Verlierer:Ausgepowert

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Deutschlands Energiekonzerne beklagen den Verlust von Milliardenwerten durch die Energiewende.

Von Markus Balser, Berlin

Die letzte Schlacht der deutschen Atombranche findet in diesen Tagen auf Papier statt. Wer wissen will, was die Manager der deutschen Energiekonzerne frustet, dem verschaffen unter Verschluss gehaltene Klageschriften der Branche gegen den Atomausstieg tiefe Einblicke. In den Akten, die derzeit deutsche Gerichte beschäftigen, führen Eon, RWE und Co. ihren eigenen Niedergang auf die Entscheidungen im Jahr 2011 zurück.

Und der ist dramatisch: Allein kurz nach der Katastrophe von Fukushima, von Anfang Mai bis Anfang Juni 2011, habe Eon 8,9 Milliarden Euro an Wert verloren. So geht es aus der Klage von Eon hervor. "Dieser Kursverlust ist nur durch das Moratorium und die anschließende 13. Atomgesetznovelle zu erklären", heißt es weiter. Konkurrent RWE beklage einen ähnlich "hohen Kursverlust". Deutschlands Energiekonzerne kämpfen an mehreren Fronten. Ihnen geht nicht nur das Geschäft mit der rasant voranschreitenden Energiewende flöten. Die früheren Börsenstars sind längst auch an den Börsen zu Risikowerten mutiert. In den vergangenen fünf Jahren halbierte Deutschlands größter Energieversorger Eon seinen Börsenkurs von knapp 30 auf unter 15 Euro. Die Marktkapitalisierung sank von 60 auf 30 Milliarden Euro. Auch die spektakulären Pläne für die Aufspaltung des Versorgers in einen konventionellen und einen erneuerbaren Teil haben bislang kaum Besserung gebracht.

Beim Rivalen RWE fällt der Einbruch allerdings noch dramatischer aus. Von 67 Euro vor fünf Jahren - die Laufzeitverlängerung war noch in Sicht und Fukushima eine unbekannte Stadt in Japan - brach der Kurs auf inzwischen 25 Euro ein. Selten haben Anleger bei einem Dax-Konzern einen vergleichbaren Einbruch erlebt.

Viel zu erwarten haben Anleger von den Konzernen nach Einschätzung von Analysten auch in Zukunft nicht. Denn die Geschäfte laufen in wichtigen Teilen weiterhin schlecht. Zu stark drängt der rasante Ausbau erneuerbarer Energien die Großkraftwerke der Unternehmen aus dem Netz. Beispiel RWE: 20 bis 30 Prozent der Konzern-Kraftwerke decken nicht einmal mehr die laufenden Kosten. Die Lage der einstigen Gewinnlieferanten ist so dramatisch, dass RWE zu hohen Abschreibungen in der konventionellen Stromerzeugung von beinahe vier Milliarden Euro gezwungen war. Der Umbau der Branche macht den Firmen so sehr zu schaffen, dass sie kaum noch Geld an die Aktionäre ausschütten können. Für Anleger ist das hart - hatten sie in der Vergangenheit doch gerade auf diese Aktien gesetzt, weil sie lange als sichere Dividendentitel galten. Für die Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW beginnen harte Wochen. Auf den Hauptversammlungen im April und Mai müssen die Konzernvorstände und -Kontrolleure mit massiver Kritik von Investoren und Kleinanlegern rechnen. Denn Experten warnen vor weiteren Rückschlägen und sehen noch lange keine Besserung. Bei Eon rät etwa die US-Bank Citigroup in einer aktuellen Analyse zum Verkauf. Erst die kommenden zwölf Monate würden Aufschluss über die künftige Energiepolitik in Deutschland liefern. Wenig besser die Urteile zu RWE: Der Konzern "steckt in der Zwickmühle", erklärt etwa Analyst Lüder Schumacher von der französischen Großbank Société Générale. RWE habe den Tiefpunkt noch nicht erreicht. Der komme wohl erst nach 2015.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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