Verkehrsrechtsverhandlung:Bedrohte Lufthoheit

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China ist - noch - in der Rolle des Zulieferers: Airbus-Fabrik in der Hafenstadt Tianjin. (Foto: Mark Ralston/AFP)

Die Bundesregierung freut sich über den Milliarden-Auftrag für Airbus. Sie tut sich aber schwer damit, die chinesischen Maschinen auch auf deutschen Flughäfen landen zu lassen.

Von Jens Flottau

Die China-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel brachte dank neuer Milliardenaufträge gute Nachrichten für die europäische Luftfahrtindustrie. Zumindest für den Teil der Branche, der wie Airbus Flugzeuge baut. Eine logische Konsequenz der riesigen Aufträge aber ist, dass die staatlichen chinesischen Fluggesellschaften immer größer und mächtiger werden und immer neue Flugziele im Ausland brauchen, die die neuen Jets anfliegen können. Mit den Konsequenzen tun sich manche in der Bundesregierung und die hiesige Konkurrenz schwer.

Das hat sich zuletzt beim Scheitern der Verkehrsrechtsverhandlungen zwischen Deutschland und China gezeigt. Kurz gesagt: Deutschland hat es gerne, wenn China bei Airbus einkauft, aber mehr Flüge nach Deutschland sollen damit eher nicht verbunden sein, denn das könnte ja der Lufthansa schaden.

Das Scheitern der jüngsten Verhandlungsrunde zwischen China und Deutschland hat Chinesen, aber auch andere Teile der deutschen Wirtschaft kurz vor der Merkel-Reise irritiert. Aus Peking war jüngst eine große Delegation von Regierungsvertretern sowie von sieben chinesischen Fluggesellschaften nach Bonn angereist. Sie präsentierten ihre Vorstellungen: Nach SZ-Informationen wollen sie zunächst täglich fünf zusätzliche Passagier- und vier zusätzliche Frachtdienste einführen. Sie habe dafür schon Kontakt mit zehn deutschen Flughäfen aufgenommen. Es geht nicht nur um die Lufthansa-Drehkreuze in Frankfurt und München, sondern unter anderem auch um Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Stuttgart, Leipzig, Köln/Bonn und Hannover. All diese Flughäfen haben bisher überhaupt keine oder nur sehr wenige Langstreckenflüge im Portfolio, weil Lufthansa ihre Interkontinentalflüge in München und Frankfurt konzentriert. Air Berlin bietet von Berlin und Düsseldorf einige Strecken an, vor allem aber nach Nordamerika, aber nicht in die asiatischen Wirtschaftszentren.

Darüber hinaus gab es den deutlichen Hinweis der chinesischen Delegation, dass man sich künftig auch ein sogenanntes Open-Skies-Abkommen mit Deutschland wünscht, bei dem die Zahl der Flüge überhaupt nicht mehr begrenzt ist. Derzeit dürfen chinesische Carrier pro Woche 55 Passagier- und 38 Frachtflüge durchführen.

Für die Flughäfen sind die Pläne der chinesischen Airlines - Air China, China Southern, China Eastern, Hanin Airlines, Xiamen Airlines, China Cargo Airlines und Air China Cargo - fast zu schön, um wahr zu sein. Denn sie würden endlich die lange erhofften Langstrecken, vor allem aber direkte Flüge nach Asien bekommen, die ihnen Lufthansa nicht bietet. Auch die deutsche Industrie verspricht sich viel von direkten Verbindungen, BDI-Chef Ulrich Grillo soll das Thema deswegen auch auf Merkels China-Reise angesprochen haben.

Die Verhandlungen wurden erst einmal vertagt. Vielleicht kommt es 2016 zu einer Lösung

Doch vor allem Lufthansa hat hinter den Kulissen dem Vernehmen nach massiv Druck gemacht gegen die Pläne, die sie als Bedrohung in einem lukrativen Geschäftsfeld wahrnimmt. Nach Informationen aus Branchenkreisen hat Lufthansa nicht nur kein Interesse daran gezeigt, selbst zusätzliche Flüge nach China anzubieten. Sie und die Ferienfluggesellschaft Condor verlangten auch, ungünstige Einflugpunkte in den chinesischen Luftraum sowie schlechte Start- und Landezeiten (Slots) an den Flughäfen müssten verbessert werden. Das Bundesverkehrsministerium hat zudem offenbar gefordert, eine Klausel zu fairem Wettbewerb in ein neues Abkommen einfließen zu lassen, das staatliche Zuschüsse für Fluggesellschaften begrenzen soll. Eine Forderung, die die Gegenseite umgehend abgelehnt hat, denn fast alle chinesischen Fluggesellschaften sind in Staatsbesitz und hoch subventioniert. China hat deswegen kein Interesse daran, sich vorschreiben zu lassen, in welcher Form und Ausmaß es die eigenen Fluggesellschaften künftig noch unterstützen darf.

Kurz vor dem Scheitern der Verhandlungen sollte noch ein Kompromissvorschlag retten, was zu retten ist: Die chinesischen Airlines sollten nicht alle neuen Flugrechte auf einmal erhalten, sondern in mehreren Schritten über einen längeren Zeitraum. SZ-Informationen zufolge wurde dieser Vorschlag dem zuständigen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Odenwald, und Minister Alexander Dobrindt vorgelegt. Doch Odenwald und Dobrindt haben offenbar die Daumen gesenkt: Vorerst gibt es keine neuen Flüge. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte, dass China mehr Verkehrsrechte wolle und "Konsultationen" stattgefunden haben. Weitere Gesprächsrunden seien für die erste Hälfte des Jahres 2016 vorgesehen.

Das Verkehrsministerium ist nicht nur im Fall China durch seine besonders restriktive Haltung aufgefallen: Auch bei den Verhandlungen über die Gemeinschaftsflüge von Air Berlin und der staatlichen Etihad Airways bedurfte es in der vergangenen Woche angeblich enormen Drucks von Wirtschaftsministerium und Bundeskanzleramt, um Dobrindt in letzter Sekunde von einem sofortigen Verbot der Flüge abzuhalten. Als Kompromiss dürfen die beiden Airlines bis 15. Januar kooperieren, "letztmalig" sei dies laut Verkehrsministerium genehmigt worden. Auch in diesem Fall stehen die Interessen von Lufthansa und ihrer Konkurrenten gegeneinander.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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