind in Europa praktisch alle Griechen und haben die Erhaltung des Lebensstandards in den vergangenen zehn Jahren mehr oder weniger stark über Kredit finanziert. Ohne dieses Leben auf Pump hätten viele Europäer bereits einen Wohlstandsverlust von bis zu 30 Prozent hinnehmen müssen. Griechenland mit besonders hohen Schulden muss die verpasste Anpassung jetzt schnell über immense Sparanstrengungen nachholen. Resultat: Die Wirtschaft schrumpft, die Menschen sind arbeitslos und gehen auf die Straße. Das hält keine Demokratie lange aus.

SZ: Sie sind sehr pessimistisch. Sehen Sie überhaupt noch einen Ausweg aus der Schuldenkrise?

Zulauf: Es wird weiterhin ein schmerzliches Durchwursteln geben und irgendwann einen Schuldenschnitt oder sogar eine Währungsreform. Hauptgrund: Ein Weg zurück ist weder juristisch noch wirtschaftlich durchführbar. Ein Euro-Austritt und die Wiedereinführung nationaler Währungen sind schlicht nicht vorgesehen. Möglich wäre nur, dass ein Land die Europäische Union verlässt und im Zuge dessen auch den Euro aufgibt. Und das ist utopisch.

SZ: Stattdessen halten Sie eine Währungsreform für realistisch?

Zulauf: Sie ist am Ende des Weges wahrscheinlich. Aber das dauert noch fünf bis zehn Jahre, in denen Politiker im "Learning by doing"-Modus vorwärts gehen werden, ohne genau zu wissen, wie es ausgeht. Jedes Mal, wenn sich die Lage zuspitzt, werden sie ein paar wenige Reformen durchsetzen können, um die Situation einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Bei diesem Prozess werden die Peripherieländer Verzicht lernen und die Deutschen mediterraner werden. Die EZB muss das Ganze begleiten mit einer viel großzügigeren Geldpolitik als seither und die Währung strukturell schwächen, damit die Systeme in den schwächeren Euro-Ländern nicht zusammenbrechen. Dann kommt der Euro vielleicht noch zehn Jahre durch.

"Den Menschen reinen Wein einschenken"

SZ: Als Außenstehender lässt es sich leichter kritisieren als in politischer Verantwortung. Was würden Sie jetzt machen, wenn Sie Bundeskanzler wären?

Zulauf: Ich würde den Menschen reinen Wein einschenken und ihnen schonungslos die Optionen aufzeigen: Entweder, es gibt die Vereinigten Staaten von Europa. Dafür müssen alle Länder weitgehend ihre Souveränität abgeben. Eine Fiskalunion ist der einzig gangbare Weg, den Euro zu stabilisieren. Oder es wird ein Weg zurück zu nationalen Währungen verfolgt. Dazu müssen wahrscheinlich mehrere Wirtschafts- und Finanzkrisen durchlebt werden, bis die alte Ordnung wieder hergestellt wäre. Darüber sollen die Deutschen dann abstimmen. Beide Wege sind schmerzvoll.

SZ: Ein Volksentscheid also. Da spricht der Schweizer in Ihnen.

Zulauf: Ja, sicher. Ich bin zudem ein Freund kleinerer Einheiten, unabhängig von der Tradition mit direkter Demokratie in der Schweiz. Der liberale Grundgedanke geht in einer zu großen Einheit verloren. Neben Schlechtem gibt es ja auch viel Gutes an der Europäischen Union, aber wenn man mit Druck und Zwang das vereinte Europa schaffen will, ist das falsch. Es ist so falsch wie einst der Versuch, die Sowjetunion und den kommunistischen Block in Europa mit Kanonen und Panzern zu erhalten. Für Deutschland hat die Währungsunion mittlerweile die Sprengkraft der Reparationszahlungen aus den Versailler Verträgen nach dem Ersten Weltkrieg.

SZ: Sind das nicht ein wenig gewagte Vergleiche mit der Vergangenheit?

Zulauf: Aber durchaus passend. Es ist ein offenes Geheimnis: Die Franzosen haben den Weg für die Deutsche Einheit freigemacht, nachdem die Bundesregierung einer schnellen Währungsunion zugestimmt hat. Nun haftet Deutschland im Ernstfall mit 211 Milliarden Euro zuzüglich der 350 Milliarden im Targetprogramm der Bundesbank, das ist selbst für die größte Volkswirtschaft Europas kein Pappenstiel.

SZ: Die Krise der Eurozone lässt auch die Schweiz nicht kalt. Kapital aus aller Welt flüchtet ins Land, die Wirtschaft leidet unter der Aufwertung des Franken. Die Schweizer Nationalbank kauft Euro gegen Franken, um die eigene Währung zu drücken. Ist dieser Kurs weiter durchzuhalten?

Zulauf: Nein, nicht sehr lange. Sobald die Stützungskäufe ausgesetzt werden, dürfte der Euro-Kurs sinken und damit auch der Wert der Euro-Bestände in der Notenbankbilanz. Da bekommt die Zentralbank schnell negatives Eigenkapital und muss womöglich von den Kantonen neue Mittel bekommen. Das kostet die Schweizer Steuerzahler Milliarden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: