Verkauf von Plasma-Hersteller:Briten fürchten um ihr Blut

Staat oder Wall Street - wer soll mit dem Blut der Briten handeln? Der staatliche Hersteller von Blutplasma-Produkten wird privatisiert. Käuferin ist die vom ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney gegründete Firma Bain Capital. Die ist bekannt dafür, vor allem auf die eigene Rendite zu schauen.

Von Tobias Dorfer

Wer die jüngsten Nachrichten von der Insel hört, der wähnt sich in einem Horrorfilm. Die Briten fürchten um ihr Blut. Sind Vampire im Anflug auf Großbritannien? Es geht um einen Firmenverkauf, jede Menge Blut und Geld - und die Fragen, was der Staat leisten muss, und welche Bereiche er privatisieren darf.

Plasma Resources UK, der staatliche Hersteller von Blutplasma-Produkten, wird verkauft. Käufer ist Bain Capital aus Boston. Eine Private-Equity-Gesellschaft, gegründet vom ehemaligen republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney. Bain steht im Ruf, der Rendite alles unterzuordnen.

Bain Capital zahlt für 80 Prozent von Plasma Resources sofort 90 Millionen Pfund (105 Millionen Euro) und über die nächsten fünf Jahre weitere 110 Millionen Pfund. Außerdem verspricht der Investor, 50 Millionen Pfund in Plasma Resources zu investieren und alle Jobs in Großbritannien zu erhalten, was nicht unbedingt als Bains Stärke gilt. 20 Prozent von Plasma Resources verbleiben beim britischen Staat.

Aber das besänftigt die erhitzten Gemüter auf der Insel nicht. Wortführer in der Gegnerschaft ist Lord David Owen, in den siebziger Jahre Gesundheitsminister von Großbritannien. Er sagte dem Independent, er könne sich "kein schlechteres Resultat" des Verkaufsprozesses vorstellen. Owen hatte bereits versucht zu intervenieren, als Anfang des Jahres die Verkaufspläne der Regierung bekannt wurden - ohne Erfolg.

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Die von Mitt Romney gegründete Private-Equity-Firma Bain Capital möchte mit Blut Rendite machen.

(Foto: dpa)

Plasma Resources wurde im Jahr 2002 von der damaligen Labour-Regierung gegründet. Die Firma stellt in den USA und Großbritannien Blutplasmaprodukte her - konzentrierte Plasmaproteine, die unter anderem zur Behandlung von Blutern sowie zur Therapie von Immunschwächekrankheiten und neurologischen Erkrankungen verwendet werden. Wegen des theoretischen Risikos, dass mit den Spenden die durch die Rinderseuche BSE in Großbritannien verbreitete Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit übertragen werden könnte, kommen die Spenden aus den USA.

Darf der Staat dieses hochsensible Geschäftsfeld in die Hände einer Firma geben, die in der Öffentlichkeit vor allem als herzlos bekannt ist? Bain Capital hat auch in der Vergangenheit Gefallen an Blut gezeigt.

An mehr als 50 Gesundheits-Firmen ist oder war Bain beteiligt - unter anderem an dem US-Blutwäscheanbieter Liberty Dialysis, der vor knapp zwei Jahren vom deutschen Dax-Konzern Fresenius Medical Care übernommen wurde. Derzeit hält die Firma Anteile an etwa 60 Unternehmen, darunter bekannte Namen wie der Spielzeughändler Toys R Us.

Dem Ruf von Bain haben die jedoch nichts genützt. Im September 2012 kam heraus, dass die Staatsanwaltschaft in New York wegen möglicher Steuervergehen gegen die Gesellschaft ermittelt.

Kritiker sagen, Bain beschädige Firmen, in die es investiere. Rendite um jeden Preis sei das Geschäftsziel. Dafür würde Bain es auch in Kauf nehmen, "Portfoliofirmen massiven wirtschaftlichen Schaden" zuzufügen, heißt es in einer Studie von Sven Fürth und Christian Rauch, zweier Private-Equity-Fachleute der Universität Frankfurt.

Wie im Fall des Medizinausrüsters Dade Behring, bei dem die neuen Eigner radikale Einsparprogramme durchsetzten, Mitarbeiter entließen, dafür den Schuldenstand erhöhten und sich selbst gute Dividenden auszahlten. Im Jahr 2002 musste Dade Behring Insolvenz anmelden (Nach erfolgreicher Sanierung übernahm 2007 der Siemens-Konzern das Unternehmen). Derartige Szenarien sehen Kritiker für Plasma Resources heraufziehen.

Aber ist es wirklich so schlimm, wenn die Herstellung von Blutplasma-Produkten in der Hand privater Konzerne liegt? In Deutschland ist das längst der Fall. Hierzulande kommen derartige Medikamente von gewinnorientierten Privat-Unternehmen wie Biotest, CSL Plasma oder Octapharma. Überwacht werden sie durch das Paul-Ehrlich-Institut, eine Bundeseinrichtung.

Das Deutsche Rote Kreuz schloss eine seiner letzten Anlagen im nordrhein-westfälischen Hagen Ende 1994. Die Herstellung lohnte sich nicht mehr.

Viele Briten können sich jedoch nicht damit anfreunden, dass mit Blutplasma künftig auch in Großbritannien Profit gemacht werden soll. Ex-Gesundheitsminister Owen warnte im März gar, bei einem privaten Hersteller steige die Gefahr, dass Blut-Produkte kontaminiert würden.

Der Ärger der Briten ist auch deshalb so groß, weil Plasma Resources nur ein Beispiel für die Privatisierungswut der britischen Regierung ist. Vor etwas mehr als einer Woche hatte Premierminister David Cameron im Parlament bereits den Börsengang einer nationalen Institution angekündigt: der staatlichen Post Royal Mail.

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